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Mensch und Maschine

Robotik.- In Fabriken arbeiten Roboter meistens hinter Absperrungen, um Menschen nicht zu gefährden. Doch um die Stärken beider besser kombinieren zu können, sollen die Barrieren wegfallen. Wie dabei trotzdem die Sicherheit gewährleistet werden kann, untersucht das EU-Projekt Rosetta.

Von Thomas Reintjes | 16.04.2012
    Bisher müssen Mensch und Roboter nicht viel voneinander wissen. Jeder hat seinen Zuständigkeitsbereich. Doch die Barrieren sollen fallen und Mensch und Roboter buchstäblich Hand in Hand arbeiten. Zuverlässigkeit, Kraft und Genauigkeit der Maschine sollen so mit der Kreativität der Menschen und ihrer Fähigkeit, Probleme zu lösen kombiniert werden. Die Roboter müssen daher lernen, auf Menschen Rücksicht zu nehmen. Sie können nicht mehr die immer gleichen einprogrammierten Bewegungen ausführen. Wenn sie sich einen Arbeitsraum mit Menschen teilen, verändert sich ihre Umgebung und darauf müssen die Maschinen reagieren. Paolo Rocco von der Technischen Universität Mailand:

    "Überwachungskameras können den Robotern dabei helfen, Menschen in ihrer Nähe zu erkennen. Und bis zu einer gewissen Grenze können sie dadurch auch vorhersagen, wohin die Menschen sich bewegen werden. In der engsten Umgebung können Abstandssensoren am Roboter Ausweichbewegungen auslösen, um einen Kontakt zu vermeiden."

    Überwachungskameras am Arbeitsplatz – das dürfte jenseits des Sicherheitsgewinns zu Diskussionen über Privatsphäre und Datenschutz führen, selbst wenn nur Roboter die Bilder auswerten, um ihre Bewegungen zu kontrollieren. Um die Sicherheit für die Menschen zu erhöhen, hat Rocco noch eine andere Idee:

    Seine Arbeitsgruppe sucht nach Wegen, die Bewegungen so menschlich wie möglich zu gestalten. Das heißt nicht, dass sich die Maschinen auf zwei Beinen durch die Werkshallen bewegen sollen, auch einen Kopf müssen sie nicht haben. Aber Roboter, die an einem Torso rechts und links einen Arm befestigt haben, könnten durchaus stärker in der Industrie eingesetzt werden. Sie könnten mit ihren beiden Armen Bauteile zusammensetzen und die Teile dann an ihre menschlichen Kollegen zur Weiterverarbeitung übergeben. Um die Roboter nicht nur in ihrem Aussehen, sondern auch in ihren Handlungen menschlicher zu gestalten, hat Paolo Roccos Team die Bewegungen von Probanden beobachtet.

    "Wir haben die Bewegungen aufgezeichnet und die Daten dann analysiert. Dabei haben wir festgestellt, dass Menschen unbewusst eine bestimmte Art haben, mit der Redundanz umzugehen, also damit, dass unsere Arme mehr Gelenke haben als für eine bestimmte Bewegung notwendig sind. Diese Art, mit der Redundanz umzugehen, konnten wir auf Roboter übertragen."

    Sie bewegen sich also nicht mehr abgehackt oder irgendwie eckig, sondern menschenähnlich. Sie vermeiden beispielsweise, den Ellbogen nach vorne durchzubiegen, obwohl sie es – anders als ihre menschlichen Kollegen – könnten. In einer Folgestudie überprüften die italienischen Wissenschaftler, wie sich die neue Programmierung der Roboterarme auf Menschen auswirkt. Es ist bekannt, dass humanoid erscheinende Maschinen bei Menschen für Unbehagen und Ablehnung sorgen können. Doch Roccos Ergebnis ist ein anderes:

    "Wir haben physiologische Signale von Probanden aufgezeichnet. Die gaben uns Hinweise auf die Intensität des Stresses, den sie empfanden, während sie Seite an Seite mit Robotern standen, die sich auf unterschiedliche Art und Weise bewegten. Die Elektrokardiogramme, Messungen der Muskel-Aktivität und weitere Daten zeigten objektiv, dass die menschenähnlichen Bewegungen am wenigsten Stress erzeugten."

    Die natürlichen Bewegungen der Maschine sorgen dafür, dass sich die Menschen in ihrer Nähe wohler fühlen. Dadurch steigt nicht nur die gefühlte Sicherheit: Die Bewegungen des Roboters werden für den Menschen auch besser vorhersagbar, so dass er seine eigenen Bewegungen entsprechend anpassen kann. Genau wie die Roboter durch eine Vorhersage der Bewegungen der Menschen Kollisionen vermeiden. Beides zusammen könnte eine sichere Zusammenarbeit von elektrischen und menschlichen Kollegen ermöglichen.