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Mensch und Maschine

Mensch und Bilder, Mensch und Maschine, Mensch und Medien. Die großen Themen unserer Zeit. Damit befasst sich bereits zum siebten Mal das Tanzfestival "Temps d'images". Dem Düsseldorfer Tanzhaus NRW ist es gelungen trotzt der Förderlücke, ein brisantes Programm auf die Beine zustellen.

Von Peter Backof | 12.01.2012
    "Good morning! – Morning! - Morning! – Oh, and in case I don't see you: Good afternoon, good evening and good night!"

    Kennen Sie vielleicht, diese Szene aus dem Hollywoodfilm "Truman Show." Alles Fassade, alles nur Show - das Leben Trumans: Eine einzige Inszenierung. Sie begegnen der Szene auch: als Filmprojektion im Rahmen eines Tanzstücks. Silke Z. – unter diesem Pseudonym firmiert die Kölner Choreografin – parodiert, mit dem Ensemble "Resistdance", eine ganze Reihe von Filmsequenzen. "Eyes Wide Shut", "Titanic", "Fight Club" oder: Die berühmte Spiegelszene aus einem Film der Marx-Brothers, in dem das Spiegelbild nicht das macht, was man ihm vorgibt. Die Szenen werden von Tänzern nachgespielt, dazu läuft die originale Tonspur. "Sweded Version", eine Mode derzeit, nennt man es, wenn Laien Filmszenenklassiker nachspielen, ins Internet stellen. Und: "Sweded – das Leben als Kopie" heißt auch Silke Zs Produktion.

    "Die Frage nach der Individualität heute, das hat uns interessiert. Was ist denn, wenn wir nur noch kopieren? Oder wenn wir alle nur immer das wollen, was der Nachbar auch hat, im weitesten Sinn. Kopieren steht ja auch für nen gewissen Trend – die politische Aussage, die da drinsteckt – wo führt das eigentlich hin?"

    So hinreißend komisch die Parodieszenen sind, so beängstigend ist das, was die Tänzer davor, als Kontrapunkt, auf der Bühne aufführen. Zwanzig, dreißig Gesten, Posen, Schritte kopieren sie aus den Filmen. Und nur aus diesen setzt sich ihre ganze Körpersprache zusammen: eine strenge Bewegungsfuge aus starren Mustern, bis dann – man freut sich richtig – ein Akteur aus der Reihe tanzt und aufbegehrt. – Eines der starken Bilder beim Festival "Temps d'images." Leiter Stefan Schwarz programmiert vier große europäische Tanzproduktionen - Deutschlandpremieren, dazu Tanzfilme – und Tanz-Installationen - im Foyer. Roter Faden: Mensch und Maschine.

    "Es gibt ne Tendenz in den letzten Jahren, weg von Hightech, weg von der Spielerei, weg von der inhaltslosen Nutzung von neuer Technologie, der viele Leute einfach erliegen, weil es einfach faszinierend ist und inzwischen auf Smartphonegröße zugänglich ist. Heute ist alles verfügbar, alles möglich. Umso weniger ist es interessant für 'ne gute Kunst."

    Stefan Schwarz definiert "Temps d'images" als Avantgardefestival und bemerkt – international – einen Trend zur Reduktion des Technischen als Wirkungsmacht: "When we meet again" von dem britischen Ensemble "Me and the Machine." Da bekommt man als Besucher zwar eine 3 D -Brille aufgesetzt und betritt einen virtuellen Raum, verbringt neun Minuten im Cyberspace. Aber: Man wird - als einziger Besucher der Aufführung - an die Hand genommen und kann sich mit seinem Guide unterhalten. Was einem davon erinnerlich bleibt, meint Schwarz, sind nicht die virtuellen Bilder, sondern die Erfahrung körperlicher Nähe und Kommunikation. Man will hernach wissen, wer einen da jetzt begleitet hatte. Experiment, extreme Variation des Ur-Tanz-Themas - Körper im Raum – und: Kommentar zu virtuellen Formen des Umarmens, des Anstupsens."

    "Es muss da einen Hintergrund geben, eine Idee, eine Magie, ein Rätsel, eine Ideologie meinetwegen, eine Vision, in deren Dienst die Technik ist."

    "Temps d'image wird begleitet von einer Tagung, die den Medieneinsatz im Tanz diskutiert. Technik, in Form einer Filmprojektion, die nur den Zweck hätte, ein breiteres Publikum in eine Tanzaufführung zu locken, habe ausgedient: eine der Thesen.

    Eine andere werfen der italienische Regisseur Davide Pepe und die Choreografin Miriam King auf: "Body Electric", ein Tanzfilm, zeigt den austrainierten Körper eines Tänzers in Naheinstellungen. Muskeln spannen sich an, Sehnen zittern förmlich. Man sieht, dass sich in jeder Bewegung ja tatsächlich elektrische Energie entlädt – eine physiologische Tatsache - und fragt sich wieso sollte eigentlich das alte Bild vom Menschen als Maschine nicht mehr gelten. Temps d'image bündelt eine ganze Reihe physischer Bilder, die nicht gegen Technik, sondern, originell und neu, mit ihr operieren.

    Weiterführende Informationen zum Festival:
    Tanzhaus NRW