Eine programmatische Wundertüte sei herausgekommen. Ganz nach Merkels Geschmack. Und in der Tradition der Union stehend. Auf Zeit-Online beobachtet Lisa Caspary seit Wochen die krampfhaften Bemühungen der Kanzlerin-Partei, sich ein möglichst konfliktneutrales Wahlprogramm zu geben. Vor allem die Art des geheimniskrämerischen Zustandekommens hält sie im Zeitalter von Basisbeteiligung und größerer Transparenz für fragwürdig:
"Die CDU wäre gut beraten, sich schon bald für mehr echte Mitbestimmung zu öffnen und nicht nur über ein Onlinetool von den Mitgliedern unverbindliche Anregungen abzufragen. Tatsächlich hält es die Union schon seit Jahren so. Dass die politische Konkurrenz ihrer Basis die Möglichkeit zum öffentlichen Diskutieren gibt, lässt die Parteiführung, aber auch die einfachen Mitglieder offensichtlich kalt. Bis auf einen Landesverband der Jungen Union, der die Wahlprogramm-Erarbeitung als undemokratisch kritisierte, gab es keine öffentlichen Beschwerden".
In ähnlicher Weise mokiert sich der frühere Wahlkampfhelfer Edmund Stoibers, Michael Spreng, darüber, dass die CDU bundespolitisch als Partei keine erkennbare Rolle mehr spiele. Der Grund dafür: "Merkels sanfte Autokratie", die er auf seinem Blog "Sprengsatz" aufs Korn nimmt:
"Fast alle wichtigen Entscheidungen werden von der Kanzlerin dekretiert – von der Europa-Politik und der Atomwende über die Abschaffung der Wehrpflicht bis zur gesetzlichen Frauenquote und einer Mietpreisbremse im Wahlprogramm. Die Partei kann nur noch zustimmen, wenn überhaupt. Merkel macht das alles ohne Basta, ohne Getöse, ohne Machtworte, sondern ganz leise. Weil Merkel in den Augen ihrer Partei inzwischen alternativlos ist, fügt sich die CDU. Denn danach wartet der vermeintliche Abgrund der Opposition und längeres Siechtum, das sich heute schon im Verlust der meisten Bundesländer und fast aller Oberbürgermeisterposten in den Großstädten manifestiert".
Doch nicht alle Kommentatoren glauben an eine dauerhafte Unanfechtbarkeit der Kanzlerin. So hält es zum Beispiel Merkel-Buchautor Stephan Hebel für möglich, dass wir derzeit mit Thomas de Maizières Drohnen-Affäre den "Anfang vom Ende" ihrer Dauerregentschaft erleben. Hebel auf Freitag-online:
"Immer, wenn wieder jemand ging, warf der politisch-mediale Komplex in der Hauptstadt die Interpretationsmaschine an und stellte fest, Angela Merkel habe ihre Macht gefestigt, wenn nicht gesteigert. Spätestens jetzt aber stellt sich die Frage, ob die inzwischen fast absolute Macht nicht zum Anfang vom Ende werden könnte. Profaner ausgedrückt: Starke Untergebene sind nicht nur vermeintliche Kronprinzen oder Konkurrenten. Sie schaffen der in europäischen Dimensionen schwebenden Leitgestalt auch komplizierte und damit lästige Probleme vom Hals. Sie halten ihre Köpfe hin, wenn es um die Energiewende geht oder um den Umbau der Bundeswehr, (oder) um (die) Rente. Je mehr sich die Chefin um solche Dinge selber kümmern muss, desto stärker steigt die Fettnäpfchen-Dichte zu ihren Füßen".
In einen solchen Fettnapf scheint die Kanzlerin während der jüngsten Obama-Visite getreten zu sein, als sie mit folgendem Satz das NSA-Überwachungsprogramm Prism rechtfertigen sollte:
"Das Internet ist für uns alle Neuland, und es ermöglicht auch Feinden und Gegnern unserer demokratischen Grundordnung, mit völlig neuen Möglichkeiten und völlig neuen Herangehensweisen unsere Art zu leben in Gefahr zu bringen."
Was wunder also, dass unter der Onlinerzunft stürmisches Jagdfieber auszubrechen scheint. So deutet Patrick Beuth auf Zeit-Online Merkels "Neuland"-Statement als einen digitalen Offenbarungseid der Bundesregierung:
"Wer es gut mit ihr meint, kann den Neuland-Satz als typischen Mutti-Moment abhaken. Es war einfach nicht die beste aller Gelegenheiten, um die Welt im Merkel-Duktus zu erklären. Wer es weniger gut mit ihr meint, muss diesen Satz als dreisten Versuch des Schönredens ansehen: Das Internet ist Neuland für uns alle, da kann man ja auch mal bei der Überwachung desselben ein bisschen zu weit gehen – denn das ist es, was die Kanzlerin damit sagte."
Andere Autoren stoßen sich eher am Shitstorm wichtigtuerischer Netzwerker auf Merkels "Neuland"-Sentenz. Zum Beispiel Christian Jakubetz auf Cicero-online:
"So langsam wird es ermüdend. Man muss tatsächlich darüber nachdenken, ob wir Netzbewohner nicht mal über unsere Umgangsformen nachdenken sollten, anstatt immer gleich loszuquäken."
Derweil räsoniert das "Kursbuch" über das Wählen im Allgemeinen wie das Nicht- oder Abwählen im Besonderen. Wie CDU gewählt wird, erklärt uns darin der emeritierte Soziologe Michael Zöller:
"Ob nun selbst konservativ oder nicht, hat die CDU das konservative Problem, dass ihre Position aus der Bewegung anderer folgt. So versuchen manche, aus dieser Not eine Tugend zu machen, auffällig unauffällig niemandem vor den Kopf zu stoßen und Wahlkämpfe mehr zu überstehen, als sie zu führen."
"Die CDU wäre gut beraten, sich schon bald für mehr echte Mitbestimmung zu öffnen und nicht nur über ein Onlinetool von den Mitgliedern unverbindliche Anregungen abzufragen. Tatsächlich hält es die Union schon seit Jahren so. Dass die politische Konkurrenz ihrer Basis die Möglichkeit zum öffentlichen Diskutieren gibt, lässt die Parteiführung, aber auch die einfachen Mitglieder offensichtlich kalt. Bis auf einen Landesverband der Jungen Union, der die Wahlprogramm-Erarbeitung als undemokratisch kritisierte, gab es keine öffentlichen Beschwerden".
In ähnlicher Weise mokiert sich der frühere Wahlkampfhelfer Edmund Stoibers, Michael Spreng, darüber, dass die CDU bundespolitisch als Partei keine erkennbare Rolle mehr spiele. Der Grund dafür: "Merkels sanfte Autokratie", die er auf seinem Blog "Sprengsatz" aufs Korn nimmt:
"Fast alle wichtigen Entscheidungen werden von der Kanzlerin dekretiert – von der Europa-Politik und der Atomwende über die Abschaffung der Wehrpflicht bis zur gesetzlichen Frauenquote und einer Mietpreisbremse im Wahlprogramm. Die Partei kann nur noch zustimmen, wenn überhaupt. Merkel macht das alles ohne Basta, ohne Getöse, ohne Machtworte, sondern ganz leise. Weil Merkel in den Augen ihrer Partei inzwischen alternativlos ist, fügt sich die CDU. Denn danach wartet der vermeintliche Abgrund der Opposition und längeres Siechtum, das sich heute schon im Verlust der meisten Bundesländer und fast aller Oberbürgermeisterposten in den Großstädten manifestiert".
Doch nicht alle Kommentatoren glauben an eine dauerhafte Unanfechtbarkeit der Kanzlerin. So hält es zum Beispiel Merkel-Buchautor Stephan Hebel für möglich, dass wir derzeit mit Thomas de Maizières Drohnen-Affäre den "Anfang vom Ende" ihrer Dauerregentschaft erleben. Hebel auf Freitag-online:
"Immer, wenn wieder jemand ging, warf der politisch-mediale Komplex in der Hauptstadt die Interpretationsmaschine an und stellte fest, Angela Merkel habe ihre Macht gefestigt, wenn nicht gesteigert. Spätestens jetzt aber stellt sich die Frage, ob die inzwischen fast absolute Macht nicht zum Anfang vom Ende werden könnte. Profaner ausgedrückt: Starke Untergebene sind nicht nur vermeintliche Kronprinzen oder Konkurrenten. Sie schaffen der in europäischen Dimensionen schwebenden Leitgestalt auch komplizierte und damit lästige Probleme vom Hals. Sie halten ihre Köpfe hin, wenn es um die Energiewende geht oder um den Umbau der Bundeswehr, (oder) um (die) Rente. Je mehr sich die Chefin um solche Dinge selber kümmern muss, desto stärker steigt die Fettnäpfchen-Dichte zu ihren Füßen".
In einen solchen Fettnapf scheint die Kanzlerin während der jüngsten Obama-Visite getreten zu sein, als sie mit folgendem Satz das NSA-Überwachungsprogramm Prism rechtfertigen sollte:
"Das Internet ist für uns alle Neuland, und es ermöglicht auch Feinden und Gegnern unserer demokratischen Grundordnung, mit völlig neuen Möglichkeiten und völlig neuen Herangehensweisen unsere Art zu leben in Gefahr zu bringen."
Was wunder also, dass unter der Onlinerzunft stürmisches Jagdfieber auszubrechen scheint. So deutet Patrick Beuth auf Zeit-Online Merkels "Neuland"-Statement als einen digitalen Offenbarungseid der Bundesregierung:
"Wer es gut mit ihr meint, kann den Neuland-Satz als typischen Mutti-Moment abhaken. Es war einfach nicht die beste aller Gelegenheiten, um die Welt im Merkel-Duktus zu erklären. Wer es weniger gut mit ihr meint, muss diesen Satz als dreisten Versuch des Schönredens ansehen: Das Internet ist Neuland für uns alle, da kann man ja auch mal bei der Überwachung desselben ein bisschen zu weit gehen – denn das ist es, was die Kanzlerin damit sagte."
Andere Autoren stoßen sich eher am Shitstorm wichtigtuerischer Netzwerker auf Merkels "Neuland"-Sentenz. Zum Beispiel Christian Jakubetz auf Cicero-online:
"So langsam wird es ermüdend. Man muss tatsächlich darüber nachdenken, ob wir Netzbewohner nicht mal über unsere Umgangsformen nachdenken sollten, anstatt immer gleich loszuquäken."
Derweil räsoniert das "Kursbuch" über das Wählen im Allgemeinen wie das Nicht- oder Abwählen im Besonderen. Wie CDU gewählt wird, erklärt uns darin der emeritierte Soziologe Michael Zöller:
"Ob nun selbst konservativ oder nicht, hat die CDU das konservative Problem, dass ihre Position aus der Bewegung anderer folgt. So versuchen manche, aus dieser Not eine Tugend zu machen, auffällig unauffällig niemandem vor den Kopf zu stoßen und Wahlkämpfe mehr zu überstehen, als sie zu führen."