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Meryl Streep nimmt den dritten Oscar in Empfang

Zum 17. Mal stand der Name Meryl Streep gestern auf der Oscar-Kandidatenliste, dieses Mal für ihre Rolle der Margaret Thatcher in "Die Eiserne Lady", der am Donnerstag bei uns startet. Das Rollenspektrum der Meryl Streep ist enorm - und wurde jetzt zum dritten Mal Oscar-prämiert.

Von Sigrid Fischer | 27.02.2012
    Von Sigrid Fischer

    "I always think I am playing sort of the same person."
    Meryl Streep, ausgerechnet sie, spielt immer in etwa die gleiche Person? Undenkbar bei dem Rollenspektrum, das sie bisher geliefert hat.
    "I am Julia Child, bon appétit."

    "I'm going to tell you something that I told no one before."

    "Doesn't it matter to you that I am the wife of another man?"

    "We will stand on principle or we will not stand at all."

    Rund 50 Kinoprojekte in knapp 35 Jahren, dazu Fernsehen und Theater. Was auch immer sie anpackt, Jubelkritiken sind ihr gewiss. Immer die gleiche Person? Aus der Innensicht betrachtet versteht man, was sie meint:

    "Ich finde mich darin wieder. Ich habe das Glück, auf viele verschiedene Figuren gestoßen zu sein, mit Eigenschaften, die ich in mir wiedererkenne. Und ich möchte jetzt nicht die offen legen, die mit Margaret Thatchers Qualitäten korrespondieren."
    Erfolgreicher als Meryl Streep können Schauspieler kaum sein. Trotzdem trumpft sie nicht auf wie eine Diva, die sich in jedem Moment ihrer Wirkung bewusst ist. Bei ihr scheint immer auch etwas Scheu und Demut durch. Wenn sie sagt, dass jedes neue Projekt mit Angst und Unsicherheit verbunden ist, kokettiert sie nicht, sondern verrät einiges darüber, wie sie zu all den bewunderten Höchstleistungen gelangt: mit Empathie, und mit Zweifeln.

    "Ein neues Projekt anzufangen, ist das Schwierigste. Das schüchtert mich ein, es schüchtert jeden ein. Aber als Schauspieler lernst du, dass deine Unsicherheit dein Freund ist, und dass Angst sehr, sehr wichtig ist – als Antrieb und als etwas sehr reales und Menschliches, ohne das man nicht klar kommt."

    Meryl Streep könnte wahrscheinlich auch einen Blumentopf überzeugend darstellen. Sie kriegt scheinbar alles hin. Als Amerikanerin die weltberühmte Britin Thatcher - über Körpersprache, Stimmlage und Akzent schafft sie es, auch einem durchschnittlichen Drehbuch den entscheidenden Kick zu versetzen. Und wie vorgefertigt das Bild der Frauen, die sie spielt, auch sein mag, zum Beispiel im Fall der bekannten Fernsehköchin Julia Child oder der prominenten Chefin eines Modemagazins - sie sucht jenseits von Sympathie oder Antipathie nach dem menschlichen Kern der Figuren.

    "Wenn ein Schauspieler jemanden spielt, übernimmt er seine Persönlichkeit. Da setzt man sich nicht hin und urteilt über die Person. Dann ist man nämlich künstlerisch verloren. Deshalb sage ich nie über eine Figur: Ich mag sie oder ich hasse sie, dann könnte ich mich nicht mehr in sie hineinversetzen."

    Das Bild, das sie sich früher von der britischen Ex-Premierministerin Thatcher gemacht hat, hat Meryl Streep durch die Arbeit an ihrem Film etwas korrigiert, gibt sie zu.

    "Als junge, politisch linke Schauspielerin in New York habe ich reflexartig auf Margaret Thatcher reagiert: Ich dachte, sie ist eine Freundin von Reagan, altmodisch gekleidet mit schäbiger Frisur – so beurteilen sich Frauen halt gegenseitig. Inzwischen sagen die Leute dasselbe über mich. Aber ich habe vieles über sie gelernt, was mich überrascht hat, zum Beispiel war sie nicht gegen Abtreibung, sie hat sehr früh über die Erderwärmung gesprochen, und, - ob ihr das gefallen würde oder nicht –, sie war eine Feministin, sie hat Frauen Türen geöffnet. Als ich aufgewachsen bin, gab es keine Frauen auf Spitzenpositionen, nur wenige im Jura- oder Medizinstudium. Das hat sich geändert, durch Frauen wie Margaret Thatcher."
    Meryl Streep fühlt sich der Leistung von Frauen verbunden, Links zu vielen sozialen Projekten finden sich auf ihrer Webseite, und einer zum National Women's History Museum, einem geplanten Museum in Washington, das den Fokus auf den weiblichen Beitrag zum politischen, ökonomischen und kulturellen Leben in der Geschichte Amerikas und der Welt lenkt. Und dessen Sprecherin sie ist. Ihre gesamte Gage für die "Eiserne Lady" soll sie dem Projekt gespendet haben. Auch für Frauen in der Filmindustrie erhebt sie gerne ihre Stimme. Sie weiß wohl, dass sie selbst eine Ausnahme ist. Dass Hollywood in der Regel für Frauen über 50 nicht viel übrig hat. Sie aber mit über 60 wahrhafte Traumrollen bekommt. Mindestens einen Film dreht sie pro Jahr, meist mehr. Das hat auch seinen Preis – zum Beispiel wenn sie, wie unlängst, zu Besuch in Berlin ist.
    "Es gibt fünf Museen für zeitgenössische Kunst in Berlin, ich würde liebend gerne eins besuchen, ich werde es nicht tun. Ich kann mir ein Bild ansehen, dann stehen fünf Leute vor mir und sehen mich an. Ich beklage mich nicht, es ist alles gut, wie es ist, aber mir fehlt die Kunst sehr stark. Ironischerweise ist das Showgeschäft dagegen sehr freundlich zu Müttern, denn man ist ja dauernd arbeitslos und also zu Hause, auch dann, wenn die Kinder nicht damit rechnen. Das ist auch was wert."
    Vier Kinder hat Meryl Streep, im Alter von Anfang 20 bis Anfang 30. Als die noch zur Schule gingen, hat sie wenig und möglichst in der Nähe ihres Wohnortes New York gedreht, damit sie abends bei der Familie sein konnte. Kein Preis der Welt sei für ihr persönliches Glück verantwortlich, versicherte sie unlängst in einer Rede vor Collegestudentinnen. **Ist also die große Freude und Dankbarkeit, die sie zum Beispiel gestern Abend bei der Oscarverleihung gezeigt hat, etwa auch nur ein Beispiel ihrer Schauspielkunst?

    "Nein, man fühlt das schon so. Aber es ist komisch, wenn einem Leute sagen: ich glaube, Du gewinnst, oder: ich glaube, diesmal hast Du keine Chance. Man hat einen Film gedreht, auf den man stolz ist. Und auf einmal macht man Fitnessübungen für den Superbowl. Da steht man schon neben sich."