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Menschenrechte
"Konzerne für Schäden verantwortlich machen"

Wenn Konzerne im Ausland Menschenrechtsverletzungen begehen, sollen sie in ihrem Heimatland dafür verklagt werden können, fordert Armin Paasch von Misereor im Dlf. Deswegen hoffe er, dass die derzeit laufenden UN-Verhandlungen über ein Haftungs-Abkommen zu einem Erfolg führen.

Armin Paasch im Gespräch mit Jule Reimer | 24.10.2017
    Mähdrescher in Illinois (USA) auf Maisfeld
    Der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen verhandelt über ein Abkommen, das multinationale Konzerne zur Respektierung der Menschenrechte verpflichten soll (picture alliance / dpa / Brian Kersey )
    Jule Reimer: In Genf verhandeln Vertreter der UN-Mitgliedsstaaten seit Montag - mal wieder, muss man sagen - über ein internationales Abkommen zur Haftung von Unternehmen bei Menschenrechtsverletzungen. Betroffene in Entwicklungsländern etwa, die durch europäische Konzerne geschädigt werden, müssen die Möglichkeit haben, in den Heimatländern der Firmen auf Schadensersatz zu klagen. So die Forderung vieler Nichtregierungsorganisationen. Bislang ist dieser Rechtsweg in den meisten Fällen versperrt. Deutsche Entwicklungsorganisationen drängen schon lange auf eine Art Firmenhaftung. In Genf bin ich verbunden mit Armin Paasch von der katholischen Organisation Misereor, der diese Verhandlungen beobachtet. Herr Paasch, eine Art Firmenhaftung auf internationaler Ebene, was heißt das konkret?
    Armin Paasch: Das heißt konkret, dass Konzerne dazu verpflichtet werden, die Menschenrechte auch im Ausland zu achten. Das heißt, dass sie menschenrechtliche Risiken auch untersuchen, wenn sie Geschäftsbeziehungen im Ausland eingehen. Und das bedeutet, dass Konzerne in ihrem Heimatland auch verklagt werden können, wenn sie im Ausland zu Menschenrechtsverletzungen beitragen. Darum geht es in diesem UN-Menschenrechtsabkommen für transnationale Konzerne, das im Moment in Genf verhandelt wird, und wir hoffen, dass diese Verhandlungen zu einem Erfolg führen.
    Sorgfaltspflichten für Konzerne
    Reimer: Warum sehen Sie Bedarf für so eine Aktion? Geben Sie uns vielleicht mal Beispiele.
    Paasch: Ein Beispiel ist, dass Konzerne wie Monsanto oder Bayer, wie sie auch in Ihrem Beitrag gezeigt haben, Pestizide und Herbizide ins Ausland exportieren, nach Argentinien, nach Indien zum Beispiel. Pestizide, die oft zu Gesundheitsschäden führen. Im Moment ist es aber fast unmöglich, diese Konzerne an ihrem Hauptsitz zu verklagen und für die Schäden verantwortlich zu machen. Deswegen fordern wir ein Gesetz in Deutschland, das den Konzernen Sorgfaltspflichten auferlegt, damit die die Risiken untersuchen müssen und Vorkehrungen treffen müssen. Und ein Abkommen könnte alle Staaten dazu verpflichten, entsprechende Regeln einzuführen.
    Reimer: Jetzt kann aber ein deutscher Chemiekonzern erst mal nichts dafür, wenn bestimmte Pestizide, Glyphosat zum Beispiel, in einem anderen Land falsch eingesetzt werden. Wir haben auch deshalb weniger Probleme in Deutschland mit diesem Pestizid, weil hier ganz offenbar auch anders auf den Einsatz geachtet wird.
    Verantwortung für Einsatz der Produkte
    Paasch: Das ist richtig. Allerdings muss ein Agrarkonzern sich auch dessen bewusst sein, in welchen Ländern er operiert. Das heißt, wenn es keine entsprechenden Vorkehrungen in diesen Ländern gibt, um die Leute vorzubereiten, welche Gesundheitsrisiken mit den Pestiziden oder Herbiziden verbunden sind, oder wenn die Verpackungen nicht entsprechend etikettiert sind und wenn es keine Ausbildungsmaßnahmen für die Bauern gibt, dann ist das ein Risiko, das ein Unternehmen in Betracht ziehen muss und entsprechende Gegenmaßnahmen treffen muss. Und wenn das Unternehmen zu dem Schluss kommt, in diesem Land werden diese Vorkehrungen nicht getroffen, dann muss es möglicherweise auch entscheiden, dass es Abstand nimmt von diesen Geschäften.
    Reimer: Deutschland ist sehr stark mit Investitionen auch im Ausland aktiv, auch deutsche Unternehmen. Wie verhält sich die deutsche Bundesregierung in diesen Verhandlungen?
    Paasch: Die Bundesregierung hat sich erst im letzten Moment entschlossen, überhaupt an den Verhandlungen jetzt in Genf teilzunehmen. Bei der EU sieht es ähnlich aus. Deutschland hat sich bisher in den Verhandlungen am gestrigen Tag nicht zu Wort gemeldet. Mal schauen, wie es in den nächsten Tagen laufen wird. Die EU hat allerdings im Namen der Mitgliedsstaaten vor allem Vorbehalte geäußert gegenüber dem Abkommen und dem Verhandlungsprozess. Ein Fortschritt besteht darin, dass die EU und Deutschland überhaupt teilnehmen. Nun kommt es darauf an, dass sie sich auch konstruktiv verhalten. Gefordert wäre auch der deutsche Außenminister - der noch amtierende Außenminister Gabriel - denn seine Partei hatte sich vor der Bundestagswahl für ein solches Abkommen ausgesprochen.
    "Verpflichtung für Entwicklungsländer wie für Industriestaaten"
    Reimer: Jetzt ist aber folgende Situation: Entwicklungsländer zeichnen sich nun mal auch dadurch aus, dass möglicherweise die staatliche Verwaltung und die Durchsetzung von Gesetzen nicht gut funktioniert. Kann man dann Konzerne für so was in die Pflicht nehmen, was eigentlich die Aufgabe von Regierungen wäre?
    Paasch: Genau darum geht es auch in dem Abkommen, nämlich dass die Staaten verpflichtet werden, entsprechende Auflagen für die Unternehmen zu schaffen und die auch zu kontrollieren und durchzusetzen. Das soll eine Verpflichtung sein für Entwicklungsländer genauso wie für Industriestaaten. Wichtig ist uns aber auch, dass die Konzerne an ihrem Hauptsitz auch dafür zur Verantwortung gezogen werden und dass Deutschland auch einen Zugriff hat auf Konzerne, wenn sie im Ausland operieren.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.