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Menschliche Signalduftstoffe
Pheromonforschung auf dem Irrweg

Pheromone sind Duftstoffe, mit denen Tiere ihre Artgenossen anlocken können. Angeblich reagieren auch Menschen auf Pheromone, behaupteten einige Studien. Deren Glaubwürdigkeit ziehen aber immer mehr Forscher in Zweifel.

Von Lucian Haas | 04.03.2015
    Ein Mann und eine Frau als Silhouette küssen sich.
    Können sich gut riechen: Gibt es wirklich menschliche Signalduftstoffe? (picture alliance / dpa / Jan-Philipp Strobel)
    Tristram Wyatt ist Zoologe an der britischen Universität von Oxford. Sein Spezialgebiet sind die Pheromone: "Pheromone sind chemische Signale zwischen Individuen einer Spezies. Sie führen zu Verhaltensänderungen oder haben physiologische Effekte, etwa einen Einfluss auf die Herzschlagrate. Wichtig ist dabei, dass wir von Signalen reden, die bei allen Tieren einer Art auftreten und verstanden werden."
    Ein Beispiel ist die Substanz 4-Ethyloctanal. Sie kommt im strengen Geruch von Ziegenböcken vor und lockt Ziegenweibchen an. Zugleich beeinflusst sie deren Hormonhaushalt und steigert die Empfängnisbereitschaft. Das haben japanische Forscher im vergangenen Jahr nachgewiesen. Auch bei Menschen wird schon länger daran geforscht, ob Pheromone als Sexuallockstoffe eine Rolle spielen könnten. Vier Stoffe werden in der Literatur seit Jahren als mutmaßliche menschliche Pheromone gehandelt und in Experimenten eingesetzt: Androstenol, Androstenon, Androstadienon und Estratetaenol.
    Nutzlose Experimente: Eindeutige Belege fehlen
    In verschiedenen Studien wurden Probanden derlei Extrakten aus Achselschweiß ausgesetzt, um zu ermitteln, ob sie unter deren Einfluss die Attraktivität von Frauen oder Männern anders einschätzten. Die Ergebnisse waren nicht immer eindeutig, aber doch in manchen Fällen statistisch signifikant. Tristram Wyatt hält derlei Experimente allerdings für nutzlos. Die eingesetzten Signalstoffe seien gar keine Pheromone, zumindest fehlten dafür eindeutige Belege, kritisiert er: "Niemand hat jemals Beweise dafür erbracht, dass das Pheromone sind. Diese Stoffe wurden bei einer Konferenz im Jahr 1991 vorgestellt. Es handelte sich im Grunde aber um die Produkteinführung einer Firma, die diese Moleküle als humane Pheromone patentieren wollte. Ein angesehener Wissenschaftler hat dem Ganzen dann Seriosität verliehen. Seither ist daraus ein Selbstläufer geworden. Forscher zitieren Studien, die diese Moleküle eingesetzt haben. Aber keinem fällt mehr auf, dass die Original-Nachweise schlichtweg fehlen."
    Suche nach menschlichen Duftstoffen ganz neu beginnen
    Tristram Wyatt sieht die humane Pheromonforschung auf einem Irrweg. In einem Beitrag im Fachmagazin "Proceedings of the Royal Society B" fordert er seine Fachkollegen auf, die Suche nach den humanen Pheromonen am besten noch einmal ganz von vorne zu beginnen. Es gelte, erst einmal mit den gleichen stringenten Methoden wie bei Tieren solche Substanzen zu isolieren, die als Signalstoffe eindeutig belegbare Reaktionen hervorrufen: "Ich hoffe, dass Wissenschaftler diese Herausforderung annehmen und genauer hinschauen. So könnten wir neue Fortschritte erzielen – in einer Weise, wie wir sie in den vergangenen 25 Jahren nicht hatten, einfach weil wir einer falschen Fährte folgten."
    Pheromone müssen auch nicht zwangsläufig Sexuallockstoffe sein. Die aktuell heißeste Spur zu einem menschlichen Pheromon sieht Tristram Wyatt in Experimenten französischer Forscher. Sie fanden heraus, dass milchgebende Mütter in Drüsen des Brustwarzenhofes ein Sekret bilden. Allein der Geruch davon löst bei allen Neugeborenen, nicht nur den eigenen, nachweisbar einen Saugreflex aus. Welches spezifische Molekül dahintersteckt, ist allerdings noch unklar.