G7-Gipfel in Kanada
Merz warnt vor Ausweitung des Konflikts zwischen Israel und dem Iran

In Kanada sind die Staats- und Regierungschefs der sieben führenden Industriestaaten zu ihrem Jahrestreffen zusammengekommen. Der zweitägige Gipfel steht unter dem Eindruck der Kriege im Nahen Osten und in der Ukraine. Zum Auftakt warnte Bundeskanzler Merz vor einer Ausweitung des Konflikts zwischen Israel und dem Iran.

    Die Teilnehmer des G7-Gipfels sitzen an einem runden Tisch.
    Die Staats- und Regierungschefs der G7-Gruppe (picture alliance / ASSOCIATED PRESS / Darryl Dyck)
    Ein solcher Fall könne eintreten, wenn der Iran oder seine regionalen Verbündeten US-Militärbasen in der Nahost-Region angreifen würden, sagte Merz im kanadischen Kananaskis. Merz kündigte an, dass die europäischen Staaten bei dem Gipfel in den kanadischen Rocky Mountains für eine gemeinsame Erklärung der G7-Gruppe zum Konflikt zwischen Israel und dem Iran werben wollten.
    Auch der russische Krieg gegen die Ukraine sollte am ersten Gipfeltag eine Rolle spielen. Merz rief die USA auf, weitere Sanktionen gegen Russland zu verhängen. Bislang lehnt Präsident Trump schärfere Strafmaßnahmen gegen Russland ab. Er nannte es einen Fehler, dass Russland nach der Annexion der Krim 2014 aus der Gruppe ausgeschlossen wurde.
    Bei dem Gipfeltreffen geht es um die Frage, ob die G7-Gruppe trotz Differenzen zwischen Washington und den anderen Mitgliedern zu einer gemeinsamen Linie finden kann. Doch die Ungewissheit beim diesjährigen Treffen der sieben führenden Industriestaaten ist groß - vor allem mit Blick auf den Ukraine-Krieg und die neue Eskalation zwischen Israel und dem Iran.

    Drohender Bedeutungsverlust

    Je weiter die G7-Staaten bei den großen Konflikten auseinanderdriften, desto größer ist die Gefahr, dass die Runde ihre politische Bedeutung verliert. Trumps Hang zu Alleingängen und unerwarteten Vorstößen könnte die Beratungen auf dem Gipfel erschweren.
    2018, beim letzten Gipfeltreffen der G7 in seiner ersten Amtszeit - ebenfalls in Kanada - hatte Trump seine Unterschrift unter die Abschlusserklärung nachträglich zurückgezogen. Er begründete dies mit Äußerungen des damaligen kanadischen Ministerpräsidenten Trudeau vor der Presse. Nun wurden schon vorab die Erwartungen heruntergeschraubt: Eine gemeinsame Abschlusserklärung soll es nicht geben; Gastgeber Kanada will nur kleinere Statements zu unstrittigen Themen verabschieden lassen.
    Zu folgenden Aspekten könnte es in Kananaskis kontroverse Debatten geben: 

    Der Konflikt zwischen Israel und dem Iran

    Trump sagte kurz vor seinem Abflug nach Kanada, es sei Zeit, dass sich Israel und der Iran verständigten. Die Chancen dafür stünden gut. Allerdings fügte er hinzu: "Manchmal müssen sie es ausfechten."
    Die EU-Staaten hatten am Wochenende erklärt, es dürfe dem Iran niemals gestattet werden, eine Atomwaffe zu erlangen. Dauerhafte Sicherheit könne jedoch nur durch Diplomatie und nicht durch militärisches Handeln erreicht werden. Ob sich die G7-Partner in diesem Punkt auf einen gemeinsamen Kurs oder sogar eine gemeinsame diplomatische Initiative verständigen können, ist fraglich. 

    Der Krieg in der Ukraine

    Die G7-Partner waren sich bislang einig, dass Russland nur durch eine entschlossene und starke Unterstützung der Ukraine zur Aufgabe seines Angriffskriegs bewegt werden kann. Dass die USA seit Trumps Rückkehr ins Weiße Haus nicht mehr klar diese Linie verfolgen, sorgt bei den anderen Staaten der Gruppe für große Besorgnis.
    Es gehe nun darum, den von Trump angestoßenen Verhandlungsprozess über einen Waffenstillstand voranzubringen, sagte Merz vor seinem Abflug nach Kanada. "Dazu hat die Ukraine mit unserer Unterstützung Vorschläge entwickelt, während Russland weiter auf Zeit spielt und brutal Krieg führt." Um Moskau an den Verhandlungstisch zu bringen, brauche es zusätzlichen Druck - über Sanktionen. Die erhoffen sich die Europäer auch von Trump.
    EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen rief zu einer Verschärfung der Strafmaßnahmen auf. Um Russland an den Verhandlungstisch zu bringen und den Ukraine-Krieg zu beenden, müsse man den Druck erhöhen, sagte sie bei einer Pressekonferenz am Tagungsort in Kanada.
    Am Dienstag wird der ukrainische Präsident Selenskyj als Gast bei dem Gipfel erwartet, es soll auch ein bilaterales Treffen zwischen ihm und Trump geben. Selenskyj forderte die G7-Runde vorab auf, den Druck auf Russland zu erhöhen.

    Streit um Zölle, Einigkeit bei begehrten Rohstoffen

    Schwierig dürften beim Gipfel auch die Gespräche über die Wirtschaftspolitik werden. Mit seinen Zollentscheidungen verstößt Trump nach Auffassung der anderen G7-Staaten klar gegen die von der Gruppe propagierten Prinzipien einer offenen, liberalen und regelbasierten Wirtschaftsordnung. Die große Frage ist, wie das thematisiert wird, ohne großen Streit und ein Scheitern des Gipfels zu provozieren.
    Denkbar ist, dass sich die Gruppe in den Arbeitssitzungen deswegen auf Themen konzentriert, bei denen es noch gemeinsame Interessen gibt. So wollen alle Mitgliedstaaten unabhängiger von Rohstoffen aus Staaten wie China werden - vor allem, wenn es um Stoffe wie Erze der Seltenen Erden geht, die etwa für Energiesparanwendungen oder moderne Informations- und Kommunikationstechnologien wichtig sind.

    Entwicklungshilfe auf der Kippe

    Der G7-Gruppe gehören neben Gastgeber Kanada, den USA und Deutschland auch Japan, Frankreich, Italien und Großbritannien sowie die Europäische Union an. Die Runde verstand sich über viele Jahre hinweg auch als Vorreiter im Kampf gegen den Klimawandel und die Armut auf der Welt. 
    Wegen Trumps Desinteresse an diesen Themen könnten die G7 hier in den kommenden Jahren indes an Bedeutung verlieren. So fürchtet die Organisation Oxfam, dass die Entwicklungshilfeausgaben der G7 für das Jahr 2026 im Vergleich zu 2024 um 28 Prozent sinken könnten.

    Verschiebungen bei der Wirtschaftskraft

    Das diesjährige Treffen in Kanada ist bereits der 51. G7-Gipfel. Heute stehen die sieben Staaten für 44 Prozent der weltweiten Wirtschaftskraft, aber nur für zehn Prozent der Weltbevölkerung. Gleichzeitig sind die G7 für ein Fünftel des weltweiten CO2-Ausstoßes verantwortlich.
    Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion wurde ab Mitte der 90er Jahre auch Russland zu den Gipfeln eingeladen. 2002 wurde Moskau vollwertiges Mitglied - und aus den G7 wurden die G8. Nach der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim 2014 wurde Russland jedoch wieder ausgeschlossen.
    Längst nicht mehr alle G7-Staaten sind heute weltweit führende Wirtschaftsmächte: Alle Länder außer den USA wurden durch China überholt; auch Indiens Wirtschaft ist inzwischen größer als die von Großbritannien, Frankreich, Italien oder Kanada.
    Seit 1999 gibt es deshalb eine erweiterte Runde: die Gruppe der 20 wichtigsten Volkswirtschaften (G20) - und dort sitzt trotz des Angriffskriegs gegen die Ukraine auch Russland weiter mit am Tisch.
    (mit Material von dpa)
    Diese Nachricht wurde am 16.06.2025 im Programm Deutschlandfunk gesendet.