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Mentale Gesundheit im Sport
"Haben die Chance, neue Wege zu gehen"

Tennisspielerin Naomi Osaka und Turn-Star Simone Biles haben offen über ihre mentale Gesundheit gesprochen. Solche Vorbilder brauche es, um das Thema zu normalisieren, sagte Ruderer Max Planer im Dlf. Mentale Probleme sollten im Einklang mit körperlichen Beschwerden gesehen werden, sagte er.

Max Planer im Gespräch mit Maximilian Rieger |
Maximilian Planer vom Deutschland Vierer ohne Steuermann 2016 ist am 28.04.2016 in Dortmund (Nordrhein-Westfalen) am Dortmund-Ems-Kanal zu sehen. Foto: Ina Fassbender/dpa
Maximilian Planer vom Deutschland Vierer ohne Steuermann (picture alliance / dpa Ina Fassbender/)
Das Thema Depressionen und mentale Gesundheit rückt im internationalen Spitzensport immer mehr in den Fokus. Erst hatte Tennisspielerin Naomi Osaka aus Rücksicht auf ihre mentale Gesundheit eine zweimonatige Pause eingelegt. Dann zog sich Turn-Superstar Simone Biles bei den Olympischen Spielen in Tokio aus dem gleichen Grund von mehreren Wettbewerben zurück. Sie habe das Gefühl, die Last der Welt liege auf ihren Schultern, sagte Biles.
Bis mentale Probleme angesehen werden wie körperliche Verletzungen, sei es jedoch noch ein langer Weg, sagte Ruderer Max Planer im Dlf. "Aber ich glaube, dass da jetzt so ein bisschen die Tür aufgemacht wird von den großen Stars, die in der Öffentlichkeit stehen. Das sind Vorbilder. Aber mit solchen Dingen ist es immer ein Prozess und der Prozess ist jetzt angeschoben. Deswegen bin ich sehr optimistisch."

Karriere nach Nierenversagen fast vorbei

Planer hat selbst eine schwere Zeit durchgemacht. Nach einem Nierenversagen war die Karriere des 30-Jährigen so gut wie beendet. Doch er kämpfte sich zurück in die Nationalmannschaft, auch wenn es nicht mehr für eine Qualifikation für Tokio gerecht hat. "Ich habe viele wertvolle Erfahrungen gemacht und habe vor allem eins wiedergefunden: Den Spaß am Sport", sagte Planer im Januar im Dlf.
Maximilian Planer vom Deutschland-Achter 2017 bei seiner Vorstellung am 18.05.2017 in Dortmund (Nordrhein-Westfalen). 
"Ich habe den Spaß am Sport wiedergefunden"
Nach einem akuten Nierenversagen war die Karriere von Ruderer Maximilian Planer so gut wie beendet. Die Motivation wiederzufinden, wieder Leistungssport zu betreiben, sei ein Prozess gewesen.
Wenn Sportler mit großer Reichweite wie Osaka oder Biles nun über ihre mentale Verfassung sprechen, habe das eine "Signalwirkung", so Planer. "Und ich glaube, dass sich auch viele Sportlerinnen und Sportler davon bestärkt fühlen, sich zu trauen und dann selber darüber zu sprechen und das dadurch normalisiert wird."
Sportler wollten immer Stärke zeigen, sagte Planer. "Wir sind immer am Limit mit unserer körperlichen Leistungsfähigkeit, aber auch mit unserer mentalen Leistungsfähigkeit. Leistungssport ist ja auch ein ständiger Vergleich untereinander. Und dieser Vergleich ist eigentlich wie ein Haifischbecken."

Auch Sportler haben "Ups und Downs"

Zwar mache Leistungssport Spaß, allerdings bürge das auch Gefahren. Wie jeder Mensch hätten auch Sportler "Ups und Downs". "Ich hatte auch viele Phasen, in denen ich mich sehr wohl gefühlt habe, mit denen ich mich entwickelt habe. Da habe ich mich auch sehr selbstbewusst gefühlt. Und dann hatte ich auch immer wieder Phasen, wo ich mit mir selbst am kämpfen war und wo ich auch mental einfach durch Löcher gegangen bin und mich da selbst auch durch professionelle Hilfe, durch Familie, durch Freunde, durch mein Umfeld wieder rausgezogen habe."
Players - Podcast zu Olympia
Players - Der Sportpodcast (Deutschlandradio)
Planer geht das von aus, dass neben den sportlichen Zielen wie Medaillen für Sportlerinnen und Sportler auch die innere Ziele wie Erfüllung und Freude an Bedeutung gewinnen werden. "Ich denke, dass es in Zukunft so sein wird, dass Sportlerinnen und Sportler darauf achten, dass sie ihren Weg auch mehr genießen. Und letztendlich glaube ich auch, dass es ganz wichtig ist, darauf zu achten."

Professionelle Betreuung wichtig

Deshalb sei auch die professionelle Betreuung der Athletinnen und Athleten wichtig. "Ich denke, dass ist etwas, was von den Athleten auch selber kommen muss. Ich habe da im Deutschland-Achter sehr gute Erfahrungen gemacht. Aber auch die Angebote müssen dann da sein, um so Extremausschläge wie bei Simone Biles zu verhindern."
Eine schwarze Athletin im weißem Oberteil blickt ernst an der Kamera vorbei. Es ist die Turnerin Simone Biles.
Ist so viel Druck noch gesund?
Turnerin Simone Biles bricht aus psychischen Gründen die Olympischen Spiele ab. Der Druck auf Spitzensportler ist hoch, weiß Olympiasieger Frank Wieneke und rät zu medialer Abschottung.
Der amerikanische Verband hat sich mit Statements hinter Biles gestellt. "Das ist extrem wichtig", sagte Planer. "Das zeigt, dass der Verband auch den Menschen hinter der Sportlerin sieht und das ist viel wert. Da gibt es im Sport auch andere Sichtweisen, wo nur der sportliche Erfolg gesehen wird und der Menschen hinten dran hängt. Ansonsten ist es in Zukunft wichtig, mehr Aufklärungsarbeit zu leisten und Angebote zu schaffen für Sportlerinnen und Sportler, um sich mental besser entwickeln zu können. Genauso wie wir zum Arzt gehen, der uns bei körperlichen Belangen betreut, sollte das im Einklang gesehen werden mit seelischen Dingen."
Auch aufgrund der Corona-Pandemie und andere Vorkommnissen in der Welt finde aktuell ein Paradigmen-Wechsel statt, sagte Planer. "Viele Menschen öffnen sich. Das sieht man in der LGBTQ+-Bewegung. Gender ist jetzt mehr ein Thema. Es ist ein Punkt, an dem wir auch im Sport die Chance haben, neue Wege zu gehen und sich das entwickeln darf."