"Ich hatte einen Tag mal frei. Und da klingelt es an der Tür, und da stellte sich ein Herr vor, er wäre der Gerichtsvollzieher."
Die Diätassistentin Vera Müller konnte nicht glauben, was dann folgte.
"Und ich wollte ihn noch wegschicken und sagen, Sie sind hier verkehrt, also das kann nicht sein. Also ich bin wirklich aus allen Wolken gefallen, was der mir da alles gesagt hat, was nicht bezahlt wurde, was ich wirklich nicht wusste."
Ihr Mann arbeitete als studierter Betriebswirt im Außendienst einer Bausparkasse.
Sie vertraute ihm.
"Ich habe überall mit unterschrieben. Er bestand auch drauf, dass ich überall mit unterschreibe. Und ich hab es getan. Wir waren siebzehn Jahre verheiratet. Man vertraut seinem Partner, glaubt an ihn und kann sich nicht vorstellen, dass man so hintergangen wird. Und da ich eine feste Anstellung hatte, kamen natürlich alle Gläubiger zu mir."
Zur Rede gestellt, meinte ihr Mann, er wollte sie vor unnötigen Sorgen schützen.
Vera Müller fühlte sich hintergangen.
"Ich habe mich scheiden lassen, bin sofort aus dem Haus raus. Und er erzählte mir immer noch, er verdient bald wieder ganz viel. Es wird alles wieder gut, aber ich habe nichts mehr geglaubt, bin weiter arbeiten gegangen. Und habe alles zusammengesucht, was ich finden konnte. Gegen mich lag sogar ein Haftbefehl vor, was ich nicht wusste. Die Gläubiger schrieben mich auch alle an. Vor allem, die kamen zu meinem Arbeitgeber, was mir unheimlich peinlich war. Ich war immer arbeiten, immer fleißig, nie einmal arbeitslos, toi, toi, toi, in der heutigen Zeit. Wirklich geschafft ohne Ende, auch nebenbei für die Krankenkasse gearbeitet, und so."
Das Ergebnis: Fast 390.000 Euro Schulden, für die Vera Müller gerade stehen sollte: Hypothekenkredite, Konsumentendarlehen, unbezahlte Rechnungen, die sie hinter einem Schrank fand. Kurz nachdem das ganze Desaster feststand, wandte sie sich an die Schuldnerberatung Köln:
"Ich hatte jetzt so einen Berg von Schulden, also Rechnungen, jeder wollte was von mir, und ich habe gedacht: Da hilft nur noch die Schuldnerberatung. Ich alles zusammengepackt und mir eine Adresse rausgesucht, bin gut gelandet, die haben mich wirklich gut beraten, gut geholfen, dass ich da einigermaßen herauskam, also herauskam ist gut, ich musste in die private Insolvenz, ich hatte keine andere Chance. Ich hätte das nicht zurückzahlen können."
So wie Vera Müller geht es vielen in Deutschland: 2006 waren es rund 92.000, die eine Privatinsolvenz durchführten. Wie das Verfahren funktioniert - erklärt Dr. Wolfram Backert, Soziologe an der TU Chemnitz.
Erst mal muss der Schuldner versuchen, eine außergerichtliche Einigung herbei zu- führen, die muss auch von einer geeigneten Stelle bescheinigt werden. Das sind in der Regel Schuldnerberatungsstellen oder Anwälte. Wenn dieser Versuch scheitert, was eigentlich die Regel ist, wird dann der Weg zum Gericht eingeschlagen. Der Amtsrichter kann dann noch mal einen gerichtlichen Einigungsversuch unternehmen. Wenn dieser auch fehlschlägt, wird dann das Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet. Mit der Eröffnung des Verfahrens genießt der Schuldner dann Vollstreckungsschutz, muss aber auch alle seine Einkünfte über der Pfändungsfreigrenze einem Treuhänder abgeben.
Der verteilt das Geld am Ende des Jahres dann auf die Gläubiger. Sechs Jahre dauert es, bis der Schuldner dann die Restschuldbefreiung erhält, vorausgesetzt, er hat sich "wohlverhalten".
"Für die Verschuldeten bedeutet das zunächst, eine Hürde zu überspringen,"
ergänzt Dr.Jörg Lechner.
"Sie müssen erst mal Ordnung in ihre Verbindlichkeiten bringen und eine Schuldnerberatungsstelle oder einen Rechtsanwalt aufsuchen, der den außergerichtlichen Einigungsversuch bescheinigt. Die Übersicht über die Gläubiger ist erst mal relativ schwierig herzustellen, und zwar haben rund 50 Prozent der Überschuldeten weniger als acht Gläubiger, aber bei den anderen 50 Prozent sind es eben deutlich mehr. Das Verfahren sieht vor, dass bei bis zu zwanzig Gläubigern ein Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet werden kann. In unserer Untersuchung gab es aber auch deutlich mehr Gläubiger,"
die häufig die Übersicht über ihre Schulden verloren hatten.
Die Untersuchung, die der Projektleiter erwähnt, wurde am Institut für Soziologie der TU Chemnitz bei Prof.Ditmar Brock durchgeführt. Dabei schickten die Wissenschaftler 18.000 Fragebögen in die fünf neuen Bundesländer sowie nach Hessen und Niedersachsen. Hessen ist das westliche Bundesland mit der niedrigsten, Niedersachsen mit der höchsten privaten Insolvenzquote. Mehr als 1.600 Bögen kamen ausgefüllt zurück. Es folgten qualitative Interviews.
"Wir kamen hierbei insgesamt auf keinen besonders guten Rücklauf, im Westen waren es ungefähr acht Prozent, im Osten elf Prozent. Aber, ... aus Vergleichsdaten, die wir zur Validierung unserer Studie heranziehen können, denken wir ... brauchbare Aussagen treffen können."
Den geringen Rücklauf erklären sich die Soziologen mit dem Schamgefühl, das eine Überschuldung auslöst. Das kann Vera Müller gut nachvollziehen:
"Es ist unheimlich peinlich, ich komme damit heute noch nicht zurecht. Also ich bin jetzt nicht derjenige, der sagt, ach, na Gott sei dank, ich habe alles in der Insolvenz, jetzt kann mir keiner was. Erst bin ich mit erhobenem Kopf herumgelaufen, zum Schluss wurde ich immer kleiner, weil ich mich geschämt habe dafür."
Überschuldung und wirtschaftliches Scheitern wird als Makel empfunden, das geben auch die Betroffenen an, die den Fragebogen ausgefüllt haben
Hinzu kommt der Umgang in unserer Gesellschaft mit dem Phänomen, so Wolfram Backert:
"Aus meiner Warte heraus würde ich sagen, wir Deutschen haben Probleme im Umgehen mit Scheitern. Eine finanzielle Katastrophe wie Überschuldung kann faktisch jeden treffen. Es gibt auch in allen modernen Industriegesellschaften irgendwelche Regelungen, wie hilft man den Leuten da wieder raus. Wir Deutschen haben ein psychologisches Problem damit, das mein ich jetzt mal so ganz privat, wenn man hinfällt, dann hat man gefälligst liegen zu bleiben, anstatt aufzustehen. Also die Amerikaner sehen das völlig anders, wenn man hingeflogen ist, muss sich einer schämen, wenn er liegen bleibt. Bei uns Deutschen hängt irgendwo der Makel mit an, wenn ich mal gescheitert bin, dann kann ich mich nirgendwo mehr blicken lassen. In Deutschland ist auch die Nähe zwischen Schulden und Schuld eine sprachliche semantische Nähe, die es in praktisch keinem anderen Sprachkreis gibt. Hier wird relativ deutlich, dass Schulden haben auch mit persönlicher Schuld zusammenhängt. Persönliche Schuld ist dann etwas, was auch zur Tabuisierung in bestimmten Problembereichen führt.
"
Zudem wird Schuldnern fälschlicherweise eine gesellschaftlich randständige Existenz unterstellt. Das widerspricht vollkommen der Realität: Überschuldung und Insolvenz können in jeder gesellschaftlichen Gruppe auftreten.
"Was zunächst überraschend war, ist, dass dieses Phänomen Verbraucherinsolvenz praktisch in der gesamten Bevölkerung zu finden ist. Es ist nicht so, dass die Verbraucherinsolvenz bestimmte Häufungen in unteren Schichten bei einem bestimmten Verhalten in bestimmten sozialstrukturellen Zusammenhängen hätte. Auf der einen Seite, es sind natürlich an- und ungelernte Berufe ein bisschen überrepräsentiert, natürlich haben wir - oder ich weiß nicht, ob es natürlich ist - wir haben keine CEO's in der Verbraucherinsolvenz, aber ansonsten ist die ganze Sozialstruktur gleichmäßig vertreten."
Mag aber auch sein, dass sich CEO's, also Vorstandsvorsitzende bei solchen Umfragen bedeckt halten, dass immer häufiger die Mittelschicht betroffen ist, konnte auch Gundolf Meyer, Bankkaufmann bei der Schuldnerhilfe Köln, beobachten,
"dass also aus der sogenannte Mittelschicht, doch Leute, die also ganz gut verdienen, Einkommen haben, dass auch dort die Überschuldungssituation zunimmt. Dort geht es dann auch häufig um höhere Schuldensummen als in der reinen Konsumentenüberschuldung, weil dort Häuser oder Wohnungen gekauft worden sind, größere Anschaffungen gemacht worden sind, die nur im Familienverbund zu tragen sind, und wenn eben eine Scheidung kommt, dann ist das einfach nicht mehr aufzufangen."
Bei den Schuldsummen, die den Chemnitzer Wissenschaftlern bei ihrer Umfrage genannt wurden, ist das nicht verwunderlich: Zwischen 1.000 und über einer Million Euro gaben die Schuldner an. Wolfram Backert:
"Überschuldung tritt in den seltensten Fällen plötzlich auf. Es handelt sich dabei um einen Prozess. Es ist eine Art von Abwärtsspirale, erste Zahlungsstörungen treten auf, und die Schulden häufen sich mit der Zeit. Die Betroffenen sagen häufig, man stopfe ein Loch, indem man ein anderes aufreißt. In unserer Studie jetzt, aber ganz konkret aber auch in vielen anderen Forschungsarbeiten zum Thema, ist Arbeitslosigkeit ganz definitiv die Hauptursache von Überschuldung. Bei uns wird das Ganze gefolgt von "Verlust des finanziellen Überblicks" und von "Folgen von Scheidungen". Das ist einerseits der Aspekt, ich weiß nicht mehr, wo ich was bestellt, wo ich was gekauft habe und auf der anderen Seite auch, unvorsichtiger Umgang mit Banken und Krediten. Aus unserer Sicht müsste noch mehr Verbraucheraufklärung betrieben werden. Die Leute sollten einfach in die Lage versetzt werden zu wissen, wo schulde ich was, und was kann ich mir eigentlich leisten."
Das deckt sich in etwa mit den Beobachtungen, die Michael Eham, Leiter der Schuldnerberatung Köln, in der Praxis gemacht hat:
"Zum einen ist es in den letzten Jahren schwierig geworden auf dem Arbeitsmarkt. Niemand kann heute voraussehen, ob er in den nächsten fünf Jahren noch den selben Arbeitsplatz hat, ob er überhaupt Arbeit haben wird."
Das gilt nicht nur für den Arbeitsplatz, sondern auch für private Beziehungen:
"Es gehen immer mehr Beziehungen auch zu Bruch, so dass auch da die Lebensplanung schwieriger wird. Auf der anderen Seite muss man sehen, dass sich die Angebote der Kreditfinanzierung natürlich enorm gewandelt haben. Es wird aggressiv für die Kreditvergabe geworben, "wir machen den Weg frei", und das dritte ist sicherlich aber auch ein Wertewandel in der Gesellschaft, die heute wie selbstverständlich auf Pump lebt. Man möchte die Bedürfnisse nicht mehr aufschieben, die Realisierung der Bedürfnisse, die man hat, sondern man will sie sofort haben. Es ist von daher selbstverständlich geworden, sich kurzfristig einen Kredit zu nehmen."
Dazu kommt, dass sich die Marktverhältnisse in den letzten zehn Jahren dramatisch verändert haben:
"Heute bekommen sie Kredite in großen Kaufhäusern, in Kaffeefirmen usw. Das heißt, es wird dem Kunden immer leichter gemacht sich zu verschulden und seine Bedürfnisse um die Ecke zu befriedigen."
Diese Einstellung spiegelt auch die Haushaltssituation von Kommunen, Ländern und dem Bund. Trotz vollmundiger Erklärungen haben es bislang die wenigsten Kommunen geschafft, wenigstens einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen geschweige dann schuldenfrei ins kommende Jahr zu gehen.
Auf Bundesebene darf der schuldenfreie Staat als ferne Utopie gesehen werden.
Was in der Politik fast schon als Normalität angesehen wird, gilt im Privatbereich als Belastung. Die Auswirkungen sind fatal, meint Götz Lechner:
"Wir haben natürlich danach gefragt, welche Auswirkung Überschuldung auf unter- schiedlichste Aspekte des alltäglichen Lebens hat. Rund zwanzig Prozent aller Befragten gaben an, dass in Folge von Überschuldung ihre Beziehung in die Brüche gegangen ist, Ehescheidung, respektive eine Trennung. Rund 22 Prozent aller Befragten gaben an, dass die Überschuldung negative Auswirkungen auf ihr Berufsleben hatte. Negative Auswirkungen können dadurch entstehen, dass eine Lohnpfändung zum Beispiel bei den Betroffenen zum Beispiel erwirkt wird, gleichzeitig kann ein Schuldenproblem, das über eine Lohnpfändung manifest wird, natürlich das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Beschäftigten beeinträchtigen."
Auch wenn ihr alter Arbeitgeber sie nie gedrängt hatte, fühlte Vera Müller sich an ihrem Arbeitsplatz so unwohl, dass sie die Stelle wechselte. Sie zog in die Großstadt, wo erst mal keiner sie kannte:
"Na gut, ich hab' dann in Köln, Gott sei Dank, Arbeit gefunden, aber ich habe gleich von Anfang an gesagt, was mir passiert ist, dass ich viele Schulden habe und in die Insolvenz gehen muss, und die haben gesagt, ist egal, wir nehmen sie trotzdem. Das war mein Glück, hab einen neuen Partner kennen gelernt, war auch mein Glück."
Aber die Insolvenz hat Konsequenzen.
"Wir wollten uns eigentlich eine neue Wohnung mieten, als Partner, das geht aber nicht. Ich habe zwar ein Gehalt, aber Pfändungen gehen davon ab. Und schon wird man nicht genommen. Das ist mir jetzt ein paar Mal so passiert. Wir probieren es jetzt gar nicht mehr, wir warten jetzt, bis die Insolvenz vorbei ist. Das ist auch so, meine ganzen Versicherungen sind weg. Die Schufa sieht dementsprechend schlecht aus. Was mir noch passiert ist, ich war beim Zahnarzt und brauchte neue Zähne. Ich musste so lange mit dem Provisorium herumlaufen, bis ich eben die Summe zusammen hatte für meine neuen Zähne und musste die bar bezahlen."
Wie lässt sich ein solches Desaster verhindern? Wolfram Backert und Götz Lechner haben eine Idee entwickelt
"Ich denke, wir brauchen einfach mal wesentlich durchsichtigere Informationen für die Kunden von Banken, aber auch bei anderen Finanzdienstleistungen und im Umgang mit Geld im Allgemeinen, also da liegt glaube ich, vieles im Argen."
Und Götz Lechner ergänzt,
"dass zum Beispiel bei den Verbraucherzentralen man sich jährlich oder zweijährlich, wie beim Auto, durchchecken lassen könnte, wie sieht's bei mir mit meinen Verbindlichkeiten, mit meinem Einkommen aus. Und im Rahmen dieser Überprüfung könnte man schon relativ frühzeitig feststellen, dass eventuell Schräglagen vorliegen, dass Probleme auftauchen, und es könnte, sowohl auf Seiten der Schuldner als auch auf Seiten der Gläubiger unglaublich viel Geld gespart werden, wenn Reaktionsformen frühzeitig erfolgen würden, und dieser jahrelange Prozess des Dahinschleppens, der Inkassoversuche, des Aufhäufens weiterer Verbindlichkeiten, vielleicht zum frühen Zeitpunkt gestoppt werden könnte. Und unsere Idee war dann auch, wer sich regelmäßig prüfen lässt, könnte dann auch, falls das Kind doch in den Brunnen fällt, damit belohnt werden, dass die Laufzeit im Insolvenzverfahren für ihn, der ja versucht hat, das doch zu vermeiden, verkürzt wird."
Praktisch würde das natürlich Veränderungen seitens des Gesetzgebers bedeuten, meinen beide:
"Da bewegen wir uns natürlich als Bewohner des Elfenbeinturms im Moment noch auf der Ebene der Theorie."
Auch bei der Schuldnerberatung Köln sind die Experten ins Grübeln gekommen. Die Idee: Wenn das Beratungsangebot niedrigschwellig angelegt ist, könnten vielleicht schon im Vorfeld Finanzprobleme behoben werden.
Michael Eham:
"Das ist unser Schuldenhelpline-Projekt. Wir beraten da Ratsuchende aus dem gesamten Bundesgebiet per Telefon und Internet. Hintergrund ist, dass nur zwölf Prozent des Schuldnerberatungsbedarfes in Deutschland gedeckt ist. Menschen also oft drei, sechs oder neun Monate Wartezeiten auf eine persönliche Beratung haben, und da wollten wir gegensteuern mit diesem Projekt."
Nach einem Jahr liegen jetzt die ersten Ergebnisse der Auswertung vor:
"Die erste Auswertung hat gezeigt, dass es einen großen Beratungsbedarf gibt, dass viele Leute auch die Anonymität in der Beratung schätzen, dass Menschen frühzeitiger kommen in die Beratung als in die persönliche Beratung und dass wir doch fast 90 Prozent der Anrufer oder der Email-Anfrager helfen konnten. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass viele Leute erste Tipps bekommen, wie sie ihrem Schicksal eine Wendung geben können, und viele Menschen erleichtert sind, die vorher blockiert waren, denkblockiert waren, weil sie verzweifelt waren und dann doch recht kurzfristig handeln können."
Die Schuldnerberatungen in Deutschland wie auch die Hilfesuchenden haben ein gemeinsames Problem: der Mangel an Geld.
"Die Finanzierung ist seit Jahrzehnten sehr prekär. Die Schuldnerberatung wird überwiegend noch von der öffentlichen Hand finanziert, die aber selber überschuldet ist, von daher sind wir auf der Suche nach neuen Finanzierungsquellen. Wir selber, die Schuldnerhilfe Köln, führt gerade ein Modell durch, das ist die Schuldnerhelpline, die eben von einer Bankstiftung und einer Lotterie gefördert wird. Also man kann sich eine Projektfinanzierung, eine Beteiligung an der Projektfinanzierung vorstellen. Idealerweise wäre aber eine Finanzierung in größerem Rahmen eine tolle Sache. Das könnte zum Beispiel ein gemeinsamer Bankenfonds sein, aus dem dann zum Beispiel die Schuldnerberatung flächendeckend mitfinanziert würde. "
Nicht jeder ist so erfolgreich, private Sponsoren für eine Schuldnerberatung zu finden. Inzwischen gibt es Städte wie Düren, wo mangels Finanzierung, nur noch ALG II - Empfänger beraten werden. Vera Müller hatte das Glück, in Köln zu wohnen, wo jeder die Möglichkeit einer Schuldenberatung hat.
"Ich hab' draus gelernt, mir alles gründlich anzusehen vom finanziellen her, nichts gleich zu unterschreiben und in dieser Beziehung keinem mehr zu vertrauen. Das ist traurig, aber es ist so."
Die Diätassistentin Vera Müller konnte nicht glauben, was dann folgte.
"Und ich wollte ihn noch wegschicken und sagen, Sie sind hier verkehrt, also das kann nicht sein. Also ich bin wirklich aus allen Wolken gefallen, was der mir da alles gesagt hat, was nicht bezahlt wurde, was ich wirklich nicht wusste."
Ihr Mann arbeitete als studierter Betriebswirt im Außendienst einer Bausparkasse.
Sie vertraute ihm.
"Ich habe überall mit unterschrieben. Er bestand auch drauf, dass ich überall mit unterschreibe. Und ich hab es getan. Wir waren siebzehn Jahre verheiratet. Man vertraut seinem Partner, glaubt an ihn und kann sich nicht vorstellen, dass man so hintergangen wird. Und da ich eine feste Anstellung hatte, kamen natürlich alle Gläubiger zu mir."
Zur Rede gestellt, meinte ihr Mann, er wollte sie vor unnötigen Sorgen schützen.
Vera Müller fühlte sich hintergangen.
"Ich habe mich scheiden lassen, bin sofort aus dem Haus raus. Und er erzählte mir immer noch, er verdient bald wieder ganz viel. Es wird alles wieder gut, aber ich habe nichts mehr geglaubt, bin weiter arbeiten gegangen. Und habe alles zusammengesucht, was ich finden konnte. Gegen mich lag sogar ein Haftbefehl vor, was ich nicht wusste. Die Gläubiger schrieben mich auch alle an. Vor allem, die kamen zu meinem Arbeitgeber, was mir unheimlich peinlich war. Ich war immer arbeiten, immer fleißig, nie einmal arbeitslos, toi, toi, toi, in der heutigen Zeit. Wirklich geschafft ohne Ende, auch nebenbei für die Krankenkasse gearbeitet, und so."
Das Ergebnis: Fast 390.000 Euro Schulden, für die Vera Müller gerade stehen sollte: Hypothekenkredite, Konsumentendarlehen, unbezahlte Rechnungen, die sie hinter einem Schrank fand. Kurz nachdem das ganze Desaster feststand, wandte sie sich an die Schuldnerberatung Köln:
"Ich hatte jetzt so einen Berg von Schulden, also Rechnungen, jeder wollte was von mir, und ich habe gedacht: Da hilft nur noch die Schuldnerberatung. Ich alles zusammengepackt und mir eine Adresse rausgesucht, bin gut gelandet, die haben mich wirklich gut beraten, gut geholfen, dass ich da einigermaßen herauskam, also herauskam ist gut, ich musste in die private Insolvenz, ich hatte keine andere Chance. Ich hätte das nicht zurückzahlen können."
So wie Vera Müller geht es vielen in Deutschland: 2006 waren es rund 92.000, die eine Privatinsolvenz durchführten. Wie das Verfahren funktioniert - erklärt Dr. Wolfram Backert, Soziologe an der TU Chemnitz.
Erst mal muss der Schuldner versuchen, eine außergerichtliche Einigung herbei zu- führen, die muss auch von einer geeigneten Stelle bescheinigt werden. Das sind in der Regel Schuldnerberatungsstellen oder Anwälte. Wenn dieser Versuch scheitert, was eigentlich die Regel ist, wird dann der Weg zum Gericht eingeschlagen. Der Amtsrichter kann dann noch mal einen gerichtlichen Einigungsversuch unternehmen. Wenn dieser auch fehlschlägt, wird dann das Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet. Mit der Eröffnung des Verfahrens genießt der Schuldner dann Vollstreckungsschutz, muss aber auch alle seine Einkünfte über der Pfändungsfreigrenze einem Treuhänder abgeben.
Der verteilt das Geld am Ende des Jahres dann auf die Gläubiger. Sechs Jahre dauert es, bis der Schuldner dann die Restschuldbefreiung erhält, vorausgesetzt, er hat sich "wohlverhalten".
"Für die Verschuldeten bedeutet das zunächst, eine Hürde zu überspringen,"
ergänzt Dr.Jörg Lechner.
"Sie müssen erst mal Ordnung in ihre Verbindlichkeiten bringen und eine Schuldnerberatungsstelle oder einen Rechtsanwalt aufsuchen, der den außergerichtlichen Einigungsversuch bescheinigt. Die Übersicht über die Gläubiger ist erst mal relativ schwierig herzustellen, und zwar haben rund 50 Prozent der Überschuldeten weniger als acht Gläubiger, aber bei den anderen 50 Prozent sind es eben deutlich mehr. Das Verfahren sieht vor, dass bei bis zu zwanzig Gläubigern ein Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet werden kann. In unserer Untersuchung gab es aber auch deutlich mehr Gläubiger,"
die häufig die Übersicht über ihre Schulden verloren hatten.
Die Untersuchung, die der Projektleiter erwähnt, wurde am Institut für Soziologie der TU Chemnitz bei Prof.Ditmar Brock durchgeführt. Dabei schickten die Wissenschaftler 18.000 Fragebögen in die fünf neuen Bundesländer sowie nach Hessen und Niedersachsen. Hessen ist das westliche Bundesland mit der niedrigsten, Niedersachsen mit der höchsten privaten Insolvenzquote. Mehr als 1.600 Bögen kamen ausgefüllt zurück. Es folgten qualitative Interviews.
"Wir kamen hierbei insgesamt auf keinen besonders guten Rücklauf, im Westen waren es ungefähr acht Prozent, im Osten elf Prozent. Aber, ... aus Vergleichsdaten, die wir zur Validierung unserer Studie heranziehen können, denken wir ... brauchbare Aussagen treffen können."
Den geringen Rücklauf erklären sich die Soziologen mit dem Schamgefühl, das eine Überschuldung auslöst. Das kann Vera Müller gut nachvollziehen:
"Es ist unheimlich peinlich, ich komme damit heute noch nicht zurecht. Also ich bin jetzt nicht derjenige, der sagt, ach, na Gott sei dank, ich habe alles in der Insolvenz, jetzt kann mir keiner was. Erst bin ich mit erhobenem Kopf herumgelaufen, zum Schluss wurde ich immer kleiner, weil ich mich geschämt habe dafür."
Überschuldung und wirtschaftliches Scheitern wird als Makel empfunden, das geben auch die Betroffenen an, die den Fragebogen ausgefüllt haben
Hinzu kommt der Umgang in unserer Gesellschaft mit dem Phänomen, so Wolfram Backert:
"Aus meiner Warte heraus würde ich sagen, wir Deutschen haben Probleme im Umgehen mit Scheitern. Eine finanzielle Katastrophe wie Überschuldung kann faktisch jeden treffen. Es gibt auch in allen modernen Industriegesellschaften irgendwelche Regelungen, wie hilft man den Leuten da wieder raus. Wir Deutschen haben ein psychologisches Problem damit, das mein ich jetzt mal so ganz privat, wenn man hinfällt, dann hat man gefälligst liegen zu bleiben, anstatt aufzustehen. Also die Amerikaner sehen das völlig anders, wenn man hingeflogen ist, muss sich einer schämen, wenn er liegen bleibt. Bei uns Deutschen hängt irgendwo der Makel mit an, wenn ich mal gescheitert bin, dann kann ich mich nirgendwo mehr blicken lassen. In Deutschland ist auch die Nähe zwischen Schulden und Schuld eine sprachliche semantische Nähe, die es in praktisch keinem anderen Sprachkreis gibt. Hier wird relativ deutlich, dass Schulden haben auch mit persönlicher Schuld zusammenhängt. Persönliche Schuld ist dann etwas, was auch zur Tabuisierung in bestimmten Problembereichen führt.
"
Zudem wird Schuldnern fälschlicherweise eine gesellschaftlich randständige Existenz unterstellt. Das widerspricht vollkommen der Realität: Überschuldung und Insolvenz können in jeder gesellschaftlichen Gruppe auftreten.
"Was zunächst überraschend war, ist, dass dieses Phänomen Verbraucherinsolvenz praktisch in der gesamten Bevölkerung zu finden ist. Es ist nicht so, dass die Verbraucherinsolvenz bestimmte Häufungen in unteren Schichten bei einem bestimmten Verhalten in bestimmten sozialstrukturellen Zusammenhängen hätte. Auf der einen Seite, es sind natürlich an- und ungelernte Berufe ein bisschen überrepräsentiert, natürlich haben wir - oder ich weiß nicht, ob es natürlich ist - wir haben keine CEO's in der Verbraucherinsolvenz, aber ansonsten ist die ganze Sozialstruktur gleichmäßig vertreten."
Mag aber auch sein, dass sich CEO's, also Vorstandsvorsitzende bei solchen Umfragen bedeckt halten, dass immer häufiger die Mittelschicht betroffen ist, konnte auch Gundolf Meyer, Bankkaufmann bei der Schuldnerhilfe Köln, beobachten,
"dass also aus der sogenannte Mittelschicht, doch Leute, die also ganz gut verdienen, Einkommen haben, dass auch dort die Überschuldungssituation zunimmt. Dort geht es dann auch häufig um höhere Schuldensummen als in der reinen Konsumentenüberschuldung, weil dort Häuser oder Wohnungen gekauft worden sind, größere Anschaffungen gemacht worden sind, die nur im Familienverbund zu tragen sind, und wenn eben eine Scheidung kommt, dann ist das einfach nicht mehr aufzufangen."
Bei den Schuldsummen, die den Chemnitzer Wissenschaftlern bei ihrer Umfrage genannt wurden, ist das nicht verwunderlich: Zwischen 1.000 und über einer Million Euro gaben die Schuldner an. Wolfram Backert:
"Überschuldung tritt in den seltensten Fällen plötzlich auf. Es handelt sich dabei um einen Prozess. Es ist eine Art von Abwärtsspirale, erste Zahlungsstörungen treten auf, und die Schulden häufen sich mit der Zeit. Die Betroffenen sagen häufig, man stopfe ein Loch, indem man ein anderes aufreißt. In unserer Studie jetzt, aber ganz konkret aber auch in vielen anderen Forschungsarbeiten zum Thema, ist Arbeitslosigkeit ganz definitiv die Hauptursache von Überschuldung. Bei uns wird das Ganze gefolgt von "Verlust des finanziellen Überblicks" und von "Folgen von Scheidungen". Das ist einerseits der Aspekt, ich weiß nicht mehr, wo ich was bestellt, wo ich was gekauft habe und auf der anderen Seite auch, unvorsichtiger Umgang mit Banken und Krediten. Aus unserer Sicht müsste noch mehr Verbraucheraufklärung betrieben werden. Die Leute sollten einfach in die Lage versetzt werden zu wissen, wo schulde ich was, und was kann ich mir eigentlich leisten."
Das deckt sich in etwa mit den Beobachtungen, die Michael Eham, Leiter der Schuldnerberatung Köln, in der Praxis gemacht hat:
"Zum einen ist es in den letzten Jahren schwierig geworden auf dem Arbeitsmarkt. Niemand kann heute voraussehen, ob er in den nächsten fünf Jahren noch den selben Arbeitsplatz hat, ob er überhaupt Arbeit haben wird."
Das gilt nicht nur für den Arbeitsplatz, sondern auch für private Beziehungen:
"Es gehen immer mehr Beziehungen auch zu Bruch, so dass auch da die Lebensplanung schwieriger wird. Auf der anderen Seite muss man sehen, dass sich die Angebote der Kreditfinanzierung natürlich enorm gewandelt haben. Es wird aggressiv für die Kreditvergabe geworben, "wir machen den Weg frei", und das dritte ist sicherlich aber auch ein Wertewandel in der Gesellschaft, die heute wie selbstverständlich auf Pump lebt. Man möchte die Bedürfnisse nicht mehr aufschieben, die Realisierung der Bedürfnisse, die man hat, sondern man will sie sofort haben. Es ist von daher selbstverständlich geworden, sich kurzfristig einen Kredit zu nehmen."
Dazu kommt, dass sich die Marktverhältnisse in den letzten zehn Jahren dramatisch verändert haben:
"Heute bekommen sie Kredite in großen Kaufhäusern, in Kaffeefirmen usw. Das heißt, es wird dem Kunden immer leichter gemacht sich zu verschulden und seine Bedürfnisse um die Ecke zu befriedigen."
Diese Einstellung spiegelt auch die Haushaltssituation von Kommunen, Ländern und dem Bund. Trotz vollmundiger Erklärungen haben es bislang die wenigsten Kommunen geschafft, wenigstens einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen geschweige dann schuldenfrei ins kommende Jahr zu gehen.
Auf Bundesebene darf der schuldenfreie Staat als ferne Utopie gesehen werden.
Was in der Politik fast schon als Normalität angesehen wird, gilt im Privatbereich als Belastung. Die Auswirkungen sind fatal, meint Götz Lechner:
"Wir haben natürlich danach gefragt, welche Auswirkung Überschuldung auf unter- schiedlichste Aspekte des alltäglichen Lebens hat. Rund zwanzig Prozent aller Befragten gaben an, dass in Folge von Überschuldung ihre Beziehung in die Brüche gegangen ist, Ehescheidung, respektive eine Trennung. Rund 22 Prozent aller Befragten gaben an, dass die Überschuldung negative Auswirkungen auf ihr Berufsleben hatte. Negative Auswirkungen können dadurch entstehen, dass eine Lohnpfändung zum Beispiel bei den Betroffenen zum Beispiel erwirkt wird, gleichzeitig kann ein Schuldenproblem, das über eine Lohnpfändung manifest wird, natürlich das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Beschäftigten beeinträchtigen."
Auch wenn ihr alter Arbeitgeber sie nie gedrängt hatte, fühlte Vera Müller sich an ihrem Arbeitsplatz so unwohl, dass sie die Stelle wechselte. Sie zog in die Großstadt, wo erst mal keiner sie kannte:
"Na gut, ich hab' dann in Köln, Gott sei Dank, Arbeit gefunden, aber ich habe gleich von Anfang an gesagt, was mir passiert ist, dass ich viele Schulden habe und in die Insolvenz gehen muss, und die haben gesagt, ist egal, wir nehmen sie trotzdem. Das war mein Glück, hab einen neuen Partner kennen gelernt, war auch mein Glück."
Aber die Insolvenz hat Konsequenzen.
"Wir wollten uns eigentlich eine neue Wohnung mieten, als Partner, das geht aber nicht. Ich habe zwar ein Gehalt, aber Pfändungen gehen davon ab. Und schon wird man nicht genommen. Das ist mir jetzt ein paar Mal so passiert. Wir probieren es jetzt gar nicht mehr, wir warten jetzt, bis die Insolvenz vorbei ist. Das ist auch so, meine ganzen Versicherungen sind weg. Die Schufa sieht dementsprechend schlecht aus. Was mir noch passiert ist, ich war beim Zahnarzt und brauchte neue Zähne. Ich musste so lange mit dem Provisorium herumlaufen, bis ich eben die Summe zusammen hatte für meine neuen Zähne und musste die bar bezahlen."
Wie lässt sich ein solches Desaster verhindern? Wolfram Backert und Götz Lechner haben eine Idee entwickelt
"Ich denke, wir brauchen einfach mal wesentlich durchsichtigere Informationen für die Kunden von Banken, aber auch bei anderen Finanzdienstleistungen und im Umgang mit Geld im Allgemeinen, also da liegt glaube ich, vieles im Argen."
Und Götz Lechner ergänzt,
"dass zum Beispiel bei den Verbraucherzentralen man sich jährlich oder zweijährlich, wie beim Auto, durchchecken lassen könnte, wie sieht's bei mir mit meinen Verbindlichkeiten, mit meinem Einkommen aus. Und im Rahmen dieser Überprüfung könnte man schon relativ frühzeitig feststellen, dass eventuell Schräglagen vorliegen, dass Probleme auftauchen, und es könnte, sowohl auf Seiten der Schuldner als auch auf Seiten der Gläubiger unglaublich viel Geld gespart werden, wenn Reaktionsformen frühzeitig erfolgen würden, und dieser jahrelange Prozess des Dahinschleppens, der Inkassoversuche, des Aufhäufens weiterer Verbindlichkeiten, vielleicht zum frühen Zeitpunkt gestoppt werden könnte. Und unsere Idee war dann auch, wer sich regelmäßig prüfen lässt, könnte dann auch, falls das Kind doch in den Brunnen fällt, damit belohnt werden, dass die Laufzeit im Insolvenzverfahren für ihn, der ja versucht hat, das doch zu vermeiden, verkürzt wird."
Praktisch würde das natürlich Veränderungen seitens des Gesetzgebers bedeuten, meinen beide:
"Da bewegen wir uns natürlich als Bewohner des Elfenbeinturms im Moment noch auf der Ebene der Theorie."
Auch bei der Schuldnerberatung Köln sind die Experten ins Grübeln gekommen. Die Idee: Wenn das Beratungsangebot niedrigschwellig angelegt ist, könnten vielleicht schon im Vorfeld Finanzprobleme behoben werden.
Michael Eham:
"Das ist unser Schuldenhelpline-Projekt. Wir beraten da Ratsuchende aus dem gesamten Bundesgebiet per Telefon und Internet. Hintergrund ist, dass nur zwölf Prozent des Schuldnerberatungsbedarfes in Deutschland gedeckt ist. Menschen also oft drei, sechs oder neun Monate Wartezeiten auf eine persönliche Beratung haben, und da wollten wir gegensteuern mit diesem Projekt."
Nach einem Jahr liegen jetzt die ersten Ergebnisse der Auswertung vor:
"Die erste Auswertung hat gezeigt, dass es einen großen Beratungsbedarf gibt, dass viele Leute auch die Anonymität in der Beratung schätzen, dass Menschen frühzeitiger kommen in die Beratung als in die persönliche Beratung und dass wir doch fast 90 Prozent der Anrufer oder der Email-Anfrager helfen konnten. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass viele Leute erste Tipps bekommen, wie sie ihrem Schicksal eine Wendung geben können, und viele Menschen erleichtert sind, die vorher blockiert waren, denkblockiert waren, weil sie verzweifelt waren und dann doch recht kurzfristig handeln können."
Die Schuldnerberatungen in Deutschland wie auch die Hilfesuchenden haben ein gemeinsames Problem: der Mangel an Geld.
"Die Finanzierung ist seit Jahrzehnten sehr prekär. Die Schuldnerberatung wird überwiegend noch von der öffentlichen Hand finanziert, die aber selber überschuldet ist, von daher sind wir auf der Suche nach neuen Finanzierungsquellen. Wir selber, die Schuldnerhilfe Köln, führt gerade ein Modell durch, das ist die Schuldnerhelpline, die eben von einer Bankstiftung und einer Lotterie gefördert wird. Also man kann sich eine Projektfinanzierung, eine Beteiligung an der Projektfinanzierung vorstellen. Idealerweise wäre aber eine Finanzierung in größerem Rahmen eine tolle Sache. Das könnte zum Beispiel ein gemeinsamer Bankenfonds sein, aus dem dann zum Beispiel die Schuldnerberatung flächendeckend mitfinanziert würde. "
Nicht jeder ist so erfolgreich, private Sponsoren für eine Schuldnerberatung zu finden. Inzwischen gibt es Städte wie Düren, wo mangels Finanzierung, nur noch ALG II - Empfänger beraten werden. Vera Müller hatte das Glück, in Köln zu wohnen, wo jeder die Möglichkeit einer Schuldenberatung hat.
"Ich hab' draus gelernt, mir alles gründlich anzusehen vom finanziellen her, nichts gleich zu unterschreiben und in dieser Beziehung keinem mehr zu vertrauen. Das ist traurig, aber es ist so."