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Menschen und Marionetten

"Rheingold" als Puppentheater - dieses ungewöhnliche Projekt hat das Opernhaus in Halle gewagt. Der szenische Ablauf blieb allerdings rätselhaft, nur musikalisch bewegten sich Orchester und Sänger auf hohem Niveau. Auch in Freiburg wurde Wagners Stück gezeigt - hier aber mit echten Schauspielern und herausragenden Sängerleistungen unter einem dramatischen Gesamtbogen.

Von Jörn Florian Fuchs |
    In Freiburg erwartete man mit ganz besonderer Aufmerksamkeit Wagners Vorspiel zum Weltendrama - schließlich ist es ist die Eröffnungspremiere der neuen Intendantin Barbara Mundel. Die gute Nachricht vorweg: Das Freiburger Opernorchester ließ unter seinem Interimschef Patrik Ringborg aufhorchen, von zartesten Instrumentalmelismen bis zu beinahe gewalttätigem Brummen und Brausen war viel geboten.

    Ringborg, der auch an der neuen kritischen Wagner-Ausgabe mitarbeitet, legte ein äußerst vielfältiges Spektrum an Effekten und Affekten frei, von klangsinnlich gedehnten Blechfiguren bis zu impulsiv aufgeladenen Tutti-Stellen - alles nie zu Lasten des dramatischen Gesamtbogens, der übrigens in weniger als zweieinhalb Stunden geschlossen wurde. Zu diesem frischen, unverbrauchten Wagnerklang trugen einige herausragende Sängerleistungen bei: der wunderbar grimmige, zugleich stimmsichere Alberich des Neal Schwantes, der kräftige Donner-Gott von Matthias Flohr und Anja Jungs Interpretation der allwissenden Erda sorgten für wohligen Genuss und Gänsehaut.

    Szenisch hatte das Rheingold einiges zu bieten. Frank Hilbrich, der vor drei Jahren einen hervorragenden Parsifal in Kiel inszenierte, wollte hier allerdings schlicht zu viel. Als sich der rote Samtvorhang öffnet, blickt man auf einen roten Samtvorhang. Und hinter diesem erscheint wieder ein Vorhang und so weiter - und so interessant, zumindest für eine Weile. Alberich und die Rheintöchter verstecken sich in den diversen Falten der diversen faltenwerfenden Vorhänge. Ganz am Schluss stehen die Sänger-Darsteller wieder vor dem ersten Vorhang, die Regenbogenbrücke zur Götterburg Walhall erscheint nicht, stattdessen sieht man Wagners Regieanweisungen als Projektion.

    Dies ist aber mittlerweile ein etwas abgefrühstücktes Bild, gerade bei Wagner-Inszenierungen. Auch die Deutung des Nibelungenheers als Herumirrende mit Plastiktüten in einer Art Großraumbüro oder Arbeitsamt wirkt so bekannt wie abgeschmackt, gelungener ist da die Deutung der Erda-Figur als Ablegerin Wotans, sie ähnelt ihm optisch wie von der Statur her verblüffend und wirkt so wie ein verdrängter Teil von ihm. Überzeugend sind die auch konkreten Verwandlungen von Ober- und Unterwelt, wenn es nach unten geht, dann heben sich große Holzteile vom Boden und werden zu Schränken, Türen und Zimmerfluchten.

    Jenseits des Niblungen-Arbeitsamts gelingen Hilbrich einige starke Bilder, etwa wenn die Riesen Fafner und Fasolt einfach als Stoffpuppen vom Himmel fallen, um dann blitzschnell real zu erscheinen. Wie sie in den Bühnenhimmel gekommen sind, erklärt uns die Regie allerdings nicht, denn nach Wagners Ontologie leben Riesen ja eigentlich von jeher "auf der Erde rauhem Rücken".

    Ein ungewöhnliches Projekt wagte das Opernhaus Halle, dort spielte man das Rheingold als Puppentheater. Waren in Freiburg immerhin Ansätze, die in die Nähe eines Konzepts führen, gab man in Halle leider eine unausgegorene, langatmige Bebilderung des Stoffs. Die Figuren Freia, Loge und Alberich werden von - sehr hässlichen - Puppen dargestellt, Alberich kommt passenderweise als vierschrötiges Ekelpaket daher, die eigentlich hübsche Freia aber ist ein unförmiges Mädchen mit rosa Stoffröckchen und Tierkopf. Das restliche Personal verkörpern stumm agierende Schauspieler. Die Sänger sind am Rand postiert und dürfen ihre Partien somit konzertant geben.

    Warum sie nicht spielen und mit den Puppen interagieren, bleibt ebenso rätselhaft wie der gesamte szenische Ablauf: eine wüste Mischung aus vom Himmel fallenden Kitschsternchen und gediegenem Ambiente wie Gartenmöbeln oder einer Parkbank. Daneben noch ein kleiner Teich samt Plastikschwan.

    Über den szenischen Unsinn tröstete das von Siegfried Köhler blendend präparierte Hallenser Staatskapellenorchester hinweg, auch gesanglich bewegte man sich auf sehr hohem Niveau: Gerd Vogels Alberich wurde ebenso zum bewegenden Erlebnis wie Marek Wojciechowskis brummbäriger Fasolt. Prägnant der Wotan von Wolfgang Koch. Die beste Leistung des Abends war jedoch eindeutig Richard Brunner als Loge, der seine gut gesungene Partie eindrücklich grimassierend begleitete. Nicht nur ihn hätte man gern auf der Bühne gesehen und gehört.