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Merkel, Gauck und Hollande animiert

Bundeskanzlerin Angela Merkel, Bundespräsident Joachim Gauck und der französische Staatspräsident François Hollande sind anlässlich des 50. Geburtstages des Elysée-Vertrags zu Gast bei arte. Die drei Politiker treten allerdings als Trickfilmfiguren auf.

Von Silke Lahmann-Lammert |
    Die Kanzlerin taucht hinter der Kulisse auf. Zu früh. Unsicher tappt sie zurück. Um dann - endlich aufgerufen – das Studio zu betreten.

    "Als Erstes begrüße ich Angela Merkel, guten Abend Frau Bundeskanzlerin. Guten Abend."

    Giftgrünes Jackett, schwarze Hose, die Schultern zu den Ohren gezogen: Das ist Angela Merkel, wie wir sie kennen. Und sie ist es nicht. Ihre Bewegungen wirken merkwürdig zackig, die Augen klimpern mechanisch. Die Kanzlerin, die in der weißen Sesselrunde Platz nimmt, ist eine Trickfigur mit dem Gesicht der realen Regierungschefin. Ebenso wie Joachim Gauck und François Hollande.

    "Wir von Karambolage finden nämlich, dass die Franzosen Sie kaum kennen, Frau Bundeskanzlerin."

    Vor etwa einem Jahr bat der Programmdirektor von arte seine Mitarbeiterin, Claire Doutriaux, um eine Sondersendung zum 50. Geburtstag des Elysée-Vertrags. Die Erfinderin von "Karambolage" - der Grimme-Preis-gekrönten Serie, die mit Scharfsinn und Witz deutsche und französische Eigenheiten beleuchtet - entschied sich, die Bundeskanzlerin zu interviewen.

    "Und mit François Hollande auch und Joachim Gauck. Und dann machte mir Angela Merkel ein sehr großes Geschenk: Sie lehnte ab. Und manchmal von Hindernissen kommen die besten Inspirationen, dann muss man sich was überlegen. Ich war eine Stunde deprimiert und schlief drauf. Und am nächsten Morgen wusste ich: Sie will's nicht – sie wird es haben!"

    Die Lösung war eine Talkshow, in der die drei Politiker als Trickfilmfiguren auftreten. Monatelang suchte das Karambolage-Team in Fernseh- und Rundfunkarchiven nach Material:

    "Wir haben nicht die Sätze entstellt. Wir haben nur zu gewissen Themen, die wir besprechen wollten, passende Sätze gefunden, wo man das Gefühl vermitteln konnte, sie würden zusammensitzen. Und ich wollte wirklich nicht, dass diese Sendung wie eine Art Karikatur-Sendung ist. Mir ging's drum, wie wir's immer in Karambolage machen: Diese Menschen einfach ein bisschen mehr kennenzulernen."

    "Ihnen, Herr Gauck, muss ich leider sagen, dass die Franzosen gar nichts über Sie wissen. Vielleicht nicht einmal, dass es Sie gibt. - Ja, das kann man beklagen. Allerdings. Und Sie, Herr Präsident, sind bei unseren deutschen Freunden auch nicht sehr bekannt. - Wirklich? Popularität ist kein Talent, sondern ein Verdienst. Aha."

    Christine Gensheimer und Timo Katz, zwei deutsche Grafiker, haben die Alter Egos der Politiker entwickelt - und animiert.

    "Ich glaube, wir haben alle nicht gewusst, dass wir bis zum letzten Tag dran arbeiten würden und dass es keine Weihnachten und kein Neujahr geben würde."

    Der Einsatz hat sich gelohnt: Liebevoll fangen die Collagen die Eigenarten der Talkgäste ein: Gaucks süffisantes Lächeln, Hollandes konzentriertes Stirnrunzeln samt Griff zur Brille, Angela Merkels gespitzte Lippen, bevor sie einen Witz macht. Ironisch – doch ohne jede Bosheit - rücken Gensheimer und Katz das Menschliche der Politiker in den Vordergrund. Und darum geht es auch in den Gesprächen:

    "Sie mussten ja streng Diät halten, bevor Sie Präsident wurden? Besser Pfunde verlieren als die Wahlen!"

    "Woran ich zunehmends Freude entwickelt habe, das muss ich sagen, im Laufe der 15 Jahre, bei so einer Opernaufführung auch mal mit einem extravaganten Kleid Aufsehen zu erregen. Einmal ganz anders zu sein als im alltäglichen Trott!"

    Wir erfahren nicht nur, welche Gedanken Hollande, Gauck und Merkel sich zu ihrer Kleidung machen, wohin sie in Urlaub fahren und was sie gerne kochen, auch ernste Fragen kommen zur Sprache: Welche Erlebnisse haben die drei Politiker geprägt? Würden sie sich als glücklich beschreiben? Und: Glauben sie an Gott?

    "Ich liebe das Leben." – " Haben Sie Angst vor dem Tod?" – "Ja, denn ich glaube nicht an ein Leben nach dem Tod."

    Immer wieder unterbrechen kleine Filme das Gespräch und bebildern – in schönster Collagetechnik – die Lebensläufe der Gäste. Andere Einspielungen analysieren klug und hintersinnig die Rituale deutsch-französischer Begegnungen. Dem Karambolage-Team ist mit seiner Sondersendung ein hinreißend komisches Aperçu zur franco-allemannischen Freundschaftsfeier geglückt. 50 Minuten lang. Und - im Gegensatz zu anderen politischen Gesprächsrunden zu diesem Thema – ist es von der ersten bis zur letzten Sekunde spannend.

    "Es lebe die deutsch-französiiisch Frö-Fröndschaft! Bravo, danke Herr Präsident!"

    "Karambolage - Die große Talkshow", Dienstag 22.01.2013 um 20.15 Uhr auf arte.