Archiv


Michelles Charme-Offensive

US-Präsident Barack Obama wollte beim Olympischen Kongress in Kopenhagen persönlich das IOC überzeugen, dass die Olympischen Spiele 2016 in seiner Heimatstadt Chicago stattfinden sollen. Nun schickt er seine Frau. Ist es ein frühes Eingeständnis einer Niederlage?

Von Jürgen Kalwa |
    Noch vor ein paar Monaten galt die Stadt Chicago als klarer Favorit, den Zuschlag für die Olympischen Spiele 2016 zu erhalten. Doch der Wind hat sich gedreht. Und zwar gegen die "Windy City” am Michigan-See. So verzichtete Präsident Barack Obama auf einen Auftritt in Kopenhagen, wo das IOC in wenigen Wochen die Entscheidung trifft. Stattdessen schickt er seine Frau Michelle als Sonderbotschafterin. Sicher ein guter PR-Schachzug, aber womöglich schon das frühe Eingeständnis einer Niderlage.

    Am 2. Oktober wird beim IOC-Kongress in Kopenhagen die Entscheidung darüber fallen, welche der vier Bewerberstädte die Olympischen Spiele 2016 ausrichten wird. Eigentlich sollte die Abstimmung auf der Basis von sachlichen Kriterien den am besten geeigneten Kandidaten herausfiltern. Doch daran scheint keiner der Aspiranten ernsthaft zu glauben. Weshalb die Werbung von Chicago, Rio de Janeiro, Madrid und Tokio in eigener Sache in diesen Tagen vor allem auf eines setzt – auf den Promifaktor.

    Neulich versicherte Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy bei einem Staatsbesuch seinem brasilianischen Kollegen Luiz Inácio Lula da Silva, er werde sich dafür einsetzen, dass Europas Stimmenblock nach einem sehr wahrscheinlichen frühen Aus von Madrid für Rio votieren wird.

    Am Freitag begann die Charme-Offensive von Chicago. Da gab Patrick Ryan, der Präsident des Bewerbungskomitees, bei einer Pressekonferenz bekannt, dass die "First Lady” Michelle Obama als Sonderbotschafterin der USA in Dänemark um Stimmen für ihre Heimatstadt werben wird.

    ""Wir sind begeistert, dass Michelle Obama kommt. Die First Lady ist ein phantastischer Mensch. Sie besitzt weltweit ein sagenhaftes Image.”"

    Tatsächlich ist der Ausflug der Ehefrau des amerikanischen Präsidenten kein gutes Zeichen für die Kandidatur der Stadt. Nachdem die Wirtschaftsmetropole am Lake Michigan lange als Favorit unter den vier Bewerbern galt, haben sich in den letzten Monaten die Aussichten verschlechtert. Schuld daran ist das brüske Verhalten des amerikanischen NOK, das keine Neigung zeigt, den anderen Ländern etwas von dem großen Stück des Kuchens aus Fernsehlizenzen und Sponsorengeldern abzugeben. Mit dem Plan, im Alleingang in den USA einen eigenen Olympia-Fernsehkanal aufzubauen, stieß man viele im IOC vor den Kopf.
    Auch der vor ein paar Tagen veröffentlichte Bericht des IOC, in dem die Milliardenpläne der vier Städte genau unter die Lupe genommen wurden, war keine Hilfe. Der Stadtrat von Chicago sah sich gezwungen, kurzfristig eine Ausfallgarantie aus Steuergeldern zu beschließen, um die Sorgen zu besänftigen, dass das massive Projekt ähnlich wie zuletzt in Vancouver finanziell ins Schlingern geraten könnte.

    Im Bewerbungskomitee hatte man darauf gesetzt, dass man den letzten Rest an Überzeugungsarbeit vor Ort in Kopenhagen dem weltweit populären Präsidenten Barack Obama überlassen kann. Der verzichtete jedoch auf die angekündigte Reise und schickt stattdessen seine Frau.

    Er müsse in Washington bleiben, so lautete die offizielle Version, um sich um die Verabschiedung einer dringend notwendigen, aber höchst umstrittenen Gesundheitsreform zu kümmern. Der Schachzug so vermuten manche Beobachter, deutet allerdings vor allem auf eines hin: Dass der mächtigste Mann der Welt wohl einfach nur sein Gesicht wahren möchte. Eine Niederlage auf der internationalen Bühne kann er sich zurzeit nicht leisten.