Donnerstag, 28. März 2024

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Mensch-Tier-Kommunikation
Was hinter dem Hundeblick steckt

Kinderlieb, pflegeleicht, verspielt: Wenn sich Menschen für einen Hund als Haustier entscheiden, spielen solche Kriterien oft eine große Rolle. Doch entscheidend sei bei der Hundewahl auch ein anderer Faktor, sagte die Biologin Juliane Kaminski im Dlf: nämlich der Hundeblick.

Juliane Kaminski im Gespräch mit Lennart Pyritz | 18.06.2019
Sogenannter Hundeblick: Ein schwarzer Labradormischling liegt auf einem Kissen und schaut traurig.
Eine Studie hat untersucht, welche Auswirkungen der Hundeblick auf Menschen hat (picture alliance / Imagebroker)
Lennart Pyritz: Den Menschen anschauen, dabei die Augenbrauen heben und den Kopf schief legen – Merkmale des typischen Hundeblicks. Und der ist offenbar wichtig für die Interaktion zwischen Hund und Mensch, für die zwischenartliche Kommunikation. Jetzt hat ein Forschungsteam untersucht, wie sich insbesondere die ausdrucksstarken Augenbrauen im Lauf der Hunde-Domestizierung ausgebildet haben. Die Ergebnisse stehen in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins "PNAS".
Ein Appenzeller Sennenhund
Ein Appenzeller Sennenhund (imago images / Panthermedia )
Vor der Sendung habe ich mit der Studienautorin Juliane Kaminski telefoniert. Sie erforscht an der University of Portsmouth die Interaktionen von Mensch und Hund. Ich habe sie zuerst gefragt, was die Augenbrauen von Hunden besonders macht?
Juliane Kaminski: Das Besondere an den Augenbrauen bei den Hunden ist, dass die äußerst beweglich sind, also dass die Hunde ihre Augenbrauen relativ stark nach oben und nach innen ziehen können.
Hunde, die ihre Augenbrauen häufiger bewegen, werden schneller adoptiert
Pyritz: Welchen Effekt haben diese beweglichen Augenbrauen auf uns Menschen? Da gab es ja schon Untersuchungen zu.
Kaminski: Genau, wir haben vor ein paar Jahren eine Studie gemacht, die gezeigt hat, dass Hunde, die ihre Augenbrauen häufiger bewegen, schneller aus Tierheimen adoptiert werden als Hunde, die ihre Augenbrauen nicht so häufig bewegen. Das heißt, wir gehen davon aus, dass diese Augenbrauenbewegung bei dem Menschen unbewusst den Effekt hat, dass Menschen Hunde, die ihre Augenbrauen so stark bewegen und viel bewegen, bevorzugen.
Pyritz: Was könnte da der Grund dahinter sein, dass das sozusagen vom Menschen bevorzugt wird, Hunde, die diese Bewegung besonders häufig machen?
Kaminski: Die Annahme, die wir haben, ist, es gibt mehrere Möglichkeiten: die eine ist, dass diese Augenbrauenbewegung die Augen des Hundes größer erscheinen lässt und damit kindlicher. Die andere Möglichkeit ist, dass diese Augenbrauenbewegung eine Bewegung imitiert sozusagen. Also wenn wir die Augenbrauen so bewegen, dann ist das, wenn wir traurig sind. Also sie lässt das Hundegesicht etwas trauriger erscheinen und dass der Mensch sozusagen darauf reagiert. Aber eine letzte Möglichkeit ist auch, dass es sozusagen eine Augenbrauenbewegung widerspiegelt, die wir zeigen, wenn wir einfach kommunizieren, wenn wir sehr aufmerksam sind gegenüber anderen. Das heißt, es könnte sein, dass Menschen darauf so reagieren, weil sie den Hund als aufmerksamer empfinden.
Hunde mit stark beweglichen Augenbrauen wurden bei der Domestikation bevorzugt
Pyritz: Sie haben jetzt in der aktuellen Studie untersucht, ob diese ausdrucksvollen Augenbrauen ein Ergebnis der Evolution beziehungsweise gezielten Selektion durch den Menschen sind. Wie sind Sie dabei methodisch vorgegangen?
Kaminski: Da haben wir zunächst einmal anatomisch Hundeschädel mit Wolfsschädeln verglichen. Das heißt, wir haben uns die Gesichtsanatomie, also die Muskelanatomie des Hundes im Vergleich zu der des Wolfs angesehen und da festgestellt, dass die Gesichtsanatomie, die Muskelanatomie im Gesichte beider Arten völlig identisch ist. Der einzige Unterschied, den es gibt, ist eben in der Augenbrauenregion. Da haben die Hunde einen Muskel voll entwickelt und stark entwickelt, den es so bei dem Wolf nicht gibt, und das ist genau der Muskel, der diese Augenbrauenbewegung hervorruft.
Das heißt, wir gehen davon aus, dass wirklich während der Domestikation Hunde, die diese Augenbrauenbewegung stark durchgeführt haben, einen Selektionsvorteil hatten. Das heißt, Menschen haben bewusst oder unbewusst Hunde immer wieder zur Nachzucht weitergewählt, die diese Augenbrauenbewegung durchgeführt haben, und damit haben wir jetzt Hunde, die diesen Muskel haben, und wir haben Wölfe, die diesen Muskel offensichtlich nicht haben.
Zwei Huskies stecken ihre Köpfe aus einem Autofenster 
Huskies sind dem Wolf noch am ähnlichsten, können aber im Gegensatz zu diesem einen Muskel bewegen, der die Augenbrauenstellung verändert (imago stock&people)
Pyritz: Haben denn alle Hunderassen diesen Muskel, oder kann man da auch noch mal Abstufungen finden zwischen lange domestizierten und vielleicht jüngeren Rassen, die entstanden sind?
Kaminski: Also im Moment können wir das noch nicht so genau sagen, ob alle Hunderassen diesen Muskel haben. Was wir in unserer Studie zeigen konnten, ist, wir haben sechs verschiedene Hundeschädel untersucht, die waren auch von verschiedenen Rassen, da war ein Husky dabei, und dieser Husky hatte den Muskel nicht oder hatte ihn in derart ausgebildet wie wir ihn bei dem Wolf sehen. Das heißt, da gibt es eine Struktur, die wir so beim Wolf auch sehen, das ist aber nicht der ausgebildete Muskel. Das wäre natürlich sehr spannend, weil der Husky als eine ältere Hunderasse gilt, also als eine Hunderasse, die genetisch näher mit dem Wolf verwandt ist als andere Hunderassen und könnte natürlich darauf hindeuten, dass wir vielleicht innerhalb der Hunderassen da auch Unterschiede sehen. Das haben wir aber so systematisch noch nicht untersucht.
Sogenannter Hundeblick: Ein junger Golden Retriever blickt nach oben.
Vor allem Hunde mit großen Augen haben im Tierheim gute Chancen, vermittelt zu werden (picture alliance / chromorange)
Menschen entscheiden sich unbewusst für Hunde mit stärkeren Augenbrauen
Pyritz: Sie haben eben schon gesagt, Sie können jetzt noch nicht rekonstruieren, ob dieses Merkmal bewusst oder unbewusst durch den Menschen selektiert wurde. Hätten Sie da eine Vermutung, oder gibt es vielleicht irgendwann eine Möglichkeit, da trotzdem noch weiter zu kommen, das herauszufinden, wie bewusst das eventuell war?
Kaminski: Ja, also da sind wir gerade dran. Das kann man auf jeden Fall untersuchen, ob Menschen das eher bewusst oder unbewusst machen, diese Auswahl, oder ob sie überhaupt darauf reagieren. Meine Hypothese im Moment wäre, dass das eine unbewusste Sache ist, also dass den Leuten nicht bewusst ist, dass sie auf dieses Merkmal reagieren. Wenn man jetzt diese Tierheimstudie sich ansieht, dann würde man ja annehmen, dass in diesem Kontext, der Mensch geht ins Tierheim und will sich einen Hund aussuchen, dass er da sozusagen sehr nach diesen Hundebuchmerkmalen geht, die irgendwie einen guten Hund signalisieren sollen, und das konnten wir so überhaupt nicht zeigen. Ich bin aber ganz sicher, dass wenn man die Leute dann im Nachhinein interviewt und sagt, warum habt ihr diesen Hund gewählt, dass sie dann mit sehr bewussten Dingen kommen und dass ihnen diese eigentliche Wahl, die sie da getroffen haben, so nicht bewusst ist.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.