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Messfahrt auf der Autobahn

Technik. – Die Griffigkeit der Fahrbahn ist im modernen Autoverkehr entscheidend. Schnelle Reaktionen sind im immer dichteren Pulk nötig, wenn die Fahrzeuge dann in Rutschen oder Schleudern geraten, ist eine Karambolage unvermeidlich. Spezielle Messfahrzeuge kontrollieren daher die deutschen Schnellstraßen auf ihren Grip, vor allem bei Nässe.

Von Sönke Gäthke |
    Die Griffigkeit der Fahrbahn spielt im Straßenverkehr keine geringe Rolle.
    Die Griffigkeit der Fahrbahn spielt im Straßenverkehr keine geringe Rolle. (Unsplash / Ram Mindrofram)
    "Genau. Das ist unser Messfahrzeug, das SKM Messgerät, und hier stehen wir eigentlich vor dem Herzstück dieser Maschine, die SKM Messeinheit, hier, das schräglaufende Rad."

    SKM steht für Seiten Kraft Messverfahren. Ein System, mit dem der selbstständige Ingenieur Andre Benke prüft, ob der Asphalt auf der Autobahn den Reifen der Autos und LKW auch genug Halt bietet. Herzstück ist das schräglaufende Rad, - ein fünftes Rad am Wagen, unter der Pritsche des kleinen, orange lackierten LKW, etwa so groß wie ein Motorradreifen. Andre Benke geht in die Knie.

    "Ja, wir sehen also ein zwanzig Grad schräg gestelltes Rad, weiter sehen wir einen profillosen Messreifen, Temperatursensoren, die die Temperatur der Luft aufnehmen, der Fahrbahn…"

    Bei der Messfahrt wird das Rad – weil es schräg steht – über den Asphalt oder Beton gedrückt. Es dreht sich zwar, aber nicht so schnell, wie es könnte. Aus dieser Differenz können die Techniker die Kraft ermitteln, gegen die das Rad ankämpft – und damit auch die Griffigkeit der Fahrbahn. Wie griffig die Fahrbahn einer Autobahn sein muss, wird erst seit 2001 vorgeschrieben und gemessen. Vorangegangen sind jahrelange Untersuchungen, ob die Fahrbahnbeschaffenheit überhaupt Unfälle verursachen kann, erzählt Martin Radenberg, Professor für Straßenbau an der Universität Bochum.

    "Da wurden Autobahnen, hier in Nordrhein-Westfahlen, die hat man sich ausgesucht, mit hohen Unfallzahlen. Und hat da tatsächlich schlechte Griffigkeiten festgestellt. Das waren überwiegend relativ gradlinig ausgebaute Autobahnen, ohne viel Kurvigkeit, das heißt, andere Konfliktpunkte waren, ich will nicht sagen ausgeschlossen, aber minimiert. So. Und dann hat man eine griffigkeitsverbessernde Maßnahme durchgeführt, und hat da ganz immens absinkende Unfallzahlen festgestellt."

    Vor allem bei Nässe gingen die Unfallzahlen zurück. Und deshalb hat das Messfahrzeug, an dem Martin Radenberg maßgeblich mitgearbeitet hat, einen großen Wassertank auf der Pritsche, und feuchtet die Straße etwas an. Radenberg:

    "Griffigkeit ist immer eine Sache im nassen Zustand. Also, wenn ich eine trockene Fahrbahn habe, dann ist die Griffigkeit annähernd konstant, auch wenn ich bei Nässe einen schlechten Griffigkeitszustand habe, ist dieser Zustand bei Trockenheit nicht so. Und deshalb wird die Griffigkeitsmessung eigentlich immer bei Nässe durchgeführt."

    Andre Benke:

    "Jawohl. Jetzt haben wir noch circa einen Kilometer bis zum Messstart, ich werde, sobald wir hier um die Kurve sind, das Messrad herunterlassen, das ist der sogenannte Vorstart, das Messrad wärmt sich dann schon mal etwas auf und hat dann Betriebstemperatur."

    Andre Benke steuert seinen LKW auf der A4 in Richtung Köln. Er sitzt eingeklemmt zwischen Tür und einem großen Elektronikschrank in der Mitte der Kabine. Den Wagen steuert er mit konstant 80 über die Autobahn – selbst die Sattelschlepper überholen – und er steuert möglichst genau 70 Zentimeter von der rechten Fahrbahnmarkierung entfernt. Das ist Vorschrift. Der Ingenieur deutet auf eine Leuchtdiodenkette an der Windschutzscheibe.

    "Die Leuchtdioden sind dafür da, dass ich die siebzig Zentimeter von der rechten, weißen Fahrbahnmarkierung halte, und die Leuchtdioden, ja, manövrieren mich, oder weisen mich halt ein, wo ich die 70 Zentimeter zu finden hab, oder wie ich sie zu fahren habe."

    "So. Wir starten die Messung bei Kilometerstein 64,5, und das ist an dieser Stelle hier. Jetzt habe ich den entsprechenden Knopf gedrückt, dass die Messdaten jetzt aufgezeichnet werden."

    Drei Kilometer zeichnen die Rechner im Fahrzeug jetzt die Daten vom Messrad auf. Dann wendet Andre Benke, fährt zurück und vermisst die Strecke noch einmal – um sicher zu gehen, dass die registrierten Daten auch korrekt sind und sich keine Fehler eingeschlichen haben.

    Eine Handvoll von diesen Mess-LKW gibt es derzeit in Deutschland. Die von ihnen seit fünf Jahren gesammelten Daten hat der Verkehrswegeexperte Martin Radenberg ausgewertet – und zieht eine positive Bilanz, sowohl der Messungen als auch der Anforderungen an die Griffigkeit. Radenberg:

    "Also die Messungen haben zunächst erst einmal ergeben, dass es nur sehr geringe Unterschreitungen dieser Anforderungswerte gibt. Die Messungen haben weiter ergeben, dass diese geringen Unterschreitungen im Laufe der Zeit auch abgenommen haben. Ich behaupte mal, dass man sich mit diesem Thema zunehmend beschäftigt hat, dass das Thema Griffigkeit immer besser in den Griff gebracht wurde."