Dienstag, 30. April 2024

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Messe "Superbooth 2017"
Der Spielplatz für Synthesizer-Freaks

Es zirpt, wabert und schwingt: Auf der Superbooth-Messe in Berlin dreht sich alles um elektronische Musikinstrumente. Der Veranstalter reagiert damit auch auf das Comeback eines ganz besonderen Synthesizer-Typus.

Florian Fricke im Gespräch mit Christoph Reimann | 21.04.2017
    Ein modularer Moog-Synthesizer des amerikanischen Erfinders Bob Moog aus den 1960er Jahren. Er gilt als das erste ernst zu nehmende elektronische Gerät zum Erzeugen synthetischer Klänge.
    Ein modularer Moog-Synthesizer des amerikanischen Erfinders Bob Moog aus den 1960er Jahren. (picture alliance / Maximilian Schönherr)
    Christoph Reimann: Superbooth heißt die Fachmesse für elektronische Musikinstrumente in Berlin. Gesprächsrunden gibt es da, Workshops, Konzerte und natürlich die Messestände. 170 Aussteller sind mit ihren Instrumenten vor Ort. Gestern wurde die diesjährige Ausgabe eröffnet. Mein Kollege Florian Fricke war dabei. Hallo.
    Florian Fricke: Hallo.
    Reimann: Die Superbooth Messe in Berlin ist die erste Messe für elektronische Musikinstrumente in Europa. Aber um was für Musikinstrumente geht es denn da konkret? Um alles, was Strom zur Klangerzeugung braucht?
    Fricke: Also man muss voranstellen: Superbooth ist das Kind von Andreas Schneider. Und Andreas Schneider, der betreibt in Berlin seit 18 Jahren "SchneidersLaden". Und dieser Laden, der ist deutschlandweit - wenn nicht sogar weltweit - der Fachladen für modulare Analog-Synthesizer. Modulare Analog-Synthesizer sind quasi die Ur-Synthesizer, also die allerallerersten, die sehr schwer zu bedienen waren. Und die erfahren so seit zehn Jahren ungefähr oder ein bisschen länger, eine Renaissance, weil die jetzt in einer sehr handlichen, kompakten Form gebaut werden und untereinander kompatibel sind. Das heißt, es gibt immer mehr kleine Hersteller, also wirklich so Ein-, Zwei-, Drei-Mann- Unternehmen, die in ihren Kellern und Werkstätten diese Modular-Bauteile zusammenlöten und auf den Markt bringen. Und die will Andreas Schneider ansprechen und mit den Konsumenten - also den Musikern und Produzenten - zusammenbringen. Also die sollen da kommunizieren auf dieser Messe und eben nicht nur die ganzen Branchenriesen, die jeder kennt: also Yamaha, Korg und wie sie alle heißen.
    "Spielwiese für Erwachsene"
    Reimann: Wo findet das statt und was passiert da genau?
    Fricke: Das findet statt im FEZ in der Berliner Wuhlheide. Das ist in Köpenick, also abseits der Hektik des Berliner Zentrums. Das ist ein wunderbarer Bau, noch aus DDR-Zeiten, Europas größtes, gemeinnütziges Zentrum für Kinder, Jugendliche und Familien. Das haben die auch alles so belassen. Und diese Spielwiese, die ist jetzt quasi für Erwachsene offen. Und so will das eigentlich auch Andreas Schneider haben:
    "Das sind auch Produktpräsentationen. Aber die Hersteller, die da auftreten, die sind von mir genötigt, nicht etwa zu erzählen, wie lang ihr Oszillator und wie groß ihre Frequenz ist, sondern zu spielen. Weil es geht ums Spielen und deswegen sind wir auch hier im FEZ in Berlin, weil das ist ein Haus zum Spielen für Kinder, zum Entdecken der Welt, zum Entdecken von Naturwissenschaften in Kombination mit künstlerischen Disziplinen und die Grenzbereiche zu erforschen. Und genau das tun wir mit Erwachsenen."
    FEZ, das Freizeit- und Erholungszentrum An der Wuhlheide in Berlin Köpenick.
    FEZ, das Freizeit- und Erholungszentrum in Berlin Köpenick. Hier findet am 21. und 22. April die Musikmesse "Superbooth17" statt. (imago / Jürgen Ritter)
    Reimann: Und das sagt Andreas Schneider. Und was gibt es denn nun für Trends in diesem Jahr auf der Superbooth?
    Fricke: Es gab ja diese Laptop-Artists. Die haben eigentlich in den letzten zehn, 15 Jahren also die elektronische Musik bestimmt. Man hatte diese Softwares, die quasi 'one for all', also die konnten einfach alles machen und man brauchte keine anderen Instrumente mehr. Und die Künstler wollen aber weg vom Bildschirm und vom Rechner, und deswegen kann man auch diese Renaissance dieser Modular-Synthesizer erklären. Also man kann jetzt mit elektronischen Steuerungen - also über MIDI-Dateien - immer mehr Motoren ansteuern, die dann wiederrum beispielsweise ein Xylofon ansteuern oder jegliche Haushaltsgeräte, die man zuhause hat. Also ich glaube wirklich, dass der Spieltrieb der Männer angesprochen werden soll. Also, wenn man im Spielbild bleiben will, geht der Trend zurück von Videospielen wieder zurück zur Modelleisenbahn.
    "Man will dem Trend der Männerdomäne entgegentreten"
    Reimann: Wie erklären Sie sich das, die Abwesenheit von Frauen. Liegt das an diesem Spieltrieb? Kann man sich kaum vorstellen.
    Fricke: Das ist, glaube ich, wirklich eine Generationsfrage. Also Andreas Schneider, der spricht auch von der Generation 60 plus. Das ist halt die Generation, die mit Synthesizern groß geworden ist, und das war immer eine Männerdomäne. Er will aber diesem Trend entgegentreten. Es gibt täglich Workshops unter prominenter Anleitung, wo nur Frauen Zugang haben, um ihnen quasi diese Hemmschwelle zu nehmen und die Angst. Und es gibt vormittags auch Kinderworkshops, wo ganze Schulklassen teilnehmen und quasi an die Elektronik herangeführt werden sollen.
    Reimann: Die Musikmesse in Frankfurt, die hat ja mit Ausstellerschwund zu kämpfen und erfindet sich quasi jedes Jahr neu. Die großen Zeiten dieser Messe, die scheinen vorbei zu sein. Und klar, die Superbooth-Messe ist wesentlich kleiner, aber es funktioniert offenbar. Liegt das Geheimnis für den Erfolg von Superbooth in der Nische?
    Fricke: Auf jeden Fall. Also, man will diesen familiären Charakter stärken. Kommunikation - das steht im Vordergrund. Es gibt auch ein großes Rahmenprogramm, ja, es werden ständig Vorträge gehalten, es gibt Konzerte. Also, Ricardo Villalobos - Szenestar, Superstar - der hat gestern ein sehr intimes Modularkonzert veranstaltet mit seinem Kollegen Max Loderbauer, war unfassbar laut. Da hat man die Leute auch mal zum anfassen. Also die Leute sollen einfach miteinander kommunizieren und das passiert auf diesen Riesenmessen, wo man durch 20 Hallen läuft und einfach nur erschlagen wird von der schieren Masse der Güter, eben nicht.