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Mexikos Strategie und ihre Schattenseiten

Freihandel und der Exporte, das ist seit den 90er-Jahren Mexikos Strategie. Das Land gilt inzwischen als fünftgrößter Automobilexporteur der Welt. Doch es gibt auch Schattenseiten und Mexikos Wirtschaft ist ein Zwitter: Nach innen verschlossen und undynamisch, nach außen offen und erfolgreich.

Von Martin Polansky | 03.09.2013
    Die Bänder laufen, fast alle großen Automobilkonzerne der Welt setzen auf Mexiko. General Motors, Nissan, Toyota und auch Volkswagen. Gerade erst wurde ein neues Motorenwerk eingeweiht. Bis 2016 will Audi seine erste Fabrik errichten. Vorstandschef Rupert Stadler sagt, warum die Wahl auf Mexiko gefallen ist:

    "Wir haben unterschiedlichste Standorte geprüft, hatten auch sehr viele Angebote und sind final auf Mexiko gekommen, weil die Faktorkosten sehr attraktiv sind, das heißt die Lohnkostenstrukturen. Und weil Mexiko als Staat mit über 40 Märkten Freihandelsabkommen geschlossen hat, die uns ja gerade den Export, den wir wollen, gut beflügeln."

    Freihandel und der Exporte. Seit den 90er-Jahren verfolgt Mexiko diese Strategie. Und die zeigt Erfolge. Das Land gilt inzwischen als fünftgrößter Automobilexporteur der Welt, dazu haben sich viele Elektronikkonzerne angesiedelt – immer mit Blick auf den US-Markt. Durch die Freihandelszone NAFTA können kostengünstig hergestellte Autos oder Fernseher zollfrei in die USA und nach Kanada geliefert werden.

    Allerdings: Diese Strategie hat auch manche Schattenseiten. Erstens: Mexiko ist extrem abhängig vom nordamerikanischen Markt. Rund 80 Prozent aller Exporte gehen dort hin. Wenn die US-Wirtschaft nur mäßig läuft, hat das direkte Auswirkungen. Wachstumsprognose der mexikanischen Regierung für dieses Jahr: 1,8 Prozent.

    Zweites Problem: Die Exportindustrie setzt zu sehr auf den Lohnkostenvorteil. Wer etwa bei VW in Puebla arbeitet, verdient für Landesverhältnisse zwar recht ordentlich aber deutlich weniger als der Arbeiter in Wolfsburg. Daran hat sich in Mexikos Industrie kaum etwas geändert, sagt der Wirtschaftwissenschaftler Rogelio de la O:

    "Im Wesentlichen setzt der mexikanische Arbeiter Teile zusammen. Aber es gibt wenig Fortschritte, um sich an komplizierteren Herstellungsprozessen zu beteiligen, die Ausbildung wird nur selten vertieft. Die Produktivität, der technologische Fortschritt kommt kaum voran. Deshalb kann der Arbeiter hier auch nicht mehr verdienen."

    Die Zahl der Armen ist den letzten Jahren zwar prozentual gesunken. Aber immer noch gelten gut vier von zehn Mexikanern als arm – manche sind weitgehend abgekoppelt von jeder Entwicklung.

    Auch deshalb, weil die schulische Bildung in Mexiko zum Teil katastrophal ist. Bei PISA-Vergleichen landet das Land in vielen Kategorien auf dem letzten Platz. Und: Jenseits des Exportsektors wirkt die Binnenwirtschaft nur wenig dynamisch. Hauptgrund sind die vielen Quasi-Monopole innerhalb Mexikos. Carlos Slim, einer der reichsten Männer der Welt, dominiert den Telefonmarkt. Und der staatliche Konzern PEMEX kontrolliert das Erdölgeschäft von der Förderung bis zum Verkauf. Es gibt keine anderen Tankstellen im Land als die von PEMEX.

    Die Regierung von Präsident Enrique Peña Nieto will nun private Investoren auch aus dem Ausland an der Erschließung neuer Ölfelder beteiligen:

    "Unser Energiesektor hat wegen seiner extremen Regulierung an Dynamik und Wettbewerbsfähigkeit verloren. Auch die Produktion geht zurück. Aber dank des technischen Fortschritts weltweit haben wir die Möglichkeit, neues Wachstum in Energiesektor zu schaffen."

    Die Reform ist allerdings hoch umstritten. Der verstaatlichte Erdölsektor gilt insbesondere der politischen Linken als heilige Kuh. Mexikos Wirtschaft ein merkwürdiger Zwitter: Nach innen verschlossen und undynamisch, nach außen offen und erfolgreich.

    Ein Problem scheint Mexiko allerdings überwunden zu haben. Bis in die 90er-Jahre hinein war das Land Synonym für Krisen, Inflation und Überschuldung. Inzwischen sind die gesamtwirtschaftlichen Daten ziemlich stabil. Die Staatsverschulung etwa liegt unter 40 Prozent. Ein Grund, warum Mexiko ohne Crash durch die Weltwirtschaftkrise gekommen ist.

    Die Bänder laufen, die Investoren kommen. Auch deshalb, weil Mexiko als Stabilitätsfaktor innerhalb Lateinamerikas gilt.