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Messung per Richtfunk
Mobilfunkantennen verraten, wo es regnet

Physiker lieben Herausforderungen: Jetzt wollen sie die Strahlung von Mobilfunkantennen nutzen, um zu ermitteln, ob es in der Nähe regnet. Seit 2010 versuchen Forscher in Garmisch-Partenkirchen diese Idee umzusetzen. Auf der großen Physikertagung vergangene Woche in Regensburg informierten sie die Öffentlichkeit über den Stand ihrer Forschung.

Von Ralf Krauter | 17.03.2016
    Eine Mobilfunkantenne auf einem Gebäude, aufgenommen in Timmendorfer Strand
    Eine Mobilfunkantenne auf einem Gebäude (dpa / picture alliance / Wolfram Steinberg)
    Wann, wo und wieviel es regnet, das registrieren Wetterdienste heute mit Töpfen die Regenwasser auffangen. Weil solche Niederschlagsstationen die Messwerte nur punktuell erfassen, sind sie für eine ganze Region aber bloß bedingt aussagekräftig, sagt Harald Kunstmann vom Institut für Meteorologie und Klimaforschung des Karlsruher Instituts für Technologie.
    "Und so ist man eigentlich auf der Suche nach weiteren komplementären Messtechniken, die es erlauben, Niederschläge bodennah besser messen zu können."
    Der Professor für Regionalklima und Hydrologie forscht in Garmisch-Partenkirchen auf dem "Campus Alpin" des KIT. 2010 machte er dort erste Versuche mit einer neuen Technik zur Niederschlagsmessung. Sie nutzt die Richtfunkstrecken, mit denen Mobilfunknetzbetreiber ihre Sendemasten verbinden.
    Wassertropfen schwächen Funksignal
    "Das sind also die Türme, die sie in der Landschaft stehen sehen, an der Autobahn, an Bahnlinien, auch in Städten. Das sind diese trommelförmigen Antennen. Und zwischen diesen Antennen und Empfängern werden also Mikrowellen ausgesendet, im Bereich zwischen 10 und 40 GHz, die letztlich die Kommunikation zwischen den Handys ermöglichen. Und in diesem Frequenzbereich wird die Strahlung gedämpft – immer dann, wenn es regnet. Und diese Dämpfung, die korreliert sowas von schön mit der Niederschlagsmenge. Und das versuchen wir zu nutzen."
    Die Idee ist simpel. Wird das Funksignal zwischen zwei Antennen merklich abgeschwächt, müssen Wassertropfen in der Luft hängen. Und zwar umso mehr und umso größere, je stärker der Leistungsabfall.
    "Der Vorteil ist nun, dass dieses Netzwerk sehr groß ist. Dass es von den Mobilfunkbetreibern betrieben wird. Das heißt: Wenn Sie es ermöglicht bekommen vom Mobilfunkbetreiber, auf die reinen Dämpfungsdaten, nicht die Kommunikationsdaten, zugreifen zu können, haben Sie also wirklich ein ganz neues landesweites Messnetzwerk für Niederschläge."
    Unbrauchbare Ergebnisse bei Schnee und Hagel
    Nach jahrelangen vertrauensbildenden Maßnahmen beim Mobilfunknetzbetreiber Ericsson haben Harald Kunstmann und seine Leute heute Zugriff auf die datenschutzrechtlich völlig unbedenklichen Dämpfungsraten von 450 Richtfunkstrecken im südlichen Bayern. Mit Computerprogrammen durchsuchen sie die einlaufenden Messwerte nach auffälligen Leistungsschwankungen. Signifikante Dämpfungsverluste verraten, wo es gerade regnet und wie stark. Die Nachweisgrenze liegt bei einem Millimeter Niederschlag pro Stunde – womit das Verfahren bei Regen genauso empfindlich ist, wie klassische Niederschlagstöpfe. Bei eisförmigem Niederschlag wie Schnee und Hagel liefert die Methode bislang allerdings keine brauchbaren Ergebnisse.
    Wenn ich genau jetzt weiß, ob es jetzt zum Beispiel in den oberen Bergregionen regnet, kann ich daraus natürlich schließen, ob es eine Stunde später in einem tiefer gelegenen Ort zu einem Hochwasser oder einer Sturzflut kommt. Und weil wir eben echtzeitnah, also mit eineinhalb Minuten Abstand, die Informationen von dem Server bei Ericsson abgreifen können, sind wir tatsächlich in der Lage, das auch für Vorwarnzwecke einzusetzen. Wir haben auch schon erste Analysen gemacht, wo wir diese Niederschlagsinformationen in ein Abflussmodell eingespeist haben. Und haben gesehen, dass wir da Übereinstimmungen mit dem beobachteten Abfluss hinbekommen, die sehr vielversprechend sind.
    Methode hat Potenzial für trockene Länder
    Um künftig Regenmessungen im gesamten Bundesgebiet machen zu können, wollen die KIT-Forscher die Zahl der ausgewerteten Richtfunkstrecken erweitern. Ein weiterer Fokus liegt auf Entwicklungsländern, wo es oft kaum Infrastruktur zur Niederschlagsmessung gibt und Wetterdaten entsprechend lückenhaft sind. In westafrikanischen Burkina Faso knüpft Harald Kunstmann schon länger Kontakte.
    "Man muss sich vorstellen, es ist ein extrem armes Land, in dem der Wetterdienst ganz stark unter Budgetkürzungen leidet. Und wenn man sieht, wieviele Richtfunkstrecken es aber trotzdem gibt – und jede dieser tausenden von Richtfunkstrecken eigentlich eine Niederschlagsmessung ist –, dann sieht man eigentlich das große Potenzial dieser Methode, weil es eben zumindest für den Wetterdienst und für die Forschung kostenfrei ist. Und hier versuchen wir also mittelfristig, eine weit verbesserte Quantifizierung der Niederschläge zu bekommen. Und das ist wiederum die Voraussetzung, um mit den Wasserressourcen nachhaltiger umgehen zu können."
    Einen Workshop in Burkina Faso, an dem neben einheimischen Forschern auch Mitarbeiter von Wetterdiensten und einem Mobilfunknetzbetreiber teilnahmen, gab es bereits. Auch die für die Regenmessung per Richtfunk nötigen Computer stehen schon. Was jetzt noch fehlt um loszulegen, ist eigentlich nur die vertragliche Zustimmung aller Beteiligten.