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Metall-Tarife
Wer zahlt die Weiterbildung?

Berufliche Weiterbildung ist in Zeiten des Fachkräftemangels wichtig. Aber die Arbeitgeber können nicht jede Form der Weiterbildung zahlen, meint Hagen Lesch vom Institut der Deutschen Wirtschaft. Deshalb sehe der neue Metall-Tarifvertrag zwar Arbeitszeitkonten für Bildungsteilzeit vor, aber keine generellen Arbeitgeber-Zuschüsse.

Hagen Lesch im Gespräch mit Markus Dichmann | 24.02.2015
    Thai Minh Nguyen aus Vietnam bearbeitet in der Metallwerkstatt des Bildungswerks der Sächsischen Wirtschaft ein Metallteil.
    Weiterbildung ist Bestandteil des neuen Metalltarifvertrags in Baden-Württemberg (picture alliance / dpa / Hendrik Schmidt)
    Markus Dichmann: 3,4 saftige Prozent mehr verdienen seit der Tarifeinigung heute Nacht die Metaller in Baden-Württemberg, und das ging ja auch schon intensiv hier bei uns durchs Programm. Für das Ganze gab es in den Verhandlungen allerdings ein Bauernopfer, nämlich das lebenslange Lernen. Die IG Metall hatte sich eigentlich ursprünglich für ein Modell der Weiterbildungsteilzeit stark gemacht, nach dem jeder Arbeitnehmer, der eine Weiterbildung machen möchte, dafür für eine gewisse Zeit bezuschusst werden sollte. Stattdessen bleibt dergleichen aus. Wenn Sie also in Baden-Württemberg leben, haben Sie keinen Anspruch auf eine Finanzspritze für Ihre Weiterbildung. Vertane Chance, könnte man meinen in dieser ja nun viel beschworenen Zeit des Fachkräftemangels, und das wollen wir diskutieren mit Hagen Lesch vom arbeitgebernahen Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln. Herr Lesch, ist es das – eine vertane Chance?
    Hagen Lesch: Nein, das ist keine vertane Chance, weil wir müssen ja schon trennen zwischen betrieblich notwendigen Weiterbildungsmaßnahmen und der persönlichen Weiterbildung. Wenn ein Arbeitnehmer betriebliche notwendige Fertigkeiten lernen muss, ist es selbstverständlich, dass das Unternehmen ihn entsprechend qualifiziert und auch die Kosten dafür übernimmt. Das ist schon in Tarifverträgen geregelt in der Metallindustrie Baden-Württembergs, und das bleibt auch zukünftig so geregelt. Es ist aber etwas anderes, ob ein Arbeitnehmer für sich nun Weiterbildungsansprüche geltend macht, also das aufbauende Studium, weil ja ex ante, also im Vorhinein, ja erst mal gar nicht sicher ist, ob das auch dem Betrieb zugutekommt, oder ob es nicht nur dem Arbeitnehmer zugutekommt, der dann später in einen anderen Betrieb wechselt, der ihm dieses Studium gar nicht finanziert hat.
    Bildungszeit ansparen durch Mehrarbeit
    Dichmann: Wenn man zum Beispiel an ein Studium denkt, mehrere Jahre an der Hochschule. Gehen wir mal davon aus, dass der Arbeitgeber dafür zwar sein Okay gibt, aber keine finanzielle Hilfe geben will, dann droht einem Arbeitnehmer ja schon der finanzielle Kollaps. Ich meine, wie soll er das aus dem laufenden Alltag heraus finanzieren?
    Lesch: Hier gehen die Tarifparteien in der Metallindustrie neue Wege, und das ist auch das, was eigentlich doch positiv stimmen sollte. Denn dieses Modell, was Sie angesprochen haben, ist ja explizit jetzt auch von den Tarifparteien aufgenommen worden. Man hat beispielsweise in dem Tarifvertrag zur Qualifizierung in Baden-Württemberg extra den Anspruch auf eine Bildungsteilzeit verlängert von vier auf sieben Jahre, sodass man also zeitlich auch in der Lage wäre, ein solches Studium eben zu absolvieren. Außerdem gibt es auch die Möglichkeit, dass der Arbeitnehmer es selber anspart für diese Teilzeitphase, beziehungsweise das wäre dann ja eine Blockphase, in der er möglicherweise sogar ganz ausscheidet. Es gibt zum einen eine Möglichkeit, dass der Arbeitgeber bezuschusst, das ist eine komplizierte Regelung, das hängt ein bisschen auch mit der Altersteilzeitförderung zusammen in Baden-Württemberg. Und es gibt eben die zweite Möglichkeit, dass der Arbeitnehmer vorher sozusagen mehr arbeitet, es anspart auf einem Konto und das dann nachhaltig sozusagen entnimmt, sodass also eine Grundfinanzierung während eines solchen Studiums durchaus gewährleistet wäre. Wir haben ein anderes Modell beispielsweise in Nordrhein-Westfalen, das unterscheidet sich ein bisschen von dem Baden-Württemberger – da wird ebenfalls ein Bildungskonto vorgeschlagen, das heißt, der Arbeitnehmer soll ein Bildungskonto anlegen, von dem er dann auch seine Weiterbildung – seine persönliche, muss man ja hier sagen –, finanzieren kann. Denn die betriebliche wir nach wie vor durch den Arbeitgeber getragen, und die normale Arbeitszeit, die bringt der Arbeitnehmer ein. Das ist aber auch normale Arbeitszeit, die muss er nicht irgendwie ansparen, sondern die wird ganz normal eingesetzt.
    Betriebe könne nicht jede Fortbildung bezahlen
    Dichmann: Aber Herr Lesch, müssen die Arbeitgeber nicht darüber hinaus ein noch größeres Interesse zeigen, ihre Angestellten weiterzubilden und dafür zum Beispiel auch Zuschüsse anbieten?
    Lesch: Natürlich besteht das Interesse. Wir haben Fachkräftemangel, das ist klar. Wir müssen aber unterscheiden zwischen den Anforderungen, die die Betriebe haben – die Betriebe müssen wettbewerbsfähig und innovationsfähig bleiben. Auf der anderen Seite brauchen wir Arbeitnehmer, die eben lebenslang lernen und auch ihre Qualifikation behalten und ständig erneuern. Und da muss man halt die Interessen austarieren. Allgemeine persönliche Qualifizierung des Arbeitnehmers, die jetzt nicht speziell einem Betrieb zugutekommt, die muss aus meiner Sicht nicht von einem Betrieb finanziert werden. Das ist ja, wenn ich als normaler Facharbeiter ein Studium anschließen würde, dann ist das ja etwas, was mir zunächst mal zugutekommt, möglicherweise unabhängig vom Bedarf des Betriebes. Und das sehe ich nicht ein, dass das jetzt unbedingt der Betrieb für mich zahlen soll. Weil der Betrieb weiß ja von vornherein nicht, brauche ich das speziell jetzt für mich oder ist das etwas, was der Arbeitnehmer mitnimmt und möglicherweise in einem anderen Betrieb nachher verwendet.
    Tarifgebiet Baden-Württemberg geht voran
    Dichmann: Der Tarifvertrag in Baden-Württemberg, Herr Lesch, der sollte ja nun ein sogenannter Pilotvertrag werden, also als Vorlage dienen für andere Regionen in Deutschland, in denen erst noch verhandelt werden muss. Das wird ja aber genau in diesem Aspekt nun, im Bereich der Weiterbildung, nicht, soll er nicht sein. Wo kann und wird die Reise denn in anderen Regionen in Deutschland hingehen?
    Lesch: Wir haben jetzt einen Tarifvertrag für Baden-Württemberg. Das liegt daran, dass Baden-Württemberg schon einen Qualifizierungstarifvertrag hatte, der schon einen Anspruch auf Qualifizierung beinhaltete. Das gab es in den anderen Bundesländern nicht. Wir haben aber auch mittlerweile eine laufende Tarifverhandlung heute in Nordrhein-Westfalen, und ein Ergebnis, das einen eigenen Weg vorgeht, aber wichtige Grundelemente auch des Baden-Württemberger Tarifvertrags übernimmt. Und was wir auch haben in Nordrhein-Westfalen, das ist eben dieses Bildungskonto, und auch dort gibt es jetzt Regelungen innerhalb dieses NRW-Pilottarifvertrages, wie man ein solches Bildungskonto anspart, und die Möglichkeit eben dann auch, dieses Bildungskonto dann abzufeiern, indem man diese Weiterbildung macht.
    Dichmann: Danke, Hagen Lesch vom Institut der Deutschen Wirtschaft. Wir sprachen mit ihm über die Tarifeinigung der Metallbranche in Baden-Württemberg und über den Stellenwert der Weiterbildung in diesem Mega-Deal. Danke, Herr Lesch!
    Lesch: Gern, Herr Dichmann!