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Menschliche Stammzellen nach Maß

Medizin. – Stammzellen genetisch zu manipulieren und ihnen so möglicherweise neue Eigenschaften zu verleihen, war bislang nur bei Mäusezellen möglich. Jetzt entwickelten US-Forscher von der Universität Wisconsin ein Verfahren, dass solche Eingriffe auch an menschlichen Stammzellen erlaubt, so meldet die Fachzeitschrift ''Nature Biotechnology'' in ihrer Internetausgabe. Mit einem solchen, reproduzierbaren Verfahren zu gezielten Veränderung des Erbmaterials könnte jetzt ein weiterer Schritt hin zu einer erfolgreichen therapeutischen Anwendung gelungen sein.

    Von Volkart Wildermuth

    Durchbrüche werden in der Stammzellforschung mit einer gewissen Regelmäßigkeit verkündet, häufig handelt es sich dann aber eher um einen kleinen Schritt als um den großen Sprung nach vorn. Der Artikel in Nature Biotechnologie hat aber durchaus das Zeug, ein Klassiker zu werden. Nicht weil das Team um Thomas Zwaka von der Universität von Wisconsin in Madison nun plötzlich mit den embryonalen Stammzellen irgendeine Krankheit heilen könnte, sondern weil sie den Forschern in aller Welt ein wichtiges Handwerkszeug zur Verfügung stellen. Zum ersten Mal gelang bei menschlichen Zellen, was bei der Maus längst Routine ist: es wurden Gene gezielt in das Erbgut der Embryonalen Stammzellen eingebaut. Damit eröffnen sich Perspektiven für eine Verbindung der Gentechnik mit der Stammzellforschung, eine Verbindung auf die viele Wissenschaftler gewartet haben.

    Menschliche Embryonale Stammzellen sind rund doppelt so groß wie Mäusestammzellen außerdem vermehren sie sich schlechter. Wahrscheinlich lassen sich aus diesen beiden Gründen die bewährten Versuchsprotokolle nicht einfach vom Nager auf den Menschen übertragen. Thomas Zwanka ist es nun aber gelungen die Hindernisse zu umschiffen. Mit Hilfe von sanften Elektroimpulsen in einem speziellen, stabilisierenden Medium hat er Poren in den Stammzellen erzeugt, durch die seine künstlichen Gene in den Kern gelangen konnten. Dort kam es unter Millionen Zellen sieben Mal zu einem Tanz der Gene, bei dem die künstlichen Exemplare mit ihren natürlichen Gegenstücken den Platz tauschten. Dann konnte das Team aus Madison die erfolgreichen Tänzer zuerst isolieren und weiter vermehren. Am Ende der aufwendigen Prozedur standen menschliche embryonale Stammzelllinien, bei denen entweder ein Gen gezielt zerstört oder gezielt eingebaut wurde. Warum ist das wichtig? Zellen, denen ein bestimmtes Gen fehlt, können als Modelle für eine Erbkrankheit dienen. Exemplarisch hat Thomas Zwanka das HPRT1 Gen zerstört. Wenn dieses Gen beim Menschen nicht funktioniert, entstehen schwere Schäden am Nervensystem. In Mäusen lässt sich etwa das Lesch-Nyhan-Syndrom nicht auslösen. Vielleicht gelingt es, das Leiden besser zu verstehen, wenn man aus der neuen Stammzelllinie Nervenzellen züchtet und genau untersucht. Die Grundlagenforscher freuen sich jedenfalls schon auf solche neuen menschliche Zelllinien mit definierten Defekten.

    Für die Mediziner sind die Stammzellen mit zusätzlichen Genen interessanter. In Madison wurde ein Leuchtgen so ins Erbguts eingebaut, dass es nur in Stammzellen aktiv ist. Anfänglich strahlen alle Abkömmlinge dieser Zellen grünlich, sie erblassen aber, sobald sie sich weiterentwickeln. Sollte es zu einer medizinischen Anwendung der embryonalen Stammzellen kommen, dann dürfen nur die aus ihnen gebildeten Herz oder Nervenzellen in den Patienten übertragen werden, auf keinen Fall die Stammzellen selbst, denn sie könnten Tumore auslösen. Dank des Leuchtgens ist es nun ganz einfach, aus einem wilden Zellgemisch schnell und verlässlich die Stammzellen heraus zu sortieren. Es sind noch weitere Anwendungen für den gezielten Gen-Einbau mit der neuen Methode denkbar: vielleicht lassen sich die Zellen vor dem AIDS-Virus schützen oder man kann ihre Abstoßung durch das Immunsystem des Patienten verhindern. Doch das ist alles Zukunftsmusik. Die neue Methode von Thomas Zwaka ist ein wichtiges Handwerkszeug für den Umgang mit menschlichen embryonalen Stammzellen. Doch bis sich diese Zellen wirklich in der Therapie anwenden lassen, werden noch viele solcher Durchbrüche nötig sein.