In Bayern gehen die Uhren anders – dieser Satz von Willy Brandt, der eigentlich kritisch gemeint war, ist von der CSU längst ins Positive hinein gewendet und instrumentalisiert worden. Über Jahrzehnte hinweg ist es der Christlich Sozialen Union gelungen, ihr eigenes Image mit dem des Freistaates zu verknüpfen. Und das bedeutet auch, dass derjenige, der in Bayern eine Karriere in der Landespolitik anstrebt, dies tunlichst bei der CSU tun sollte. Wichtiger als das Streben um die Gunst des Wählers ist es, sich im innerparteilichen Machtgefüge eine gute Position zu sichern. Edmund Stoiber gelang es schon sehr früh, an die Schaltstellen der Macht zu kommen. Mit Strebsamkeit, den richtigen Kontakten und einer Politik, die sich hart am rechten Rand bewegte, sicherte er sich die Gunst von CSU-Übervater Franz Josef Strauß. Und das, obwohl der aus bescheidenen Verhältnissen stammende Stoiber so gar kein bajuwarischer Bierzelt-Typ ist, wie sein Biograph Stiller schreibt:
Er ist wie viele, die in solchen Verhältnissen aufgewachsen sind, eine Kämpfernatur geworden, kann aber sicher bis heute das eine oder andere Kindheitstrauma nicht abschütteln. Er ist skeptisch und misstrauisch geblieben, manchmal ist er sogar schüchtern. Er kann nicht so gut von sich aus auf fremde Menschen zugehen, die er für politische Gegner hält. Bei Festen an fremde Tische zu gehen, wo er sich vielleicht kontroversen Diskussionen aussetzen müsste, liegt ihm nicht. Lieber bleibt er an seinem Vorstandstisch, wechselt bestenfalls zu Freunden. Seine Personalpolitik ist von großer Unsicherheit gekennzeichnet, obwohl er bei den bayerischen, die CSU stabilisierenden Verhältnissen wirklich großzügiger sein könnte. (...) Was vielen als Besserwisserei erscheint, ist der aus der Kinderzeit übernommene Versuch, den Respekt des strengen Vaters zu erringen – so wie später die Anerkennung seines politischen Übervaters Franz Josef Strauß. Immer bleiben Selbstzweifel, die durch besonders forsches Auftreten kaschiert werden. Und es bleibt der Druck, immer bei den Besten zu sein, sich stets aufs Neue beweisen zu müssen.
Stoiber ist fleißig bis zur Schmerzgrenze und Franz Josef Strauß bedingungslos ergeben. In dessen Umgebung wimmelt es von halbseidenen Spezis wie dem sogenannten Bäderkönig Zwick oder dem Hendl-König Jahn, die durch ihre Freundschaft zu Strauß dem Fiskus Millionen an Steuergeldern zu unterschlagen versuchen, doch dieser Kameraderie entzieht sich der sittenstrenge Stoiber so gut es geht. Gleichwohl ist er derjenige, der seinem Chef die Mühen der Ebenen abnimmt, der in München die Fäden zieht. Als Strauß sich 1980 eher widerstrebend auf die Kanzlerkandidatur einlässt, verstärkt sein Generalsekretär noch die polarisierende Wirkung seines Chefs, statt sie – wie es vermutlich klüger gewesen wäre – abzumildern.
Wenn wir vielleicht eines in der Vergangenheit versäumt haben, dann deutlich zu machen im Bewusstsein der Bevölkerung, dass Nationalsozialisten, dass Nazis in erster Linie auch Sozialisten waren, Kollektivisten. Deswegen bin ich der Meinung, es kann der Bevölkerung nicht ausdrücklich genug gesagt werden, wie Franz Josef Strauß dies getan hat: Genauso hat es vor vierzig Jahren angefangen, und da haben auch schon mal Kollektivisten eine Demokratie kaputt gemacht.
Edmund Stoiber gilt seit diesem Wahlkampf als das "blonde Fallbeil", der Wadlbeißer, der Scharfmacher. Vieles von der damaligen Polemik war auch der Überzeugung von Strauß geschuldet, dass es rechts von der Union keine weitere Partei geben dürfe. Als er 1988 stirbt, teilen Theo Waigel als Parteivorsitzender und Max Streibl als Ministerpräsident die Macht unter sich auf - beide keine unbedingten Strauß-Freunde. Die "Machtschattengewächse", wie sie der Autor Michael Stiller nennt und zu denen auch Stoiber gehört, treten erst einmal in die zweite Reihe zurück. Doch bald beginnt die so genannte Amigo-Affäre für Schlagzeilen zu sorgen. Der neue Ministerpräsident Streibl hat sich von Industriellen teure Luxusreisen bezahlen lassen, heißt es. Und er nutzte, wie Strauß zuvor und andere CSU-Prominenz inklusive Edmund Stoiber danach, die Dienste der teilstaatlichen Firma Messerschmidt-Bölkow-Blohm, MBB:
Die Politiker hatten sich das Privileg über den Tod von Strauß hinaus gesichert. MBB musste dafür eine Art "CSU-Airline" aus eigenen und geleasten Flugzeugen bereithalten. Begehrte Ziele waren Südfrankreich, wo Strauß eine Villa hatte, und Italien, Max Streibls bevorzugtes Urlaubsland. Die Kosten dafür wurden aus den Gewinnabführungen bestritten, die MBB anteilsgemäß den Eigentümern zu überweisen hatte. Dazu gehörten neben dem Land Bayern auch die Stadtstaaten Hamburg und Bremen, die ihre MBB-Gewinne dem allgemeinen Haushalt zuführten und deren Bürger auf diese Weise die Sonderflüge der CSU-Prominenz mitfinanzierten. Die CSU-Politiker ließen sich von MBB sogar Tickets von Linienflügen ersetzen, wenn sie nicht mit werkseigenen Maschinen unterwegs waren. Hatten sie Flugwünsche über größere Strecken, für die das MBB-Gerät nicht taugte, wurden in der Schweiz größere Düsenflugzeuge gechartert.
Anders als unter Strauß sind es vor allem Partei-Freunde, die Journalisten mit den nötigen Tipps versorgen - Stoiber-Anhänger. Der ist in Sachen MBB auch nicht ohne Makel, geht aber in die Offensive und gibt zu, diesen Service in Maßen mitgenutzt zu haben. Seinen Kritikern ist damit der Wind aus den Segeln genommen. Alles läuft schon auf Stoiber als neuen Ministerpräsidenten hinaus, als auch noch öffentlich wird, dass sein möglicher Konkurrent Theo Waigel ein außereheliches Verhältnis mit der ehemaligen Skiläuferin Irene Epple hat. Ein Faktum, das den meisten bayerischen Journalisten längst geläufig war, aber von interessierten Kreisen der bundesweiten Öffentlichkeit zugespielt wird. Der neue starke Mann heißt nun unangefochten Edmund Stoiber. Gerade sein eher unbayerisches Image als Aktenmensch und Genussfeind kommt ihm dabei zupass. Er profiliert sich als Saubermann, der in der krisengebeutelten Partei endlich aufräumt und ein Wahldebakel für die erfolgsverwöhnte CSU abwendet:
Ohne Zweifel hat er in den ersten beiden Jahren seiner Amtszeit als Ministerpräsident versucht, mit der alten Strauß-Tradition zu brechen und die CSU auf einen ordentlichen Weg zu führen. Amigo-Typen wie Karlheinz Schreiber, Eduard Zwick, Karl Dersch oder Walter Schöll hatten und haben unter Stoiber bei Hofe keine Chancen mehr. Zum Teil hatte die alte Strauß-Entourage schon Stoiber-Vorgänger Max Streibl verbannt, allerdings durch andere Nassauer ersetzt. Stoiber legte dagegen von Anfang an Wert darauf, dass nur erste Adressen aus Industrie und Wissenschaft in der Staatskanzlei Zugang hatten oder zu seiner Delegation gehörten, wenn er auf Auslandsreise nach Südamerika oder in die USA ging.
Auch wenn, so Autor Michael Stiller, die alten Seilschaften um die Straußanhänger noch nicht ganz ihren Einfluss verloren haben, so ist es Stoiber doch meisterhaft gelungen, nicht mehr mit ihnen in Zusammenhang gebracht zu werden. Dabei hält es Stiller für unwahrscheinlich, dass beispielsweise der so genannte Hendl-König Friedrich Jahn ohne Stoibers Wissen jahrelang Steuern hinterziehen konnte.
Jahns offensichtliche Begünstigung durch den Fiskus war Stoiber wohl bekannt, die Affären und Untersuchungsausschüsse über die bayerische Art, CSU-Gönner über Steuernachlässe zu refinanzieren, zogen sich bis in seine Amtszeit als Ministerpräsident hin. Erst 1999 wurde der Aufdecker der Steueraffären, Regierungsdirektor Wilhelm Schlötterer, ein exzellenter Steuerexperte des bayerischen Finanzministeriums, halbwegs rehabilitiert. Er hatte bereits 1977 als Chef der zentralen Steuerfahndung dem bayerischen Landtag über die Machenschaften zugunsten prominenter Steuerverweigerer wie Jahn, Franz Beckenbauer und anderer berichtet und wurde dafür 22 Jahre im Ministerium völlig isoliert. Auch Stoiber, von Schlötterer immer wieder eingeschaltet, hat zum Gelingen dieses Langzeit-Racheakts jahrelang beigetragen.
Edmund Stoiber weiß mutmaßlich mehr über die Verfehlungen der Strauß-Zeit, als er zugeben würde, dies legt Michael Stiller mit seinen umfangreichen Recherchen überzeugend dar. Leider aber verliert der Autor durch seine Lust am Detail oft genug das eigentliche Thema aus dem Blick. Denn fast die Hälfte seines Buches ist der Geschichte der CSU unter Franz Josef Strauß gewidmet, wird Affäre über Affäre intensivst erörtert – auch diejenigen, von denen Edmund Stoiber gar nichts gewusst haben kann. Dies ist zwar interessant zu lesen, trägt aber nicht unbedingt dazu bei, die Persönlichkeit Edmund Stoibers besser zu verstehen. Und es lässt weitgehend außer acht, ob die Politik des bayerischen Ministerpräsidenten im Freistaat als Erfolg gewertet werden kann oder nicht. Deutlich wird jedoch, dass sich Edmund Stoiber wohl früher, als von vielen geahnt, zu Höherem berufen fühlte, auch wenn er dies, schon längst im Wahlkampf, beim letzten politischem Aschermittwoch seiner Partei bestritt:
Ich habe niemals, und ich sage das nochmals, niemals aus Machtgeilheit an irgendwelchen Toren des Kanzleramtes oder wo auch immer gerüttelt. Was ich will, meine Damen, meine Herren, ich will meinem Vaterland dienen, ich will ihm dienen.
Edmund Stoiber. Der Kandidat. Erschienen im ECON Verlag München, 288 Seiten zum Preis von 22 EUR.
Er ist wie viele, die in solchen Verhältnissen aufgewachsen sind, eine Kämpfernatur geworden, kann aber sicher bis heute das eine oder andere Kindheitstrauma nicht abschütteln. Er ist skeptisch und misstrauisch geblieben, manchmal ist er sogar schüchtern. Er kann nicht so gut von sich aus auf fremde Menschen zugehen, die er für politische Gegner hält. Bei Festen an fremde Tische zu gehen, wo er sich vielleicht kontroversen Diskussionen aussetzen müsste, liegt ihm nicht. Lieber bleibt er an seinem Vorstandstisch, wechselt bestenfalls zu Freunden. Seine Personalpolitik ist von großer Unsicherheit gekennzeichnet, obwohl er bei den bayerischen, die CSU stabilisierenden Verhältnissen wirklich großzügiger sein könnte. (...) Was vielen als Besserwisserei erscheint, ist der aus der Kinderzeit übernommene Versuch, den Respekt des strengen Vaters zu erringen – so wie später die Anerkennung seines politischen Übervaters Franz Josef Strauß. Immer bleiben Selbstzweifel, die durch besonders forsches Auftreten kaschiert werden. Und es bleibt der Druck, immer bei den Besten zu sein, sich stets aufs Neue beweisen zu müssen.
Stoiber ist fleißig bis zur Schmerzgrenze und Franz Josef Strauß bedingungslos ergeben. In dessen Umgebung wimmelt es von halbseidenen Spezis wie dem sogenannten Bäderkönig Zwick oder dem Hendl-König Jahn, die durch ihre Freundschaft zu Strauß dem Fiskus Millionen an Steuergeldern zu unterschlagen versuchen, doch dieser Kameraderie entzieht sich der sittenstrenge Stoiber so gut es geht. Gleichwohl ist er derjenige, der seinem Chef die Mühen der Ebenen abnimmt, der in München die Fäden zieht. Als Strauß sich 1980 eher widerstrebend auf die Kanzlerkandidatur einlässt, verstärkt sein Generalsekretär noch die polarisierende Wirkung seines Chefs, statt sie – wie es vermutlich klüger gewesen wäre – abzumildern.
Wenn wir vielleicht eines in der Vergangenheit versäumt haben, dann deutlich zu machen im Bewusstsein der Bevölkerung, dass Nationalsozialisten, dass Nazis in erster Linie auch Sozialisten waren, Kollektivisten. Deswegen bin ich der Meinung, es kann der Bevölkerung nicht ausdrücklich genug gesagt werden, wie Franz Josef Strauß dies getan hat: Genauso hat es vor vierzig Jahren angefangen, und da haben auch schon mal Kollektivisten eine Demokratie kaputt gemacht.
Edmund Stoiber gilt seit diesem Wahlkampf als das "blonde Fallbeil", der Wadlbeißer, der Scharfmacher. Vieles von der damaligen Polemik war auch der Überzeugung von Strauß geschuldet, dass es rechts von der Union keine weitere Partei geben dürfe. Als er 1988 stirbt, teilen Theo Waigel als Parteivorsitzender und Max Streibl als Ministerpräsident die Macht unter sich auf - beide keine unbedingten Strauß-Freunde. Die "Machtschattengewächse", wie sie der Autor Michael Stiller nennt und zu denen auch Stoiber gehört, treten erst einmal in die zweite Reihe zurück. Doch bald beginnt die so genannte Amigo-Affäre für Schlagzeilen zu sorgen. Der neue Ministerpräsident Streibl hat sich von Industriellen teure Luxusreisen bezahlen lassen, heißt es. Und er nutzte, wie Strauß zuvor und andere CSU-Prominenz inklusive Edmund Stoiber danach, die Dienste der teilstaatlichen Firma Messerschmidt-Bölkow-Blohm, MBB:
Die Politiker hatten sich das Privileg über den Tod von Strauß hinaus gesichert. MBB musste dafür eine Art "CSU-Airline" aus eigenen und geleasten Flugzeugen bereithalten. Begehrte Ziele waren Südfrankreich, wo Strauß eine Villa hatte, und Italien, Max Streibls bevorzugtes Urlaubsland. Die Kosten dafür wurden aus den Gewinnabführungen bestritten, die MBB anteilsgemäß den Eigentümern zu überweisen hatte. Dazu gehörten neben dem Land Bayern auch die Stadtstaaten Hamburg und Bremen, die ihre MBB-Gewinne dem allgemeinen Haushalt zuführten und deren Bürger auf diese Weise die Sonderflüge der CSU-Prominenz mitfinanzierten. Die CSU-Politiker ließen sich von MBB sogar Tickets von Linienflügen ersetzen, wenn sie nicht mit werkseigenen Maschinen unterwegs waren. Hatten sie Flugwünsche über größere Strecken, für die das MBB-Gerät nicht taugte, wurden in der Schweiz größere Düsenflugzeuge gechartert.
Anders als unter Strauß sind es vor allem Partei-Freunde, die Journalisten mit den nötigen Tipps versorgen - Stoiber-Anhänger. Der ist in Sachen MBB auch nicht ohne Makel, geht aber in die Offensive und gibt zu, diesen Service in Maßen mitgenutzt zu haben. Seinen Kritikern ist damit der Wind aus den Segeln genommen. Alles läuft schon auf Stoiber als neuen Ministerpräsidenten hinaus, als auch noch öffentlich wird, dass sein möglicher Konkurrent Theo Waigel ein außereheliches Verhältnis mit der ehemaligen Skiläuferin Irene Epple hat. Ein Faktum, das den meisten bayerischen Journalisten längst geläufig war, aber von interessierten Kreisen der bundesweiten Öffentlichkeit zugespielt wird. Der neue starke Mann heißt nun unangefochten Edmund Stoiber. Gerade sein eher unbayerisches Image als Aktenmensch und Genussfeind kommt ihm dabei zupass. Er profiliert sich als Saubermann, der in der krisengebeutelten Partei endlich aufräumt und ein Wahldebakel für die erfolgsverwöhnte CSU abwendet:
Ohne Zweifel hat er in den ersten beiden Jahren seiner Amtszeit als Ministerpräsident versucht, mit der alten Strauß-Tradition zu brechen und die CSU auf einen ordentlichen Weg zu führen. Amigo-Typen wie Karlheinz Schreiber, Eduard Zwick, Karl Dersch oder Walter Schöll hatten und haben unter Stoiber bei Hofe keine Chancen mehr. Zum Teil hatte die alte Strauß-Entourage schon Stoiber-Vorgänger Max Streibl verbannt, allerdings durch andere Nassauer ersetzt. Stoiber legte dagegen von Anfang an Wert darauf, dass nur erste Adressen aus Industrie und Wissenschaft in der Staatskanzlei Zugang hatten oder zu seiner Delegation gehörten, wenn er auf Auslandsreise nach Südamerika oder in die USA ging.
Auch wenn, so Autor Michael Stiller, die alten Seilschaften um die Straußanhänger noch nicht ganz ihren Einfluss verloren haben, so ist es Stoiber doch meisterhaft gelungen, nicht mehr mit ihnen in Zusammenhang gebracht zu werden. Dabei hält es Stiller für unwahrscheinlich, dass beispielsweise der so genannte Hendl-König Friedrich Jahn ohne Stoibers Wissen jahrelang Steuern hinterziehen konnte.
Jahns offensichtliche Begünstigung durch den Fiskus war Stoiber wohl bekannt, die Affären und Untersuchungsausschüsse über die bayerische Art, CSU-Gönner über Steuernachlässe zu refinanzieren, zogen sich bis in seine Amtszeit als Ministerpräsident hin. Erst 1999 wurde der Aufdecker der Steueraffären, Regierungsdirektor Wilhelm Schlötterer, ein exzellenter Steuerexperte des bayerischen Finanzministeriums, halbwegs rehabilitiert. Er hatte bereits 1977 als Chef der zentralen Steuerfahndung dem bayerischen Landtag über die Machenschaften zugunsten prominenter Steuerverweigerer wie Jahn, Franz Beckenbauer und anderer berichtet und wurde dafür 22 Jahre im Ministerium völlig isoliert. Auch Stoiber, von Schlötterer immer wieder eingeschaltet, hat zum Gelingen dieses Langzeit-Racheakts jahrelang beigetragen.
Edmund Stoiber weiß mutmaßlich mehr über die Verfehlungen der Strauß-Zeit, als er zugeben würde, dies legt Michael Stiller mit seinen umfangreichen Recherchen überzeugend dar. Leider aber verliert der Autor durch seine Lust am Detail oft genug das eigentliche Thema aus dem Blick. Denn fast die Hälfte seines Buches ist der Geschichte der CSU unter Franz Josef Strauß gewidmet, wird Affäre über Affäre intensivst erörtert – auch diejenigen, von denen Edmund Stoiber gar nichts gewusst haben kann. Dies ist zwar interessant zu lesen, trägt aber nicht unbedingt dazu bei, die Persönlichkeit Edmund Stoibers besser zu verstehen. Und es lässt weitgehend außer acht, ob die Politik des bayerischen Ministerpräsidenten im Freistaat als Erfolg gewertet werden kann oder nicht. Deutlich wird jedoch, dass sich Edmund Stoiber wohl früher, als von vielen geahnt, zu Höherem berufen fühlte, auch wenn er dies, schon längst im Wahlkampf, beim letzten politischem Aschermittwoch seiner Partei bestritt:
Ich habe niemals, und ich sage das nochmals, niemals aus Machtgeilheit an irgendwelchen Toren des Kanzleramtes oder wo auch immer gerüttelt. Was ich will, meine Damen, meine Herren, ich will meinem Vaterland dienen, ich will ihm dienen.
Edmund Stoiber. Der Kandidat. Erschienen im ECON Verlag München, 288 Seiten zum Preis von 22 EUR.