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Microsoft wechselt auf Weichspülgang

Seit gut 100 Tagen leitet ein neuer Kapitän die Geschicke von Microsoft in Deutschland. Kaum ist die Schonfrist verstrichen, geht Jürgen Gallmann, Bill Gates neuer Statthalter hierzulande, in die Offensive. Anlässlich eines mehrmals im Jahr stattfindenden Treffens der Internet-Wirtschaftsvereinigung von ''Baden-Württemberg: connected'' erläuterte der Manager am vergangenen Donnerstag vor 120 geladene Gäste aus Industrie, Handel und Verwaltung die zukünftige Strategie von Microsoft. Demnach könnte sich ein bemerkenswerter Wandel in der Redmonder Firmenpolitik ankündigen.

    Der so genannte Business Lunch der Internet-Wirtschaftsvereinigung von Baden-Württemberg: Connected gilt als Insidertreffen, auf dem Trends und Entwicklungsrichtungen der führenden IT-Unternehmen dargelegt und erörtert werden. Entsprechend gespannt verfolgte das geladene Publikum denn auch, was Microsofts neuer Deutschland-Chef Jürgen Gallmann dort vorzutragen hatte, hatte doch gerade eine Woche zuvor in München die jährliche Strategie-Konferenz von Microsoft stattgefunden. Tatsächlich sorgte der neue Lotse des Branchenführers mit der Ankündigung gleich mehrerer grundlegender Änderungen in der Firmenpolitik für erheblichen Diskussionsstoff. So soll beispielsweise zum 1. Juli eine Umstrukturierung bei Microsoft in Deutschland stattfinden, bei der die Bereiche Finanzen, Kommunikation und Medien, das mittelstandsorientierte Manufacturing, der Sektor Distribution sowie öffentliche Verwaltung neugegliedert werden.

    Damit reagiert Gallmann offenbar auch auf den immensen Druck, den etwa die Entscheidung des Deutschen Bundestags zu einer verstärkten Nutzung des unabhängigen Betriebssystems Linux aufbaute. Auch andere öffentliche Verwaltungen vollzogen inzwischen den Wechsel auf die kostengünstige Alternative zu Windows. Um dem entgegenzuwirken, setzt Jürgen Gallmann an zwei Hebeln an. Einerseits will er Microsoft an die bislang eher als Erzgegner betrachtete Gemeinde der Open Source Szene, die für freie Softwareentwicklung eintritt, näher heranführen. Überdies tritt der Manager für eine Entschärfung von des Sicherheitskonzeptes "Palladium" ein. Das System wird in Anwenderkreisen beispielsweise verdächtigt, über starke Urheberrechts-Management-Mechanismen zukünftig quasi zu bestimmen, welche Musik- und Filmdateien auf einem Rechner abgespielt werden dürfen und welche nicht. Der Wandel zum Schmusekurs in Sachen Open Source kommt nicht völlig überraschend, war Gallmann zuletzt doch bei IBM im Linux-Bereich tätig. Seine guten Kontakte in der Szene sollen helfen, das ramponierte Verhältnis insbesondere zu den öffentlichen Verwaltungen zu flicken sowie Sympathien im Mittelstand wiederzubeleben. "Wir möchten weg von der emotionalen Diskussion. Wir haben an eineigen Stellen von der Open Source-Bewegung gelernt und betreiben mittlerweile ein Programm, in dem wir Quellkode für das Betriebssystem genauso offen legen wie es im Open Source-Bereich üblich ist. Ich sehe darin eine positive Entwicklung, die für unsere Kunden von Interesse ist", so konstatiert Jürgen Gallmann. Herausstellen möchte Microsofts Deutschland-Chef vor allem die Kosten-Nutzenrelation solche Angebote. So äußerten Stimmen von Microsoft bereits, man könne sich vorstellen, dass etwa bestimmte Teile der "Dot-Net"-Betriebssystemgeneration als Open Source zur Verfügung gestellt werden. Microsoft verspricht sich offenbar dadurch, von der Entwicklungsqualität der Open Source Gemeinde profitieren zu können.

    Die derzeit besonders in die Diskussion geratene Initiative "Palladium", deren Hauptziel Anwender und Experten im Ausspionieren der PC-Benutzer vermuten, propagiert Jürgen Gallmann jetzt als Evolutionsstufe einer so genannten "Next Generation Secure Computing Base". In dieser Weiterentwicklung sollen vier Neuerungen Einzug halten. Zum einen soll der Anwender selbst entscheiden können, ob er das Schutzpaket dieser Secure Computing Base nutzen möchte oder nicht. Daneben soll die Software-Zertifizierung dann von unabhängigen Drittanbietern durchgeführt werden. Bislang sollte dies Microsoft vorbehalten sein. Drittens soll das Management digitaler Urheberrechte von dieser Next Generation Secure Computing Base abgetrennt werden. Vor allem dieser Punkt zielt darauf ab, Vertrauen bei der Nutzerschar zurückzugewinnen. Zu guter Letzt, so Jürgen Gallmann, soll der Quellkode der Next Generation Secure Computing Base rückhaltlos offen gelegt werden. Über die Aufgabe der Next Generation Secure Computing Base meint Gallmann: "Damit schützen wir quasi Software vor Software. In einem Computer-Speicher, der Informationen von Programmen verwaltet, kann letztlich auf alle Daten zugegriffen werden. Die Next Generation Secure Computing Base schützt dagegen mit Verschlüsselung Hauptspeicherbereiche, in denen hochsensible Informationen verarbeitet werden, und erzeugen so einen Daten-Safe, der vor unberechtigten Zugriffen geschützt ist." Anwendungsfelder hierfür sieht Gallmann vor allem im Finanz- und Gesundheitssektor sowie bei Funktionen des so genannten E-Governments. Ein so genannter Sandkasten lässt überdies unsichere Programme in einem virtuellen Computer belaufen, um so Viren und andere gefährlichen Schädlinge aufzuspüren und zu eliminieren.

    [Quelle: Peter Welchering]