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Metabarcoding soll ökologische Studien vereinfachen

Um die Artenvielfalt in einer Region zu erfassen, bestimmen Biologen Hunderte von Pflanzen- oder Insektenarten anhand ihres Aussehens. In Zukunft könnte das viel einfacher gehen. Forscher haben Verfahren entwickelt, Biodiversitätsanalysen auf Basis von DNA-Spuren durchzuführen. Studien zeigen, dass die Ergebnisse mit denen klassischer Erhebungsmethoden vergleichbar sind.

Von Lucian Haas |
    Wenn Douglas Yu die Artenvielfalt als Spiegel für den Zustand eines Ökosystems studieren will, braucht er kein taxonomisches Expertenwissen. Er muss nicht 1000 Nachtfalterarten anhand ihrer Flügelformen oder Fühleransätze unterscheiden können. Der Biologe von der University of East Anglia im britischen Norwich untersucht einfach ihre Gene:

    "Wir gehen an einen Ort und nehmen so viel Probenmaterial, wie wir kriegen können. Dann isolieren wir daraus die DNA und schicken sie zum Sequenzierautomaten. Man kann eine ganze Menge über die Umwelt herausfinden, indem man einfach nur die darin vorhandene DNA analysiert."

    Barcoding nennt sich das Verfahren, mit dem sich Tier- oder Pflanzenarten anhand charakteristischer Abschnitte ihrer Erbsubstanz DNA eindeutig identifizieren lassen. Der Vergleich mit Gendatenbanken zeigt, um welche Art es sich handelt.

    Douglas Yu erforscht Einsatzmöglichkeiten dieser Technik im großen Stil. Wenn er zum Beispiel Tausende Nachtfalter in Lichtfallen gefangen hat, betrachtet er nicht mehr jedes Tier einzeln. Er mixt und püriert im Labor einfach alle Exemplare zu einer Art Insektensuppe. Anhand der daraus isolierten DNA kann er immer noch erkennen, welche Arten ursprünglich enthalten waren. Douglas Yu nennt diese Technik Metabarcoding. Er sieht darin großes Potenzial für ökologische Studien:

    "Man braucht nur noch Standardgenlabors, um zu ermitteln, ob sich die Natur in einem ökologisch guten oder schlechten Zustand befindet. Ein Labor schafft dabei so viel wie drei Expertengruppen und ist viermal so schnell. Und es ist auch noch billiger, denn man muss ja keine Fachleute mehr für die Arbeit anstellen."

    Es stellt sich allerdings die Frage, ob die Metabarcoding-Daten tatsächlich vergleichbare Rückschlüsse erlauben wie klassische Biodiversitätsstudien. Um das zu prüfen, machte Douglas Yu einen Test. Er fand Forscherkollegen, die bereit waren, ihre Sammlungen aus biologischen Feldstudien auch mit Metabarcoding-Methoden analysieren zu lassen, um die Ergebnisse mit Auswertungen von Taxonomieexperten als Referenz vergleichen zu können:

    "Wir nahmen also die gleichen Proben, isolierten die DNA und sequenzierten sie. Das haben wir dreimal gemacht: einmal in Großbritannien, einmal in China und einmal in Borneo. Und jedes Mal kamen wir zu vergleichbaren Ergebnissen. Das Metabarcoding ist also sehr zuverlässig."

    Douglas Yu glaubt, dass das Metabarcoding in Zukunft ökologische Studien vereinfachen könnte. Durch regelmäßige, standardisierte DNA-Sammlungen ließe sich zum Beispiel leichter nachprüfen, ob bestimmte Umweltschutzmaßnahmen mit der Zeit tatsächlich wie erhofft die Artenvielfalt in einer Untersuchungsregion erhöhen. Das gleiche Verfahren eröffnet aber auch noch weitere, bisher nicht vorhandene Möglichkeiten für den Naturschutz.

    "Man kann Tiere und Pflanzen finden, die man normalerweise gar nicht zu Gesicht bekommt. Derzeit arbeiten wir mit dem WWF zusammen und sammeln im Dschungel von Vietnam und Laos Tausende von Blutegeln. So versuchen wir, extrem seltene Säugetiere aufzuspüren."

    Blutegel saugen das Blut von Säugetieren und behalten es wochenlang in ihrem Körper. Darum lässt sich in den Blutegeln auch die DNA all jener Tiere finden, an die sich die Egel einmal hefteten. In Vietnam will Douglas Yu auf diese Weise ermitteln, in welchen Regionen noch die seltene und extrem scheue Waldantilope Saola vorkommt.

    Dänische Forscher feierten mit der gleichen Methode schon Erfolge. Sie konnten anhand von DNA aus Blutegeln nachweisen, dass eine erst im Jahr 2000 in Laos entdeckte seltene Kaninchenart, das Annamitische Streifenkaninchen, auch in den Wäldern Vietnams lebt. Douglas Yu:

    "Fünfeinhalb Jahre lang haben sie versucht, das Streifenkaninchen mit Kamerafallen zu finden, sind aber gescheitert. In 25 Blutegeln aus der Region wurden sie dann fündig."