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"Microsoft kommt recht spät"

Mobilität.- Das jüngst vorgestellte Betriebssystem Windows Phone 7 soll Microsoft auf dem Smartphonemarkt voranbringen. Der Wissenschaftsjournalist Po Keung Cheung spricht im Interview mit Manfred Kloiber über die möglichen Chancen des Unternehmens.

16.10.2010
    Manfred Kloiber: Anstrengend wird sie also, die Aufholjagd von Microsoft im Mobilfunkmarkt. Denn zumindest zwei Konkurrenten haben mit ihren neuen Produkten und Konzepten die Nase auch zeitlich um einige Längen voraus. Apples iPhone ist schon seit gut drei Jahren auf dem Markt und auch Android-Handys gibt es schon länger als ein Jahr. Herr Cheung, Sie haben die Microsoft-Manager danach fragen können. Kommt das Unternehmen nicht viel zu spät mit Windows Phone 7?

    Po Keung Cheung Ja, Microsoft kommt recht spät. Das heißt aber nicht unbedingt, dass es zu spät ist. Man muss wissen, dass immer noch weniger Smartphones werden als klassische Handys – nur jedes fünfte Gerät fällt in diese Kategorie. Und Microsoft spekuliert darauf, dass der Anteil weiter wachsen wird. Marktforscher sagen für dieses Jahr ein Plus von gut 50 und für das nächste ein weiteres Wachstum von 25 Prozent beim Verkauf von Smartphones voraus. Rein technisch gesehen und auch vom Design ist die neue Plattform absolut konkurrenzfähig zu iPhone und Android, und somit stehen die Chancen meiner Ansicht nach auch gar nicht so schlecht. Nur muss das natürlich bei den Leuten irgendwie ankommen. Und dafür wird Microsoft eine riesige, mutmaßlich 400 Millionen Dollar schwere Werbemaschinerie in Gang setzen. Das Unternehmen nutzt also seine Größe, seine Marktmacht und man kann davon ausgehen, dass das irgendwie funktionieren wird. Vielleicht nicht bei denen, die bereits zur Konkurrenz gewechselt sind, sondern bei denen, die sagen: Das nächste Mal kaufe ich mir ein Smartphone. Das ist nicht nur schick, sondern lässt sich auch schön individualisieren mit Zusatzprogrammen, den sogenannten Applications oder abgekürzt Apps.

    Kloiber: Die Apps – Sie haben sie gerade genannt – sind ja eigentlich ausschlaggebend für den Erfolg eines Smartphones und vor allen Dingen auch die App-Stores, also so, wie man sie sich beschaffen kann als User von einem Smartphone. Apple ist bei diesen Apps sehr, sehr restriktiv, will alles unter Kontrolle haben. Google versucht eher den offenen Ansatz. Wie ist da Microsoft aufgestellt?

    Cheung: Also ich würde sagen, dass man sich da eher am iPhone orientiert. Soll heißen: Es gibt Regeln. Microsoft hat da einen Richtlinienkatalog aufgestellt – 27 Din-A4-Seiten, 13 Grundregeln, die Entwicklern sagen, was sie machen dürfen und was nicht. Beispielsweise, dass die Funktionssicherheit des Telefons nicht gefährdet werden darf oder dass Apps, die persönliche Daten verwenden, erst nach Zustimmung auf diese Zugreifen dürfen, keine Werbung für Konkurrenzplattformen und, und, und... Das klingt irgendwie nach Apple, aber Microsoft-Handyspartenchef Achim Berg betont, dass dies in erste Linie im Sinne des Nutzers erfolgt. Qualität statt Quantität – die Apps sollen auf jedem Gerät funktionieren, egal von welchem Hersteller, egal bei welcher Displaygröße und Auflösung. Und mit der strengen Haltung von Apple will man aber nun gar nicht verglichen werden. Es gebe Transparenz. Bei Ablehnung für den Marketplace, so heißt der Windows App-Store, würde man immer eine Begründung liefern, so dass der Entwickler hier nachbessern könne. Trotz dieser Haltung muss das Unternehmen natürlich zusehen, dass es schnell Land gewinnt, denn eine große Auswahl an Apps ist ein Kaufargument. Und während Apple und Google 250.000, beziehungsweise gut 100.000 Angebote haben, fängt Microsoft am kommenden Donnerstag gerade einmal mit 1000 Apps an. Die Entwickler sind auf jeden Fall sehr interessiert daran, sie haben sich das Developer Kit, also dieses Entwicklungsprogramm, schon 500.000 Mal heruntergeladen und Microsoft betont, dass man da wirklich sehr wohlwollend an die Sache rangeht und den Entwicklern auch die Chance gibt, da wirklich Programme auf den Markt zu bringen.

    Kloiber: Dieses Konzept der App-Stores, der Apps, hat ja den Mobilfunkmarkt ziemlich durcheinander gebracht. Vor allem die Netzbetreiber fürchten um ihre Pfründe. Wie bezieht eigentlich Microsoft die Gerätehersteller und die Netzbetreiber in ihr Konzept für Windows Phone 7 mit ein?

    Cheung: Also die Gerätehersteller hat man einbezogen, indem man auch ihnen zunächst einmal knallharte Regeln vorgegeben hat. Die Hardware muss gewisse Mindestvoraussetzungen erfüllen und vor allem darf nicht einfach an der Software herumgewerkelt werden. Bei den Vorgängerversionen haben die Gerätehersteller häufig Benutzeroberflächen im eigenen Design aufgesetzt, auch um die Unzulänglichkeiten von Windows Mobile zu kaschieren, etwa durch größere Touchfelder – das ist vorbei. Aber immerhin dürfen die Hersteller, anfangs HTC, Samsung und LG in Deutschland, in einem speziellen Untermenü am sogenannten Hub, eigene Apps und Funktionen integrieren. Ähnlich sieht es bei den Netzbetreibern aus: Auch die dürfen eigene Angebote einbauen, die auch extra Geld kosten dürfen – beim Telekomgerät sieht man da beispielsweise einen direkten Zugang zum eigenen App-Store, andere führen zum Mobile-TV-Angebot. Und bei anderen Anbieter, etwa Vodafone, sieht das genauso aus. Trotz der Einschränkung, Sie sind darauf eingegangen, einerseits weil Smartphones im Trend liegen und sich somit sehr gut verkaufen lassen, andererseits weil vor allem die Anbieter mittlerweile begriffen haben, dass man nicht mehr mit einzelnen Gesprächsminuten oder Gebühren für SMS Geld verdient, sondern mit großen Flattarif-Paketen für Telefonie, E-Mail und Internet und eben auch mit den genannten Zusatzangeboten, die online über eigene Portale erreichbar sind. Und das gewährt Microsoft den Netzbetreibern und das genügt ihnen offensichtlich, so dass sie hier recht klaglos mitspielen. Das zeigt auch die Tatsache, dass alle vier deutschen Netzbetreiber mit Windows-Phone-7-Geräten auf den Markt kommen werden am kommenden Donnerstag.