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Metalle auf dem Meeresboden

An die Förderung von Erdöl aus dem Meeresboden haben wir uns schon lange gewöhnt. Seit die Preise für Metalle immer wieder neue Höchststände erreichen, interessiert sich die Rohstoffwirtschaft auch wieder dafür, Manganknollen aus dem Meer zu holen. Umweltverbände runzeln die Stirn. Sie befürchten großflächige Schäden für die Tierwelt.

Von Alexander Morhart |
    Wie Kartoffeln liegen die Manganknollen im weichen Tiefseesediment. In den schwarzbraunen Knollen rund 5000 Meter unter der Meeresoberfläche befinden sich neben Mangan unter anderem auch Nickel und Kobalt. Mit diesen beiden Metallen kann man zum Beispiel Stahl rostfrei und härter machen. Und auch das für die Energietechnik sehr wichtige Kupfer steckt in den Knollen.

    Deshalb will das Bundeswirtschaftsministerium den Meeresboden im nordöstlichen Pazifik auf einer Fläche so groß wie Bayern in den kommenden 15 Jahren auf seine Eignung für den Tiefseebergbau hin erforschen lassen. Im Auftrag des Ministeriums kaufte deswegen die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe eine Genehmigung von der Internationalen Meeresbodenbehörde der Vereinten Nationen. Allerdings hat dieses Vorhaben den Umweltverband WWF auf den Plan gerufen. Nach Jörn Ehlers vom WWF gibt es in der dunklen Tiefe eine große Vielfalt an Leben:

    " Es gibt dort Schwämme, Seeanemonen - es kommen aber sicherlich auch mal Fische. Also es ist keineswegs eine öde, dunkle Wüste dort unten, obwohl es natürlich keine Pflanzen gibt, weil dort eben kein Licht ist. Aber man schätzt dort eine Artenvielfalt zwischen 500000 und zehn Millionen verschiedenen Arten. Die meisten kennt man noch gar nicht."

    Die Naturschützer sehen diese Tierwelt im und am Meeresboden durch einen Tiefseebergbau in Gefahr. Dabei erlaubt die Lizenz 15 Jahre lang nur zu forschen. Aber auch wenn eine Firma in den darauffolgenden Jahren wirklich eine Abbaulizenz erwerben würde: Dr. Michael Wiedicke von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe erwartet allenfalls begrenzte Schäden. Er verweist auf Erfahrungen seiner Kollegen aus Frankreich.

    " Bei dem französischen Gebiet hat man zum Beispiel festgestellt, dass sowieso 70 bis 75 Prozent der Fläche überhaupt nicht angetastet werden, und dass sich die Abbaugebiete da fleckenhaft reinverteilen - weil man eben eine bestimmte Belegungsdichte benötigt; weil man gleichzeitig auch - also man kann nicht an steileren Hängen operieren, das ist zu problematisch - so dass man darüber auch eine relativ günstige Situation bekommt für eine Wiederbesiedelung der Flächen, die vielleicht von den Problemen des Abbaus betroffen worden sind."

    "Wiederbesiedelung" heißt: Sogar auf den Tiefseeböden, die von den Sammelmaschinen aufgewühlt worden sind, kann sich die Tierwelt zum Teil erholen. Die Tiere besiedeln von den unberührten Flächen her im Lauf der Jahre auch die geschädigten Bereiche wieder - außer den Arten, die auf die Manganknollen selbst spezialisiert sind. Das hat ein Zehn-Jahres-Experiment der Hamburger Universität unter Leitung von Professor Hjalmar Thiel im Südostpazifik gezeigt, das das Bundesforschungsministerium in den 1990er Jahren finanzierte. Der emeritierte Geologieprofessor Peter Halbach von der Freien Universität Berlin fasst die Forschung seiner Kollegen so zusammen:

    " Die haben also so ein Riesengebiet von mehreren Quadratseemeilen einfach mit einem Tiefseepflug umgedreht und haben danach immer gekuckt, was passiert ist. Klar: Zuerst mal war die Fauna dort unten gestört. Aber nach mehreren Jahren stellte man fest, dass also dort mehr Tiere waren als vorher. Das heißt: Die Bio-Besiedlung hatte zugenommen, aber die Artenvielfalt hatte abgenommen."

    Sorgen bereitete Biologen außerdem zu Anfang, dass der oben im Transportschiff von den Knollen abgelöste Sedimentschlamm einfach über Bord gepumpt werden könnte. Dadurch würden der Lichteinfall und der Nährstoffhaushalt für die im Wasser schwebenden pflanzlichen Lebewesen verändert. Um solche Störungen zu verhindern, empfehlen die Biologen, das Restmaterial mit Rohren in mindestens 1000 Meter Tiefe zurückzupumpen. Doch abseits solcher Überlegungen von Wissenschaftlern droht den Tieren in der Tiefe Gefahr aus einem Land, das die Seerechtsvereinbarung der Vereinten Nationen bisher überhaupt nicht in Kraft gesetzt hat: aus den Vereinigten Staaten. Während die Europäer noch forschen, könnten US-Firmen außerhalb der Lizenzgebiete ohne Rücksicht auf Ökologie und Artenschutz bereits Manganknollen abbauen.