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Mexiko
"Schnapsbrennen ist härter als Kampfsporttraining"

Vor Kurzem noch als Satans-Getränk, Alkoholikerfusel und Indio-Feuerwasser verschrien, gehört der mexikanische Schnaps Meskal zu den am mühseligsten hergestellten Alkohol-Arten der Welt. Die unter anderem aus Agavenherzen hergestellte Spirituose steht zugleich im Ruf, besonders zu beseelen.

Von Stephan Wimmer | 16.03.2014
    Die Brennerei Real Minero in Santa Catarina Minas (Oaxaca) hallt von Machetenschlägen: Im Hof zerhackt Eduardo, der jüngste der Ángeles-Familie, mit ein paar Dorfburschen fluchend sieben Tonnen Agavenherzen. Sie müssen dazu kiloschwere Spezial-Macheten hernehmen – die Agavenherzen sind so hart, dass selbst Motorsägen in ihnen stecken bleiben. Da das Harz die Haut verätzt, tragen alle langärmelige Sweatshirts, bei erbarmungsloser Hitze. Die Schufterei geht sechs Stunden lang, Eduardo deutet auf seine Gesellen:
    "Alle, die hier arbeiten, sehen nicht sehr muskulös aus, aber sie haben sehr harte Hände. Du darfst dich von ihren schmächtigen Körpern nicht täuschen lassen – wenn sie dir ins Gesicht schlagen, platzt sofort deine Haut auf. Denn Meskal-Brennen ist härter als Kampfsporttraining. Einer aus Europa kam mal hierher zum Arbeiten, er war groß und Bodybuilder. Zuerst hat er daran gezweifelt, dass unsere Arbeiter überhaupt durchhalten, aber als wir mit dem Zerkleinern anfingen, hat er innerhalb kürzester Zeit geblutet, war aufgeschürft und konnte nicht mehr. Es gibt nur wenige, die diese Knochenarbeit länger als ein paar Stunden aushalten."
    Der Schnaps Meskal, an dem die Gruppe hier wie ein Strafbataillon arbeitet, ist mit Sicherheit der am mühseligsten hergestellte Alkohol der Welt – und zugleich die beste Spirituose, die es zur Zeit für Geld zu kaufen gibt. Kein anderer Brand besitzt ein so komplexes Spektrum von Aromen, kein anderer Brand ist so stark mit Handwerkskunst verbunden. Vor Kurzem war Meskal noch als Satans-Getränk, Alkoholikerfusel und Indio-Feuerwasser verschrien – querköpfigen Brennereien wie "Real Minero"ist es zu verdanken, dass der Schnaps nun auch die nobelsten Cocktailbars Deutschlands erobert. Auf einem Hügel über der Brennerei erläutert Eduardo – Lalos älterer Bruder – die Philosophie des Familienbetriebs:
    "Trotz der Tatsache, dass Santa Catarina ein sehr armes Dorf ist, sind die Menschen hier Dickschädel, die immer die Tradition hochgehalten haben. Dadurch blieben die Regeln der Meskalherstellung über Jahrhunderte hinweg unverändert. Die Grundpfeiler bei handwerklichem Meskal sind: Er muss aus Agaven hergestellt sein. Die Agaven müssen in einem Erdofen gegart werden. Der Schnaps muss in einer Lehm-Destille gebrannt werden. Und die Vergärung muss ohne Zusatz von Hefe geschehen, auf natürliche Weise. Von Generation zu Generation wurde das so weitergegeben, obwohl die Prozedur unglaublich arbeitsaufwenig ist. Und deswegen bin ich sehr dankbar, meinem Papa gegenüber und meinen Vorvätern. Denn dieser Querköpfigkeit verdanken wir alles, sie ist eine Art von kulturellem Widerstand. Trotz der Tatsache, dass es sich finanziell nie gelohnt hat, wurde an den alten Bräuche festgehalten, und gut festgehalten."
    Universum an Bräuchen
    Die alten Bräuche sie sind ein Universum für sich, wenn man sich als Laie mit Meskal beschäftigt, und es braucht Jahrzehnte, um in seine Geheimnisse einzutauchen. Eduardo nennt ein paar Dinge, auf die es beim Brennen ankommt:
    "Alles hängt von uns Brennern ab – wir sind wie Köche, die Kreationen schaffen. Zunächst einmal müssen wir die perfekten Agaven finden, bezüglich Spezies, Größe und Alter. Dann müssen wir den richtigen Zeitpunkt bestimmen, an dem wir sie ernten. Dabei spielen verschiedene Naturphänomene eine Rolle: Die Temperatur, der Wind, der Sonnenstand und die Mondphase – der Meskal ist sehr beeinflusst von der Mondphase. Und wenn die Agave einmal geerntet ist, dürfen nicht allzu viele Tage verstreichen, um sie im Erdofen zu kochen, höchstens ein paar. Noch wichtiger aber ist der Zeitpunkt des Brennens. Unser Geschmackssinn sagt uns, beim Riechen an der Maische: "Jetzt, genau jetzt muss es losgehen!" Das kann um drei Uhr nachts sein, oder mitten in der Geburtstagsfeier deines Taufpaten. Das alles zählt dann nicht, du musst alles liegen und stehen lassen und so schnell wie möglich die Destille anwerfen. Wenn du Meskal brennst, muss dir alles andere gleichgültig sein, dann musst du dich von der Welt völlig entkoppeln."
    Für diese Entkoppelung macht Eduardo täglich die Einkäufe, er streift durch die Hügel der Gegend, wählt die verschiedenen Agaven aus, um den nächsten Brand zu komponieren, und vereinbart dazu Preise mit den Besitzern. Wenn dann der Tag der Ernte, des Kochens und des Brennens kommt, muss jeder seiner zehnköpfigen Familie bei der Arbeit mithelfen. Das Kollektiv-System zeigt sich am besten beim Erdofen, der einmal pro Woche angeworfen wird – und der den Meskal von jedem anderen Schnaps dieser Erde unterscheidet. Es handelt sich beim Erdofen um einen breiten, drei Meter tiefen Trichter im Hof der Brennerei. Zuerst wird der Trichter mit Feuerholz ausgekleidet, dann kommt eine Schicht Lava-Steine darauf. Das Holz wird entfacht, die Lava-Steine beginnen zu glühen, und die Männer schichten nun die halbierten Agavenherzen auf die Steine. Schichten ist das falsche Wort, es ist ein Hineintrampeln, Draufprügeln und Verkeilen, das an Tiefbau erinnert. Das Familienoberhaupt Don Lorenzo, der Patriarch der Ángeles-Familie, gibt einen Überblick über den Vorgang:
    "Die Steine haben jetzt bald Rotglut, deswegen müssen wir mit dem Feuer aufpassen, dass die Flammen nicht unkontrolliert hochsteigen und die Agavenherzen verbrennen. Wir müssen die verschiedenen Schichten Agaven so verkeilen, dass keine Luft in den Ofen dringt. Und dann ist auch noch wichtig, dass wir die Lava-Steine vorher inspizieren. Wenn es neue Steine sind, kann es nämlich passieren, dass sie in der Hitze explodieren und dir wie Schrapnelle um die Ohren fliegen."
    Sieben Tonnen Agavenherzen köcheln drei Tage im Erdofen vor sich hin
    Nach zwei Stunden ist es geschafft: Sieben Tonnen Agavenherzen sind im Erdofen verkantet, sie werden jetzt mit Erde zugeschaufelt und köcheln die nächsten drei Tage vor sich hin. Zum Abschluss rammt das Familienoberhaupt Don Lorenzo zusammen mit seinem Sohn Lalo ein geweihtes Kreuz in den Erdhaufen es dient dem Schutz des Kochguts:
    "Wir treiben das Kreuz in den Haufen, damit der Teufel nicht hineinfährt und dort seine Macht ausübt. Denn dann könnte der Erdofen wild zu lodern beginnen oder ganz einfach erlöschen. Es ist sozusagen die Empfehlung Gottes, dass wir dem Teufel mit dem Kreuz Einhalt gebieten."
    Und Don Lorenzo ist fast ein wenig verlegen, als er erklärt:
    "Das mit dem Kreuz, das war schon immer so. Seit ich mich erinnern kann, wird das so gemacht. Sie sagen, es schützt den Ofen. Früher haben wir unter freiem Himmel gebrannt, mit vollem Blickkontakt auf die Straße, da konnte jeder kommen und ... – schlechten Einfluss ausüben. Jetzt ist das nicht mehr so, jetzt haben wir eine Mauer um die Brennerei gebaut. In andere Brennereien dürfen nicht einmal Frauen rein, vor allem dann, wenn sie schwanger sind! Das ist am allerschlimmsten für den Ofen! Aber bei uns ist das nicht so, bei uns reicht das Kreuz ... Wir wissen, dass wir alles mit gutem Stein und gutem Brennholz gemacht haben, und deswegen gelingt der Brand."
    Kohenhydratketten spalten ohne teuflischen oder weiblichen Einfluss
    Ohne teuflischen oder weiblichen Einfluss köcheln die Agavenherzen nun vor sich hin, drei Tage lang, bis ihre Kohlenhydratketten gespalten sind. Dann buddeln die Männer die Herzen wieder aus – sie sind nun karamellfarben und weich und duften nach Rauch und Fruchtzucker. Nächste Station: Die Häckselmaschine, wo sie zerkleinert werden, und schließlich die Maischbottiche aus Holz. Bei den Maischbottichen scheint der weibliche Einfluss nicht mehr so gefährlich zu sein, denn hier wacht Graciela, Eduardos und Lalos Schwester. Graciela inspiziert täglich den Inhalt: den Agaven-Most mit seiner schwimmenden Schicht aus Fibern. Durch wilde Hefen hat sich die Maische inzwischen auf etwa 12 Prozent hochgegärt, Graciela taucht eine riesige Schilf-Pipette in den Tank:
    "Für die Meskalherstellung muss man alle Sinne gebrauchen: Wir riechen, wir horchen an den Holzbottichen, wir untersuchen die Maische und verkosten sie mit der Pipette. Es kommt darauf an, genau den richtigen Zeitpunkt zum Brennen herauszufinden. Jetzt hat die Maische etwa zwölf Prozent Alkohol, am Sonntag wird sie fertig sein. Und was die Insekten betrifft, die oben herumschwimmen: nicht so schlimm. Alles, was in der Maische ist, stirbt beim Brennen ab."
    Die Tage bis Sonntag wacht außer Graciela noch eine andere Instanz über die Maische: der "Niño Palenquero", das schutzbefohlene Jesuskind, eine Puppe in einer Vitrine. Mit seinem Samtumhang und dem starren, geheimnisvollen Blick verströmt er fast einen Hauch von heidnischen Gottheiten. Und die hatten – wie Graciela bekräftigt – bei der Erfindung des Meskals gewaltig ihre Hand im Spiel.
    "In Oaxaca heißen die Meskal-Brennereien "Palenques", aber historisch kommt das Wort aus einem anderen Zusammenhang: In der Kolonialzeit wurden mit "Palenques" die Geheim-Zusammenkünfte der schwarzen und indianischen Sklaven bezeichnet, die von den Minen und Haciendas in die Berge und ins wilde Hinterland geflohen waren. "Cimarrones" nannte man diese entlaufenen Sklaven. Und dort, bei diesen rituellen Geheim-Zusammenkünften der Sklaven, wurde der erste Meskal gebrannt. Man kann das durchaus mit heutigen Marihuana-Pflanzungen vergleichen, und zu diesen illegalen Zentren der Meskalherstellung hatte niemand Zugang hatte außer dem Hersteller, seinen Freunden und ein paar Eingeweihten."
    Erste Schnapsbrennereien in Geheimverstecken
    Aus den Geheimverstecken entlaufener Sklaven gingen also die ersten Brennereien hervor, und insofern ist es kein Wunder, dass die spanische Kolonialverwaltung mit aller Gewalt gegen die Schnapsproduktion der Indianer in Mexiko vorging. Zahllos sind die Brandbriefe der Behörden, in denen sich über den Alkoholkonsum der Ausgebeuteten beschwert wird, und die Angst vor Aufständen wuchs mit jedem Liter Meskal, der illegal unters Volk gebracht wurde:
    "Ein Indio trinkt soviel wie zwanzig Spanier, und jeder Bewohner in Talistaca gibt nicht Ruh, bis er nicht völlig besinnungslos herumtaumelt."
    "Man muss stark aufpassen, dass kein Alkohol nach Coatlán kommt, denn die Indios sind extreme Freunde des Alkohols und vergeuden ihr ganzes Geld für Besäufnisse – egal, wie hoch der Preis ist."
    Hunderte Agave-Würmer für den Mescal
    Hunderte Agave-Würmer für den Mescal (AP Archiv)
    "In Ixtepeji trinken sie nächtelang Meskal mit einer gewissen Wurzel, und darüber geraten sie so aus dem Häuschen, dass sie sich völlig der Sünde hingeben – so roh, pflichtvergessen und verständnislos, wie sie sind."
    "Dieser Meskal, den sie da trinken, ist der Ursprung für alle Arten von Exzessen, Räubereien, Sakrilegen, Morden, Händeln, inzestuösen Freveln und anderen Verbrechen."
    Die Indios sind beim Trinken so hemmungslos, dass sie sogar mit ihren Vätern und Müttern ins Bett gehen – betrunken torkeln sie nachts nach Hause und schlafen mit der erstbesten Person.
    So zumindest stellten es sich die Verwalter und Sklaventreiber vor, und im Jahre 1778 fällte der Hof in Madrid ein dementsprechendes Urteil:
    "Ihre königliche Hoheit verbietet aufs Äußerste unter Androhung der Exkommunizierung und anderer Strafen, dass in Neuspanien Umtrünke mit Meskal stattfinden. Auch die Versuche, Meskal zu legalisieren, erscheinen uns sündhaft, menschenunwürdig und gegen die Interessen des Staatswohls. Man möge über solches Ansinnen auf immer schweigen."
    Drakonische Strafen für Schnapsbrenner
    Die Strafen für die Brenner waren drakonisch: 200 Stockhiebe, 6 Jahre Galeere und Verlust sämtlicher Güter – wenn man Indianer war, spanischstämmige Hersteller kamen etwas günstiger davon. Doch die Strafen schrecken weder Hersteller noch Konsumenten – die Drohung mit der Exkommunizierung bewirkte beispielsweise, dass die Indianer beim illegalen Kauf einer Flasche Meskal nun sagten:
    "Geben Sie mir doch bitte eine Flasche Exkommunizierung!"
    Dass die Tradition trotz aller Strafen nicht in Vergessenheit geraten ist, das ist das Verdienst der maestros Meskaleros – der geheimen Brennmeister: Männer wie der 68-jährige Don Pedro Arrellanes, der von der Ángeles-Familie kontaktiert wird, um jetzt die Destillation zu leiten. Don Pedro Arrellanes, ein drahtiges, zahnloses Männlein, steht in der Stille der Brennhalle und bedient die prähistorische Destille aus Lehm, aus der ein dünnes Rinnsal Meskal läuft. Er sagt:
    "Ich kann mich gar nicht mehr erinnern, wie oft ich in meinem Leben Meskal gebrannt habe, fünfzig Jahre habe ich damit meinen Lebensunterhalt verdient, abgesehen vom Maisanbau, Mais, Kürbis, Bohnen. Ich kann nur sagen: Der Meskal hier im Dorf ist besser als jeder andere, eine Kupfer-Destille brauchen wir nicht, eine Kupfer-Destille mögen wir nicht. Die Meskals mit Kupfer-Destille machen Kopfweh und hinterlassen einen schrecklichen Geschmack im Mund. Der Geschmack mit einer Lehm-Destille ist viel besser, und dann nehmen wir die besten Agavensorten, zum Beispiel Maguey largo – sehr gut! Maguey tripón – ist auch sehr gut! Tobalá – fantastisch! Ruqueño – fantastisch, fantastisch! Und erst Maguey barril – ein Gedicht, ein Gedicht!"
    Verzückt von seinen eigenen Kreation, verkostet Don Pedro jetzt mit seinem Gevatter und Auftraggeber Don Lorenzo die Resultate des heutigen Brands. Beide sind mehr als zufrieden: Destilliert wurde ein Mischung aus Espadín-, Largo- und Sierrudo-Agaven – und das Ergebnis kann sich sehen lassen: Es hat eine komplexe Note nach Rauch, Salz, Erde, Edelhölzern, Mandarine, Kupfer und Pampelmuse. Solche unfassbar arbeitsaufwendige Kunst hat natürlich ihren Preis: Zwischen 40 und 150 Euro kosten in Deutschland derzeit Meskals solcher Qualität – in Mexiko sind sie nicht viel billiger.
    Ganz offen spricht Don Lorenzo auch über das Thema, wie er als Familienoberhaupt zum Meskalbrennen gekommen ist, damals vor 40 Jahren:
    "Das Meskalbrennen, das hat mich früher immer abgeschreckt. Ehrlich gesagt: Es hat mir nie gefallen, weil ich musste als Kind immer meinem Vater dabei helfen, und das war sehr anstrengend, das war Zwang. Doch dann kam irgendwann mein Cousin zu Besuch, und wir hatten ein großes Festessen und wollten Meskal trinken, und im ganzen Dorf war kein Meskal nach unserem Geschmack aufzutreiben. Also schlug mein Cousin vor: "Gevatter, wir ziehen selbst eine palenque auf – einfach, um was zu saufen zu haben! Und ich sagte: "Zur Hölle! Ja, das machen wir!" Dann haben wir einen Taufpaten gefragt, ob er uns ein Grundstück am Bach leiht, und der Taufpate war sofort mit Begeisterung dabei."
    Don Lorenzo wurde selbst sein bester Kunde
    Don Lorenzo mietete sich also ein Grundstück am Bach und begann mit dem Brennen – was zur Folge hatte, dass die Qualität seines Meskals bald im ganzen Dorf berühmt war – und er innerhalb von ein paar Jahren zu seinem besten Kunden wurde:
    "Ich bin niemals hingefallen und habe auch immer arbeiten können. aber sicher, ich war Vollalkoholiker. Am Morgen um fünf Uhr früh trank ich das erste große Wasserglas Meskal, allerdings nur immer meinen eigenen, einen anderen hab ich nie angerührt. Dann kam am Vormittag das zweite Glas, beim Mittagessen das dritte und vierte, dann eins, um bei der Feldarbeit ein wenig zu rasten – ich hab ja jeden Tag 12 Stunden gearbeitet, und am Abend gings richtig los. So kam ich auf ein Tagespensum von einem Liter Meskal. Mein Sohn und meine Tochter meinten schließlich: "Vater, wir helfen mit bei Ihrem Geschäft, aber nur, wenn Sie das Saufen sein lassen. Wenn nicht dann nicht..." Seit diesem Zeitpunkt bin ich trocken.
    So ist Don Lorenzo seit 1991 also vollkommen trocken, doch für einen Profi wie ihn ist es auch als Abstinenzler absolut kein Hindernis, hervorragenden Meskal herzustellen: Er verkostet seine Produkte mit der Zungenspitze, der Nase oder dem Tastsinn seiner Finger. Daran kann er nicht nur auf den Grad genau den Alkoholgehalt vorhersagen, sondern auch das Aromen-Spektrum.
    So arbeiten alle Mitglieder der Ángeles-Familie also am selben Strang – einem Strang, der Genialität mit Schwerstarbeit verbindet. Über einen Importeur in Berlin sind ihre edlen Tropfen seit Kurzem auch in Deutschland erhältlich, so wie SpitzenMeskals benachbarter Brennereien wie "Pierde Almas" oder "Alipús" im kargen Bergland von Oaxaca. Denn Durst geht den Menschen nie aus. Lalo, der mit seinen Gehilfen gerade sieben Tonnen Agaven aus dem Erdofen gebuddelt hat und sie nun zu den Maischbottichen schleppt, weiß es. Er ächzt und öffnet eine Flasche Dos-Equis-Bier:
    "Jetzt nach der Arbeit sind wir total am Ende, aber befriedigt! Unsere Mission ist erfüllt! Ja, es ist schön bei uns im Dorf. Zu meinem kleinen Sohn sage ich immer: "Wenn du dich schlecht benimmst, wenn du nicht spurst, dann musst du in Zukunft Meskal brennen. Das ist deine Strafe!" Nein, kleiner Scherz. Er muss ja ohnehin das Brennen lernen, weil es wichtig ist, dass man den Traditionen folgt. Und dass man Werte und Prinzipien hat."