Freitag, 29. März 2024

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Micky Beisenherz über Satire
"Wir alle müssen das aushalten"

Wer Satire macht, war schon immer scharfer Kritik ausgesetzt. Die Karikaturisten von "Charlie Hebdo" bezahlten dafür gar mit ihrem Leben. Für viele ende der Humor, sobald es um ihre persönlichen Belange gehe, sagt der Satiriker Micky Beisenherz im Dlf. Er sieht ein Missverhältnis zwischen Aufregung und Auslösern.

Micky Beisenherz im Gespräch mit Brigitte Baetz | 07.01.2020
Der Moderator Micky Beisenherz steht nach der Aufzeichnung der WDR Talkshow "Kölner Treff" im Studio.
Der Moderator und Satire-Autor Micky Beisenherz (picture alliance/Henning Kaiser/dpa)
"Momentan hat man manchmal eher das Gefühl: Satire darf alles, solange es nur gegen die anderen geht", sagte der Autor und Moderator Micky Beisenherz im Deutschlandfunk. "Es gibt derzeit eine unglaubliche Empfindlichkeit, eine wahnsinnige Nervosität." Man müsse nur den Begriff "Greta" in den Raum werfen, um dann sehr schnell ein "Brodeln" zu haben, das man kaum noch in den Griff bekomme.
Das liege daran, dass es - nicht nur in Deutschland - sehr starke Umwälzungen, Neupositionierungen und Unsicherheiten gebe: "Alle – egal, ob das jetzt ein Individuum ist oder eine Gruppe – die sich ihrer Position nicht sicher sind, sind natürlich auch extrem empfänglich für Kritik. Und Kritik ist Humor und Satire natürlich auch", sagte Beisenherz. Manche stünden nicht fest genug mit den Beinen auf dem Boden, um mit der pointierten, überspitzten Reflexion umgehen zu können.
Oliver Welke, Moderator der Satiresendung "heute-show" im ZDF
Satire als neue Variante des Journalismus?
Läuft Satire dem Journalismus mittlerweile den Rang ab – weil sie kerniger, lustiger und in manchen Fällen sogar politischer ist? Meinungen vom Satire-Autor Dietrich Krauß und den Wissenschaftlern Dennis Lichtenstein und Christiane Grill.
Für viele ende die Satire und der Humor, sobald es um eigene persönliche Belange gehe: "Witze sind erlaubt, Satire ist wunderbar – bis zu dem Punkt, an dem es mich plötzlich betrifft. Dann geht das natürlich gar nicht", sagte Beisenherz, der gerade für Dreharbeiten zum RTL-"Dschungelcamp" in Australien ist. Dabei müsse man Satire aushalten können.
Auf verunglückte Gags folgen Online-Petitionen
Genauso müsse der Komiker ertragen, dass nicht alle lachen. Dass die Angegriffenen das mit einem Augenrollen und Schulterzucken abtäten, gelte heute aber nicht mehr. "Du hast ja das Gefühl: Bei jedem Gag, der von einer Position aus als verunglückt empfunden wird, entsteht sofort eine Bürgerwehr oder zumindest eine Online-Petition."
Es gebe eine Art Vierklang, erklärte Beisenherz: "Es passiert irgendwas, dann hast du drei erboste Meldungen bei Twitter, die Online-Medien zitieren dankbar diese drei empörten Regungen bei Twitter, Twitter zitiert die Online-Medien." Im vierten Schritt zitierten dann noch die Print-Medien die Online-Medien. "Und dann ist es plötzlich eine Meldung, die selbst bei meiner Mutter und meiner Tante im Print auf dem Tisch liegt – und im Grunde genommen ist eigentlich überhaupt nichts passiert."
Micky Beisenherz schreibt Moderationstexte für die RTL-Show "Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!", allgemein bekannt als "Dschungel-Camp". Er moderiert aber auch das Satire-Magazin "Artikel 5" auf Magenta TV und den "Kölner Treff" im WDR. Der Comedian hat schon für diverse Formate gearbeitet, als Moderator, aber auch als Gag-Schreiber, unter anderem für die "heute-show". Außerdem ist er Kolumnist des "Stern".
Er würde sich freuen, wenn die Empörung in einem gesunden Verhältnis zu dem stehe, was sie ausgelöst habe: "Da sehe ich derzeit sehr häufig ein sehr starkes Missverhältnis zwischen dem, was die Massen aufregt, und zwischen dem, was tatsächlich passiert ist."
Mangelnde Selbstironie der Deutschen
Er selbst klicke sofort weiter, wenn es in einer Meldung um einen Shitstorm auf Twitter gehe. An den Hass im Netz habe er sich gewöhnt. "Wenn du mit empörten, wütenden Reaktionen nicht umgehen kannst, dann musst du, glaube ich, wirklich besser Taxifahrer werden – wobei, die müssen auch mit empörten Reaktionen umgehen."
Die Amerikaner seien den Deutschen um einiges voraus, wenn es um Entertainment und Selbstironie gehe, sagte Beisenherz: "Da haben wir tatsächlich noch ordentlich Nachholbedarf. Das spüren wir an allen Ecken und Enden."
Satiriker nimmt Verletzungen in Kauf
Für ihn steht fest: "Als Satiriker, als Humorist, musst du ja auch immer bereit sein, in Kauf zu nehmen, dass eine bestimmte Gruppe von Menschen oder ein Mensch verletzt ist. Und du musst für dich selbst entscheiden: Ist es mir das wert, ja oder nein. Denn alle wirst du nicht glücklich machen können, und das ist ja auch nicht das Wesen der Satire."
Aufgabe der Satire sei es grundsätzlich, der Gesellschaft oder gewissen gesellschaftlichen Tendenzen einen Spiegel vorzuhalten. Klassischerweise gehe es dabei darum, die Mächtigen anzugreifen. Das sei aber auch Auslegungssache, schränkte Beisenherz ein: "Wenn man sagt, die Satire darf nur die Mächtigen angreifen, dann ist ja beispielsweise momentan die SPD auch fast schon auszuschließen."