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Mensch statt Maschine

In Sachsen-Anhalt gibt es seit einigen Monaten das so genannte Einstiegsgeld, mit dem 1500 überwiegend Langzeitarbeitslose wieder in Arbeit gebracht wurden. Dieses Kombilohnmodell rechnet sich auch für den Arbeitgeber, vor allem wenn ein junges Unternehmen, das neue Stellen schaffen soll, selbst erst mal auf die Beine kommen muss. Wie sich das rechnet, zeigt die Hasa GmbH in Burg bei Magdeburg, ein Hersteller von Tiefkühlpizzen.

Von Verena Kemna | 02.06.2006
    Europas modernste Pizzafabrik sieht von Ferne aus wie ein großer schwarz-gelb gestreifter Legowürfel. Mit ihrer Pizzafabrik Hasa erfüllen sich die Geschäftsführer Holger Pitsch und Andreas Czayka einen lang gehegten Wunsch. Als Manager haben sie jahrzehntelang in Großkonzernen für andere gearbeitet. Seit einem Jahr ist Schluss damit. Investitionssumme: zwölf Millionen Euro. Der Eigenanteil liegt bei 80 Prozent. Bauzeit: sechs Monate. In dem unscheinbaren schwarz-gelben Firmengebäude stecken Berufserfahrung, unternehmerisches Risiko und die Vision von der perfekten Fabrik, dem perfekten Produkt.

    Am Anfang steht die Frage nach dem Warum. Andreas Czayka hört sie oft, seine Antwort ist ein leidenschaftliches Plädoyer.

    "Das ist also die Crux, die mich am meisten ärgert. Dass man sich erklären muss, dass man Arbeitsplätze schafft, dass man sein Leben in die Hand nimmt. Das ist doch das, was Deutschland mal stark gemacht hat, dass aus Unternehmen neue Unternehmen entstehen, dass also Leute, die ihr Wissen angehäuft haben wie mein Schwager und ich gesagt haben: So, wir gehen aus den Unternehmen raus und bilden eine neue Keimzelle, ein neues Unternehmen. Das ist heute anscheinend nicht mehr angesagt. Aber das wird wieder kommen, und es muss mehr solche positiv Verrückten geben wie uns, die sagen: Wir riskieren einfach was."

    700 Millionen Pizzen essen die Deutschen jedes Jahr. Der Markt hat sich in den letzten zehn Jahren verdoppelt, Tendenz steigend. Davon will Hasa vier Prozent Marktanteil. Seit Februar produziert die Firma mit 35 Mitarbeitern etwa eine Million Pizzen im Monat. Noch steht das Unternehmen ganz am Anfang, aber der Markteinstieg läuft wie geplant. In dieser Phase ist es normal, dass in der Bilanz keine schwarzen Zahlen stehen, sagt Geschäftsführer Czayka. Spätestens im August soll der Break-Even-Point erreicht sein, das heißt, 1,5 Millionen Euro Umsatz im Monat. Andreas Czayka sitzt am Schreibtisch, das Telefon am Ohr, den Stift in der Hand. Noch nimmt er jeden Auftrag persönlich entgegen.

    "Kurze Wege, das ist das was den Mittelstand ausmacht. Kurze Wege, schnelle Entscheidungen, Flexibilität in den Dingen so wie bei der einen Gruppe eben, oder bei dem Telefonat mit der Rewe Dortmund, das erkennen die Leute dann schon an, und da hat man dann eher auch eine Chance."

    Die großen Handelsketten in Deutschland bestellen. Auch die Märkte in England, Dänemark und Schweden warten bereits auf die Pizza aus Burg. Heute gehen die ersten vier Lkw mit 80.000 Pizzen nach England. Schmeckt wie beim Italiener, keine künstlichen Zusatzstoffe, das ist unser Erfolgsrezept, sagt Andreas Czayka.

    "Sie haben eine völlig andere Basis, ein völlig anderes Produkt. Einen Teig, wie sie ihn vom Restaurant her kennen, von der italienischen Pizzeria. Wir haben hier einen italienischen Ofen, wo die Pizzen direkt auf heißem Stein vorgebacken werden, und dadurch werden sie besonders knusprig."

    Gebacken wird bei 300 Grad auf grauem Granitstein aus den Dolomiten. Alle Zutaten für den Belag, vom Mozzarella bis zur Salami, kommen aus Italien. Ein Original mit Qualität, da wurde in der Chefetage bei Feinkost Käfer in München nicht lange überlegt. Die Lizenz für Feinkostpizza, die sich mit dem rotem Marienkäfer schmücken darf, liegt jetzt in Sachsen-Anhalt. Diese teuerste Pizza auf dem Markt kostet drei Euro. Qualität hat ihren Preis, genau deshalb setzt Czayka ganz auf den Markennamen aus Bayern.

    "So etwas muss sich entwickeln über Bekanntschaft, über Präsentation, über Mund-zu-Mund-Propaganda. Wir gehen davon aus, dass wir in spätestens einem Jahr einen Anteil von 40 Prozent haben werden, dann 80 bis 90 Prozent. Käfer wird der Schwerpunkt unserer Bemühungen sein."

    Wie aus Salz, Hefe und Mehl knuspriger Pizzateig wird, bleibt Betriebsgeheimnis. In den Hallen duftet es nach Tomatenpüree und gebackenem Hefeteig. Die modernen Edelstahlmaschinen arbeiten voll automatisch, fast ohne menschliche Aufsicht. Es geht um Qualität beim Produkt und bei der Produktion. Aber nicht nur: Auch die regionale Anbindung ist den Geschäftsführern wichtig. Sie setzen ganz bewusst auf Sachsen-Anhalt und auch auf das hier angebotene Einstiegsgeld, ein spezielles Kombilohn-Modell. Statt einen Verpackungsmaschine anzuschaffen. hat er sieben Arbeitsverträge unterschrieben und damit sieben neue Jobs geschaffen. Dominik Becker, Marita Schulz, Andrea Kunze und die anderen hatten jahrelang den Stempel "langzeitarbeitslos". Seit Februar verpacken sie fertige Tiefkühlpizza in Kartons und sind glücklich.

    "Ich habe wieder ein gutes Umfeld, nette Kollegen, für mich ist das wie ein Wunder. Ich hätte nie gedacht, dass ich mal so etwas bekommen würde. Als ich die Nachricht bekommen habe, dass ich hier eingestellt bin, war das für mich ganz schön weltbewegend. Ich war früher Mauer, da liegt der Markt danieder. Da hat sich das ergeben, und da haben wir zugegriffen."

    Auch der Arbeitgeber profitiert vom Einstiegsgeld. In der Aufbauphase ihrer Pizzafabrik können Czayka und Pitsch sparen. Statt des branchenüblichen Bruttolohns von 1200 Euro zahlen sie nur 800 Euro. Die Differenz von 400 Euro errechnet sich aus ALG II und einem Zuschuss von der Arbeitsagentur. Holger Pitsch schwört auf seine neuen Mitarbeiter.

    "Die lustigste Truppe bei der härtesten Arbeit, aber das ist oft so im Leben."

    Er schlägt die Tür zu und freut sich. Sie werden bleiben, auch wenn das Einstiegsgeld in zwei Jahren abläuft. In diesem Haus ist Spaß an der Arbeit Unternehmenskultur.

    "Das ist für uns Grundvoraussetzung, dass wir nicht nur sagen, wir beschäftigen sie, weil sie günstig sind. Sondern wir wollen Mitarbeiter, die die Firmenphilosophie mit aufnehmen, und wir wollen sie beschäftigen über die Zeit hinaus."