Christoph Schlingensiefs "Parsifal" muss man häufiger sehen, um mit ihm zurecht zu kommen. Beim ersten Mal ergeht es dem Zuschauer oft wie dem reinen Toren Parsifal selbst, der im ersten Akt mit offenem Mund in der Gralsburg der Wandlung beiwohnt.
Was stehst du da, weißt du, was du sahst? wird Parsifal von Gurnemanz gefragt. Aber Parsifal hat wie immer nichts verstanden und wird vor die Tür gesetzt. So kann man in einem ersten Reflex leichthin sagen, daß auf dem Grünen Hügel mit Schlingensief ein Regisseur ans Werk gelassen wurde, der die Bühne zukippt mit einer Bilder-Orgie, die wahllos alle Todes- und Auferstehungsriten sämtlicher Völker und Religionen zu einem synkretistischen Brei verkocht, ohne sich auf Wagners Abschiedswerk auch nur im geringsten einzulassen.
Aber auch Parsifal beginnt erst fern vom Reich der Gralsritter und bei seiner Rückkehr zu erkennen, was es mit diesem seltsamen Bund auf sich hat. Und so werden beim zweiten Blick auf die Schlingensief-Arbeit die Bezüge zu Wagner deutlicher, lichtet sich der vermeintliche Bilderwust zu einem anspielungsreichen und bedeutungsstarken Bildergeflecht, das anrührt und mitunter ergreift. Wie beim Karfreitagszauber. Parsifal sitzt mit einem behinderten Kind auf einer Wippe, die sich sanft auf und ab bewegt, der Slum und die Wüste erblühen.
Schlingensief hatte die leidende, depressive und erlösungssüchtige Gralswelt aus ihrer hehren Exklusivität in den Grundzustand menschlichen Dasein zurückgeführt. Amfortas, Gurnemanz, Kundry und Klingsor und alle Knappen und Ritter sind in Ängsten, Schmerzen und Verletzbarkeit gefangene Wesen. Das Erschrecken über ihre Endlichkeit, ihr Ausgeliefertsein an Tod und Verwesung ist ihnen ins Gesicht geschrieben, ebenso wie die Sehnsucht nach Erlösung und die Verwunderung angesichts von Fruchtbarkeit und des immer wieder neu gebärenden und sprießenden Lebens. Schlingensiefs "Parsifal" ist ein großes memento mori. Der im Zeitraffer verwesende Hase als Video-Projektion am Ende ist sein Symbol. Und der Regisseur wirft zugleich einen staunenden Blick auf die hemmungslose organische Lebensgier, die beim Einzeller beginnt und bei den Maden weitergeht. Ein archaischer Zugriff aufs Leben, der Anbetung in einer säkularistischen und materialistischen Gegenwart zugänglich machen will.
Vom Dirigenten, Adam Fischer, über die Hauptdarsteller bis zu den Chorsängern und behinderterten, zwergwüchsigen, übergewichtigen und uralten Statisten hat Christoph Schlingensief alle in sein klingendes Kunstobjekt eingebunden. Musikalisch wird es mit viel Energie und Leidenschaft vorgetragen. Zum letzten Mal soll es in diesem Festspielsommer über die Bayreuther Bühne gehen. Dann wird die Produktion eingemottet oder vernichtet, um im nächsten Jahr einer Parsifal-Inszenierung von Stefan Herheim Platz zu machen. Dringend nötig wäre eine Video-Aufzeichnung der von Publikum und Kritik extrem angefeindeten Schlingensief-Produktion. Bisher wurde die Dokumentation seitens der Festspielleitung untersagt. Aber der so genannte Jahrhundert-Ring von Patrice Chéreau musste sich auch erst durchsetzten. Ob der "Parsifal" eine Jahrundertinszenierung ist, wird das Jahrhundert erst noch entscheiden müssen. In diesem Sommer auf dem Grünen Hügel mit den szenisch gähnend langweiligen Tannhäuser- und Ring-Aufführungen sind Katharina Wagners neue "Meistersinger" und Christoph Schlingensiefs "Parsifal" jedenfalls die ästhetischen Leuchttürme.
Was stehst du da, weißt du, was du sahst? wird Parsifal von Gurnemanz gefragt. Aber Parsifal hat wie immer nichts verstanden und wird vor die Tür gesetzt. So kann man in einem ersten Reflex leichthin sagen, daß auf dem Grünen Hügel mit Schlingensief ein Regisseur ans Werk gelassen wurde, der die Bühne zukippt mit einer Bilder-Orgie, die wahllos alle Todes- und Auferstehungsriten sämtlicher Völker und Religionen zu einem synkretistischen Brei verkocht, ohne sich auf Wagners Abschiedswerk auch nur im geringsten einzulassen.
Aber auch Parsifal beginnt erst fern vom Reich der Gralsritter und bei seiner Rückkehr zu erkennen, was es mit diesem seltsamen Bund auf sich hat. Und so werden beim zweiten Blick auf die Schlingensief-Arbeit die Bezüge zu Wagner deutlicher, lichtet sich der vermeintliche Bilderwust zu einem anspielungsreichen und bedeutungsstarken Bildergeflecht, das anrührt und mitunter ergreift. Wie beim Karfreitagszauber. Parsifal sitzt mit einem behinderten Kind auf einer Wippe, die sich sanft auf und ab bewegt, der Slum und die Wüste erblühen.
Schlingensief hatte die leidende, depressive und erlösungssüchtige Gralswelt aus ihrer hehren Exklusivität in den Grundzustand menschlichen Dasein zurückgeführt. Amfortas, Gurnemanz, Kundry und Klingsor und alle Knappen und Ritter sind in Ängsten, Schmerzen und Verletzbarkeit gefangene Wesen. Das Erschrecken über ihre Endlichkeit, ihr Ausgeliefertsein an Tod und Verwesung ist ihnen ins Gesicht geschrieben, ebenso wie die Sehnsucht nach Erlösung und die Verwunderung angesichts von Fruchtbarkeit und des immer wieder neu gebärenden und sprießenden Lebens. Schlingensiefs "Parsifal" ist ein großes memento mori. Der im Zeitraffer verwesende Hase als Video-Projektion am Ende ist sein Symbol. Und der Regisseur wirft zugleich einen staunenden Blick auf die hemmungslose organische Lebensgier, die beim Einzeller beginnt und bei den Maden weitergeht. Ein archaischer Zugriff aufs Leben, der Anbetung in einer säkularistischen und materialistischen Gegenwart zugänglich machen will.
Vom Dirigenten, Adam Fischer, über die Hauptdarsteller bis zu den Chorsängern und behinderterten, zwergwüchsigen, übergewichtigen und uralten Statisten hat Christoph Schlingensief alle in sein klingendes Kunstobjekt eingebunden. Musikalisch wird es mit viel Energie und Leidenschaft vorgetragen. Zum letzten Mal soll es in diesem Festspielsommer über die Bayreuther Bühne gehen. Dann wird die Produktion eingemottet oder vernichtet, um im nächsten Jahr einer Parsifal-Inszenierung von Stefan Herheim Platz zu machen. Dringend nötig wäre eine Video-Aufzeichnung der von Publikum und Kritik extrem angefeindeten Schlingensief-Produktion. Bisher wurde die Dokumentation seitens der Festspielleitung untersagt. Aber der so genannte Jahrhundert-Ring von Patrice Chéreau musste sich auch erst durchsetzten. Ob der "Parsifal" eine Jahrundertinszenierung ist, wird das Jahrhundert erst noch entscheiden müssen. In diesem Sommer auf dem Grünen Hügel mit den szenisch gähnend langweiligen Tannhäuser- und Ring-Aufführungen sind Katharina Wagners neue "Meistersinger" und Christoph Schlingensiefs "Parsifal" jedenfalls die ästhetischen Leuchttürme.