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Messungen im Vorbeiflug

Raumfahrt. - Seit genau fünf Jahren ist die europäische Raumsonde Rosetta nun auf dem Weg zu ihrem Ziel, dem Kometen Tschurjomow-Gerasimenko. Erreichen wird sie ihn erst 2014, auf dem Weg dorthin stehen aber einige Untersuchungen an anderen Himmelskörpern auf dem Programm. Morgen wird Rosetta den Asteroiden Lutetia treffen.

Von Guido Meyer | 09.07.2010
    1852 auf einem Balkon irgendwo in Paris. Der deutsch-französische Astronom Hermann Mayer Salomon Goldschmidt blickt in den nächtlichen Sternenhimmel - und entdeckt ein unbekanntes Objekt. Es erhält später den Namen Lutetia, den keltischen Name von Paris. Nun, mehr als 150 Jahre nach seiner Entdeckung, soll dieser Asteroid erstmals Besuch von der Erde bekommen, sozusagen im Vorbeifliegen. Denn Europas Raumsonde Rosetta ist eigentlich unterwegs zum Kometen Tschurimow-Gerasimenko. Das morgige Rendezvous ist also eher eine Art Fototermin.

    "Unseren langen Flug zu unserem Kometen Tschurimow-Gerasimenko wollen wir natürlich auch nutzen, und wir wollen ihn auch wissenschaftlich nutzen. Und eine gute Möglichkeit ist – weil wir sowieso durch den Asteroidengürtel fliegen – an einem Asteroiden vorbeizufliegen, Lutetia. Wir fliegen an dem Asteroiden vorbei, haben die Kameras an, haben die Infrarotspektrometer an, haben alle Geräte an, die auf weite Entfernung messen können, und werden dann während des Vorbeiflugs so viele Daten sammeln, wie wir können, und die dann nach dem Vorbeiflug auswerten."

    Rita Schulz, Projektwissenschaftlerin von Rosetta bei Europas Weltraumagentur Esa. Um ihr eigentliches Ziel nicht aus den Augen zu verlieren, kann Rosetta für ihr Rendezvous nur ein Minimum des mitgeführten Treibstoffs verwenden. Sie wird den Asteroiden Lutetia daher weder umkreisen und schon gar nicht auf ihm landen können, sondern ihn nur in etwas mehr als 3000 Kilometer Entfernung passieren. Eines ihrer Experimente kommt vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung im niedersächsischen Katlenburg-Lindau. Dort ist Horst Uwe Keller für die Kamera Osiris zuständig, das optische, spektroskopische und Infrarot-Fernerkundungssystem an Bord von Rosetta. Osiris soll den Asteroiden komplett untersuchen.

    "Die Idee ist, dass man das Volumen des Asteroiden so gut wie möglich bestimmt, und aber auch seine Oberflächeneigenschaften. Was für Moleküle kommen an der Oberfläche vor, wie ist die Oberfläche beschaffen, ist sie rau, gibt es Blöcke auf der Oberfläche, oder ist es Staub auf der Oberfläche?"

    Dazu wird das Radio Science Instrument zum Einsatz kommen, das die eigenen Funksignale der Sonde nutzt. Deren Frequenz, Stärke und Phase verändern sich, wenn sie Gase passieren oder gravitativen Einflüssen unterliegen. Dazu werden die Funksignale von Rosetta auf den Kometen gerichtet, von diesem reflektiert und auf der Erde empfangen.

    "Wir versuchen, mit dem Radio Science Experiment etwas herauszufinden über die Dichte dieses Asteroiden. Das ist also ein schöner Strauß von Messungen, die wir da machen werden."

    Gerhard Schwehm, der Rosetta-Missions-Manager. Schließlich soll die Sonde während ihres Vorbeifluges auch die bisherigen Vermutungen der Astronomen über den Asteroiden bestätigen und verfeinern. Denn da Lutetia ein sehr kleines Objekt am Sternenhimmel ist, daher wenig Sonnenlicht reflektiert und schon gar nicht selbst strahlt, ist weder die genaue Größe noch die exakte Umlaufbahn dieses Objekts bekannt. Schwehm:

    "Wir wollen auch sehen, ob die Klassifikation der Asteroiden, die wir von der Erde aus bestimmt haben mit unseren Teleskopen, ob die auch so stimmt. Wir lernen sehr viel mehr über die Oberflächenzusammensetzung, wenn man nahe vorbeifliegt, weil wir natürlich eine größere Auflösung erhalten."

    Die ersten Ergebnisse dieses Vorbeifluges will die Esa bereits morgen Abend veröffentlichen. Dann ist Rosetta schon unterwegs zum Hauptziel ihrer Mission, dem Kometen Tschurimow-Gerasimenko. Dort soll sie 2014 ankommen, in eine Umlaufbahn um ihn eintreten und einen Lander absetzen.