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Menschen mit Behinderung
Lob und Kritik für Teilhabegesetz

Der Bundestag hat ein Gesetz für mehr Teilhabe von Menschen mit Behinderungen beschlossen. Während Arbeits- und Sozialministerin Nahles von einem "Systemwechsel" spricht, zeigen sich Kritiker wie die Bloggerin Julia Probst und der Aktivist Raul Krauthausen mehr als enttäuscht.

    Ein Mann lehnt sich an ein Schild mit dem Schriftzug "Teilhabe wird behindert" auf dem Pariser Platz in Berlin.
    Ein Mann lehnt sich an ein Schild mit dem Schriftzug "Teilhabe wird behindert" auf dem Pariser Platz in Berlin. (picture-alliance / dpa / Lino Marcel Mirgeler)
    Sozialministerin Andrea Nahles verteidigte das Gesetz als "Systemwechsel": weg vom Fürsorgeprinzip hin zur Selbstbestimmung der Menschen mit Behinderung. Die SPD-Politikerin verwies darauf, dass die Betroffenen künftig mehr von ihrem Einkommen und Vermögen zurücklegen könnten. Ehepartner würden nicht mehr zur Finanzierung herangezogen.
    Breite Kritik unter Menschen mit Behinderung
    Die Bloggerin Julia Probst kritisierte im ARD-Morgenmagazin, dass Dolmetscherleistungen nur "bei besonderen Anlässen" finanziert würden. "Der Sachbearbeiter entscheidet, ob ich teilhaben darf oder nicht. Das finde ich unmöglich", sagte sie.
    Der Aktivist Raul Krauthausen sagte in einem Interview mit dem DLF-Magazin: "Das ist nicht mein Gesetz!" Er beklagte radikale Verschlechterungen für Menschen mit Behinderungen.
    Umstrittenes Pooling von Leistungen
    Die Behindertenvertretung abilitywatch kritisierte das zunächst geplante Pooling von Assistenzleistungen - also das Teilen von Assistenz unter den Menschen mit Behinderung. Auch Sozialverbände hatten davor gewarnt, dass zum Beispiel Rollstuhlfahrer dann etwa nicht mehr von ihrer Wohnung in die Stadt können, wann sie wollen. Union und SPD hatten die geplanten Regeln quasi in letzter Minute entschärft.
    Die Bundesbehindertenbeauftragte Verena Bentele kritisierte, dass das Pooling aber in anderen Bereichen wie dem Wohnen gelten kann. "Da sollen als Kriterien die Angemessenheit und Zumutbarkeit gelten." Menschen könnten gezwungen werden, in Einrichtungen statt in eigenen Wohnungen zu leben, wenn das als zumutbar gelte. "Die Angemessenheit ist ein unklarer Rechtsbegriff, hier hätte ich gern eine Klärung im Sinne der Menschen." Menschen mit Behinderung sollten selbst entscheiden können, wie sie leben wollen.
    Opposition: Regierung spart auf Kosten der Betroffenen
    Die Spitzen der Opposition warfen der Bundesregierung vor, mit dem neuen Gesetz zu sparen. "Sie schränken die Rechte von Menschen mit Behinderung ein - und zwar aus Kostengründen", sagte Linksfraktionschef Dietmar Bartsch. Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt kritisierte, es bleibe dabei, dass Menschen mit Behinderung ein Umzug ins Heim drohe, weil die Kosten für selbstständiges Wohnen als zu hoch erachtet würden.
    Die Vorsitzende der Lebenshilfe und Bundestags-Vizepräsidentin Ulla Schmidt nannte die geplanten Regeln "das größte und wichtigste sozialpolitische Vorhaben" der Koalition. "Das Gesetz stärkt die Teilhabe von Menschen mit Behinderung und ist damit ein weiterer Schritt bei der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention", sagte Schmidt. Nötig seien weitere Schritte in der kommenden Wahlperiode für Teilhabe statt Ausgrenzung.
    In Deutschland leben mehr als zehn Millionen Menschen mit einer Behinderung, darunter sind 7,6 Millionen Schwerbehinderte.
    (nch/jcs)