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Menschen auf dem Prüfstand

Dänemarks Minderheitsregierung ist beim Durchbringen von Entscheidungen meist zusätzlich auf die Stimmen der rechtspopulistischen Dänischen Volkspartei angewiesen. Eine Folge daraus: Das Land hat mittlerweile die strengsten Einwanderungsregeln von Europa.

Von Marc-Christoph Wagner | 09.11.2010
    Pia Kjærsgaard, die Vorsitzende der Dänischen Volkspartei, trat müde, jedoch erleichtert vor die Mikrofone der wartenden Journalisten. Einmal mehr hatte sie bei den jährlichen Haushaltsverhandlungen ihren Willen durchgesetzt, einmal mehr werden die dänischen Zuwanderungsgesetze verschärft :

    "Die Regelungen, die von uns in den vergangenen Jahren verabschiedet wurden, waren vernünftig und haben zu einer geregelteren Zuwanderung nach Dänemark geführt. Dennoch brauchen wir eine weitere Verschärfung. Wir wollen Ausländer, die sich integrieren wollen, Ausländer, die schon Qualifikationen haben, bevor sie zu uns ins Land kommen. Nach wie vor haben wir zu viele Familienzusammenführungen von Leuten, die sich bei uns nicht integrieren wollen."

    In Zukunft wird leichter eine Aufenthaltsgenehmigung erhalten, wer über ein sogenanntes Integrationspotenzial verfügt – das heißt Sprachen spricht, eine Ausbildung hat, durch mehrmalige Aufenthalte Grundkenntnisse über das Leben in Dänemark erlangt hat. Unumwunden gibt Dänemarks rechtsliberale Integrationsministerin Birthe Rønn Hornbech zu, man wolle vor allem ressourcenstarke Ausländer gewinnen:

    "Es geht um Menschen, die etwas beitragen können zu unserer Gesellschaft. Denn die brauchen wir. Selbst wenn jeder Däne eine Arbeit hat, reicht das nicht, um die demografische Herausforderung, vor der wir stehen, zu lösen. Wir können uns künftig nicht selbst versorgen und auch in Dänemark gibt es Qualifikationen, die wir brauchen, über die wir selbst aber nicht verfügen. Und dafür benötigen wir eben Leute von außerhalb."

    Mit dem neuen Gesetz reagiert die Integrationsministerin auch auf die Kritik, die scharfen Zuwanderungsgesetze hätten in den vergangenen Jahren dazu geführt, dass selbst hochqualifizierte Dänen das Land verließen, weil ihre ausländischen Lebenspartner keine Aufenthaltsgenehmigung im Lande erhielten. Solchen Ausländern soll es mit dem neuen Punktesystem nun leichter gemacht werden ins Land zu kommen, während Migranten aus den ärmeren Teilen der Welt kaum noch eine Chance haben. Und eben das sei Sinn und Zweck der Neuerung, bekennt die Rechtspopulistin Pia Kjærsgaard ganz offen:

    "Das große Problem ist die Zuwanderung aus nicht-westlichen Staaten. Berechnungen zeigen, diese Leute kosten die Staatskasse drei Mal so viel wie Zuwanderer aus westlichen Ländern. Und was qualifizierte Arbeitskräfte angeht – zunächst müssen wir die Dänen in Lohn und Brot bringen, und wenn die Unternehmen darüber hinaus noch Arbeitskräfte brauchen, dann gibt es 23 Millionen Arbeitslose innerhalb der EU, die sich hierzulande sehr viel leichter integrieren lassen."

    Aus der Opposition kommen angesichts der neuerlichen Verschärfung nur vereinzelt kritische Stimmen. Selbst Sozialdemokraten und die dänischen Grünen haben den ausländerpolitischen Kurs von Regierung und Volkspartei akzeptiert. Poul Madsen, Chefredakteur von Dänemarks größter Boulevardzeitung, dem Ekstra-Bladet:

    "Die Dänische Volkspartei verkörpert den politischen Konsens in dieser Frage. Ihr ist es gelungen, ihre Haltungen und Werte in der Ausländerpolitik zum Allgemeingut zu machen. Selbst die dänischen Grünen billigen heute in Grundzügen die offizielle Politik. Was die Dänische Volkspartei in den vergangenen 10, 15 Jahren erreicht hat, ist, dass Haltungen heute politischer Konsens sind, die einst ganz weit am Rande standen."

    Und so bleibt es Organisationen wie dem Zentrum gegen Rassendiskrimination überlassen, die abermalige Verschärfung in der dänischen Zuwanderungspolitik zu kritisieren. Deren Vorsitzender Niels-Erik Hansen betont, Kriterien wie das Integrationspotenzial eines Menschen seien legitim, wenn es um Greencards und dergleichen ginge, aber

    "hier geht es um Familienzusammenführungen, das heißt Mütter, Väter, kleine Kinder, die getrennt sind. Das hat mit Kriterien für den Arbeitsmarkt nichts zu tun. Das wäre ja, als wenn wir Menschen sagen, die vor Krieg und Folter fliehen, klar bekommt ihr bei uns Asyl, aber nur wenn ihr Ärzte seid oder ein Diplom habt in Politikwissenschaften. Die Dinge so miteinander zu vermischen, das ist nicht legitim."