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"Messi 10" von Cirque du Soleil
Fußballzirkus für einen Ballartisten

Der Argentinier Lionel Messi ist der wohl berühmteste Fußballer der Welt - bekannt für temporeiche Torläufe und Dribblings. Da war es eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis der Cirque du Soleil auf Messi aufmerksam wird. Die Show "Messi 10" feiert jetzt den Ballartisten vom FC Barcelona.

Von Julia Macher | 10.10.2019
Mehere Akrobaten heben eine Tänzerin in die Höhe, die ein Fußball-Trikot trägt.
Fußball trifft auf Akrobatik: Die Inszenierung "Messi 10" in Barcelona (Cirque du Soleil)
Auf zwei riesigen Screens ist ein Best-of der irrsten Messi-Tore zu sehen, dann stürmen zwei Dutzend fahnenschwenkende Artisten ins Stadion, Verzeihung, auf die Bühne und verblüffen mit einem rasanten Mix aus Freestyle-Tricks, etwas Slapstick und jeder Menge Luftakrobatik. "Messi 10" ist kein Biopic über einen gerade mal 1,70 Meter großen Argentinier, der auszog, den Fußball neu zu erfinden – sondern eine Hommage an den populärsten Sport der Welt und seinen größten Star.
Choreographin Leah Moyer: "Die Nummern unserer Show bauen auf bestimmten Eigenschaften von Leo Messi auf: seinen Mut, seine Geschwindigkeit, seine Stärke, das harte Training. Wir haben uns gefragt, wie können wir in unseren Nummern eine Verbindung zwischen dieser Eigenschaft und der Spezialdisziplin unserer Artisten schaffen, welche Körpersprache finden wir dafür?"
Bewegungen extrem verlangsamt
Um Messis legendäre Schnelligkeit darzustellen, haben die Choreographen seine Bewegungsabläufe extrem verlangsamt und in eine Art akrobatisches Ballett verwandelt. Aus dem täglichen Krafttraining ist eine Nummer am vertikalen Seil geworden: Wo sich normalerweise grazile Tänzerinnen scheinbar mühelos verrenken, schinden sich schwitzende Körper nach oben. Der Bruch mit den Erwartungen ist Teil des Konzepts.
"Aus Erfahrung wissen wir, welche Nummern bei unserem klassischen Publikum gut ankommen. Aber mag das auch ein Fußballfan? Und: Ist das authentisch? Dabei gibt es tatsächlich viele Berührungspunkte zwischen der Fußball- und Zirkuswelt. In beiden muss man unheimlich hart trainieren, um das Beste aus sich herauszuholen. Messi ist der Beste auf dem Spielfeld – und wir haben die jeweils besten ihrer Disziplinen auf der Bühne."
Große Nummern unter sich, also. Der Cirque du Soleil ist quasi der Messi des internationalen Showbusiness beziehungsweise Messi der Cirque du Soleil der globalen Fußballwelt. 190 Millionen Eintrittskarten hat der kanadische Zirkus seit seiner Gründung verkauft. Der sechsfache Weltfußballer Leo Messi ist der bestbezahlte Sportler der Welt – und mit 90 Millionen Followern bei Facebook und über 130 Millionen Fans bei Instagram einer der einflussreichsten.
Bewusstes Branding
Von so einem Joint Venture profitieren beide Seiten. Die gut sichtbar positionierten Namen der Sponsoren sind ein Indiz dafür, dass Synergien in Sachen Branding Teil des Kalküls waren. Vor dem Mikrofon betonen die Macher natürlich andere Aspekte des Phänomens Messi: "Messi ist ein netter Mann, der hart arbeitet, für seine Familie sorgt – und eben unglaublich gut Fußball spielt. Und trotz all dem, was er erreicht hat, ist er sehr bescheiden geblieben", schwärmt Regisseur Sean Mckeown.
Die einzelnen Nummern entstanden in enger Absprache mit Messis Team, auch Leo Messi selbst schaltete sich zuweilen in den kreativen Prozess ein, erzählt Drehbuchautor Mukhtar Omar Sharif Mukhtar:
"Messi wollte auf keinen Fall, dass die Show eine Beweihräucherung seiner selbst wird. Als er die erste Version gesehen hat, hat er sich gefreut wie ein Kind – uns aber gebeten, noch eine Hommage an seine Familie einzubauen. Auf die Idee war ich gar nicht gekommen, weil ich dachte, dass er sein Privatleben schützen wollte. Aber er sagte: 'Sie haben mir geholfen, der zu werden, der ich bin. Ich will, dass das Publikum das weiß.'"
Es ist ausgerechnet die Familienhommage, die – mit süßlicher Musik, halbtransparenten Kostümen in Schwarz-Weiß und klassischer Luftakrobatik am Seil und auf dem Trapez – etwas kitschig und konventionell wirkt. Außer Fußball gibt eine Figur wie Messi eben nicht viel her.
Daher überzeugen vor allem die Nummern, die enthusiastische Stadionatmosphäre vermitteln oder tatsächlich so atemberaubend sind, wie Messis unglaubliche Torläufe: Etwa, wenn sich bei der rasanten Schlussperformance Artisten vom Schleuderbrett mit waghalsigen Schrauben und Salti in vier über den Zuschauerreihen gespannte Netze werfen.
Um die Hemmschwelle möglichst niedrig zu halten, gibt es vor der Show einen Fan-Parcours. Wer Quizfragen zu Messis Schuhgröße und der Anzahl seiner Tore richtig beantwortet und Talent beim Strafstoß oder beim Kopfball unter Beweis stellt, hat Chancen auf einen Mini-Auftritt in der Show – und darf selbst als Nummer 10 auf der Bühne stehen. So werden Fußballträume wahr.