Archiv


Merkur im Visier

Raumfahrt. - Die Planeten unseres Sonnensystems können sich derzeit über ausbleibenden Besuch von der Erde nicht beklagen. Sonden der Voyager- und Pioneer-Reihe hatten sich die äußeren Gasriesen vorgenommen, Mars kann sich vor ungebetenen Gästen derzeit gar nicht retten, zur Venus wird in zwei Jahren der VenusExpress starten und selbst der weit entfernte Pluto soll Ende des Jahrzehnts erstmals direkt angesteuert werden. Allein sein Gegenstück in der innersten Umlaufbahn, der sonnennahe Merkur, ist seit rund dreißig Jahren in Vergessenheit geraten. Eigentlich wollte die europäische Weltraumagentur ESA diesen Missstand beheben und dazu eine ehrgeizigen Landemission auf den Weg bringen, doch jetzt wurde das Vorhaben überraschend zusammengestrichen.

Guido Meyer |
    Europa hatte sich viel vorgenommen. Erstmals schickt die Alte Welt mit SMART-1 ein Raumschiff zum Mond, das ganze gar mit dem modernen und preisgünstigen Ionenantrieb. Ebenfalls zum ersten Mal will die europäische Weltraumagentur ESA mit der Sonde MarsExpress und ihrem Beagle2-Lander Weihnachten sanft auf dem Mars aufsetzen. Davon inspiriert, sollte beim Merkur beides kombiniert werden: mit Ionenantrieb zur sonnennächsten Bahn - und dann auf Merkur landen. Mehr als Amerikaner und Russen jemals geschafft haben.

    Mitte der siebziger Jahre hatte es die Mariner-Mission der US-Raumfahrtbehörde NASA gegeben. Diese war jedoch lediglich ein Vorbeiflug. Wegen der hohen Geschwindigkeit der Sonde konnten nur während etwas mehr als einer Stunde überhaupt Messungen am Merkur vorgenommen werden. Man erhält so nur grobe Anhaltspunkte über einen Himmelskörper. Die europäische Sonde hingegen wird den Planeten umrunden. Wir fliegen hin - und bleiben da, und zwar länger als ein Jahr. Damit sollten wir dann genügend Daten haben, um Merkur vollständig charakterisieren zu können.

    Belló Mora von der spanischen Weltraumfirma DEIMOS Space, die BepiColombo baut. Aus finanziellen Gründen wird die Sonde nun allerdings ohne Lander auskommen müssen. Benannt ist sie nach Giuseppe Colombo, einem italienischen Forscher, der Merkur mit Teleskopen beobachtet hat. Er hat für die NASA die Bahn berechnet, auf der ihre Mariner-Sonden überhaupt einen schnellen Vorbeiflug am Merkur erreichen konnten.

    Die Amerikaner haben festgestellt, dass das Magnetfeld Merkurs nicht so war, wie wir es uns bis dahin vorgestellt hatten. Sie haben Anomalien entdeckt, die unseren Theorien über seinen inneren Aufbau widersprechen. Das könnte an der Beschaffenheit des Planetenkerns liegen, von dem wiederum auch die Anziehungskraft des Himmelskörpers abhängt. Merkur bewegt sich auch sehr ungewöhnlich um die Sonne. All diesen Fragen wollen wir Europäer auf die Spur kommen.

    In der Tat gibt Merkur Rätsel auf. Während eines Sonnenumlaufs dreht er sich gerade anderthalb Mal um die eigene Achse. Das wäre ungefähr so, als würde es in 365 Tagen auf der Erde nur einen Tag-Nacht-Wechsel geben. Die Eisflächen an den Polarkappen wurden erst vor zwölf Jahren mit irdischen Teleskopen entdeckt, noch nicht von Mariner 10 in den siebziger Jahren.

    Über die Messung seiner Anziehungskraft können wir Rückschlüsse auf sein Inneres schließen. Wir vermuten, dass Merkur einen Eisenkern besitzt, der achtzig Prozent seines Gesamtvolumens ausmacht. Ein Teil dieses Kerns ist wahrscheinlich flüssig. Man nimmt auch an, dass dieser Kern Grund für das von Mariner 10 gemessene schwache Magnetfeld ist.

    Merkur könnte der Rest eines ursprünglich größeren Planeten sein, der kurz nach Entstehung durch Kollision teilweise zerstört wurde. Die vor allem aus Gestein bestehende Hülle wäre so verkleinert worden, während der eisenreiche Kern unbeschadet geblieben wäre. All diesen Theorien wollen die Europäer nachgehen, die für diese Mission erstmals gemeinsame Sache mit einer der japanischen Weltraumagenturen machen. Yukio Shimizu von der JAXA.

    BepiColombo wird aus zwei getrennten Sonden bestehen, die beide zusammen von ESA und JAXA ausgestattet werden. Einmal gibt es den Mercury Planetary Orbiter, der den Himmelskörper kartographieren soll, zum anderen einen Magnetosphären-Satelliten, der das Magnetfeld untersuchen wird.

    Neben Japan und Europa werden auch die USA bereits im nächsten Jahr den Messenger auf den Weg zum Merkur schicken. Für die Alte Welt ist noch Warten angesagt: Wegen des billigen, aber zeitaufwendigen Ionenantriebs wird die Reise zum Merkur drei Jahre dauern und einen Vorbeiflug bei der Venus erfordern. Und gestartet werden soll erst 2010.