Ein Theaterstück, gar eine Komödie? Nein, eine dialogisch aufbereitete Geschichtslektion ohne jeden szenischen Einfall. Weil derartige Stoffe am Dilemma kranken, den historischen Kontext zum Bühnengeschehen mitliefern zu müssen, greift der Autor im Beiseitesprechen auf eine ausgestorbene Theaterkonvention zurück. Unentwegt steigen die Hauptfiguren aus ihren Rollen aus und kommentieren ihr nicht vorhandenes Handeln, ihr inexistentes Innenleben, besonders exzessiv der Bühnen-Guillaume und sein Agentenführer Arno Kretschmann, gespielt vom Berliner Tatort-Star Boris Aljinović. Insgesamt jedoch ein kärgliches Rollenfutter. Den zu Informationsautomaten degradierten Schauspielern verbleibt wenig Spielraum. Sie können immer nur so unterhaltsam sein, wie es ihre historischen Vorbilder waren, bei Helmut Schmidt ist da so wenig zu holen wie bei Hans Dietrich Genscher. Nur Michael Hanemann trifft mit der Rolle des Wehner ein halbwegs passables Schicksal, das ihm reichlich Möglichkeiten zum Chargieren bietet. Der Pfeife nuckelnde Menschenfeind ist die einzige bühnentaugliche Figur, während sich Peter Striebecks Brandt auf wortkarge, charismatische Präsenz beschränkt, und Tilo Nest die schizophrene Situation des Schattenmanns Guillaume nur in Ansätzen vermitteln kann, nämlich in seiner devoten Grundhaltung. Was in diesem Intimitätserschleicher und -verräter wirklich vor sich gegangen ist, weiß bis heute niemand. Dankenswerterweise verzichtet Regisseur Felix Prader darauf, seine Darsteller zu Stimmenimitatoren zu machen, nicht einmal Peter Striebeck ahmt den vertrauten Brandt-Sound nach. Aber das ist auch schon das Beste, was man über die Spielleitung sagen kann, die hier aus reiner Auf- und Abtrittsplanung besteht. Die wenigen Momente des intimen Zwiegesprächs zwischen Brandt und Guillaume verpuffen im lediglich bestuhlten, ansonsten leeren Bühnenraum. Zwischen Männern dieser Generation gibt es einfach nichts zu sagen, und Frauen sind nicht zugelassen. Aber so ist das ja in einer Demokratie. Oder etwa nicht?
Michael Frayn: "Demokratie"
Die Briten haben eine Königin, William Shakespeare und das Mehrheitswahlrecht. Die Deutschen haben Johannes Rau, Friedrich Schiller und die Verhältniswahl. Königin sticht Rau, Shakespeare sticht Schiller und Mehrheitswahl sticht Proporzregelung. Alles in allem sieht es nicht so aus, als müssten die Briten den Deutschen etwas neiden. Denn ob auf der Bühne – Macbeth! – oder in der praktischen Politik – Thatcher, Blair! –, Machtwechsel verlaufen in Großbritannien stets klar und unzweideutig, während das verschwiemelte Koalitionssystem deutscher Prägung dem klassischen Ideendrama gleicht: viele Ränke, triefende Moral, ein entschiedenes Sowohl-als-auch, und Machtausübung findet nur hinter verlogener Phraseologie allgemeiner Wohltätigkeit statt. Die eine, altehrwürdige Demokratie ist auf Funktionalität ausgerichtet, die andere, blutjunge auf größtmögliche Partizipation; das macht sie so schwer steuerbar und verführt ihre Repräsentanten zu verlogener Doppelzüngigkeit.
Ein Theaterstück, gar eine Komödie? Nein, eine dialogisch aufbereitete Geschichtslektion ohne jeden szenischen Einfall. Weil derartige Stoffe am Dilemma kranken, den historischen Kontext zum Bühnengeschehen mitliefern zu müssen, greift der Autor im Beiseitesprechen auf eine ausgestorbene Theaterkonvention zurück. Unentwegt steigen die Hauptfiguren aus ihren Rollen aus und kommentieren ihr nicht vorhandenes Handeln, ihr inexistentes Innenleben, besonders exzessiv der Bühnen-Guillaume und sein Agentenführer Arno Kretschmann, gespielt vom Berliner Tatort-Star Boris Aljinović. Insgesamt jedoch ein kärgliches Rollenfutter. Den zu Informationsautomaten degradierten Schauspielern verbleibt wenig Spielraum. Sie können immer nur so unterhaltsam sein, wie es ihre historischen Vorbilder waren, bei Helmut Schmidt ist da so wenig zu holen wie bei Hans Dietrich Genscher. Nur Michael Hanemann trifft mit der Rolle des Wehner ein halbwegs passables Schicksal, das ihm reichlich Möglichkeiten zum Chargieren bietet. Der Pfeife nuckelnde Menschenfeind ist die einzige bühnentaugliche Figur, während sich Peter Striebecks Brandt auf wortkarge, charismatische Präsenz beschränkt, und Tilo Nest die schizophrene Situation des Schattenmanns Guillaume nur in Ansätzen vermitteln kann, nämlich in seiner devoten Grundhaltung. Was in diesem Intimitätserschleicher und -verräter wirklich vor sich gegangen ist, weiß bis heute niemand. Dankenswerterweise verzichtet Regisseur Felix Prader darauf, seine Darsteller zu Stimmenimitatoren zu machen, nicht einmal Peter Striebeck ahmt den vertrauten Brandt-Sound nach. Aber das ist auch schon das Beste, was man über die Spielleitung sagen kann, die hier aus reiner Auf- und Abtrittsplanung besteht. Die wenigen Momente des intimen Zwiegesprächs zwischen Brandt und Guillaume verpuffen im lediglich bestuhlten, ansonsten leeren Bühnenraum. Zwischen Männern dieser Generation gibt es einfach nichts zu sagen, und Frauen sind nicht zugelassen. Aber so ist das ja in einer Demokratie. Oder etwa nicht?