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Mieterbund: Wohnung ist unantastbares Refugium

Nach der gegenwärtigen Rechtssprechung darf das Rauchen in der Wohnung nicht begrenzt werden, sagt Dietmar Wahl vom Deutschen Mieterbund. Hingegen können Nachbarn von Rauchern, die sich vom Qualm gestört fühlen, eventuell Mietminderung geltend machen.

Dieter Wahl im Gespräch mit Georg Ehring | 24.07.2013
    Georg Ehring: Rauchen in der Wohnung – darum geht es heute vor dem Amtsgericht in Düsseldorf. Ein 74-jähriger Raucher hatte die Kündigung erhalten; begründet wurde sie mit dem Schutz seiner Nachbarn, die durch den Rauch gesundheitlich gefährdet und belästigt würden. Der Fall geht schon seit einiger Zeit durch die Instanzen; erst war die Kündigung bestätigt worden, dann hatte das Landgericht diese Entscheidung aber wieder aufgehoben und heute muss neu verhandelt werden. Ein Ergebnis im konkreten Fall gibt es noch nicht. Viele Menschen haben sich aber darüber gewundert, dass es überhaupt zu diesem Prozess gekommen ist. Beim Düsseldorfer Fall kommt es sicher auch auf die konkreten Umstände an.
    Vor dieser Sendung habe ich mit Dietmar Wahl vom Deutschen Mieterbund über die Rechtslage in solchen Fällen gesprochen und ihn gefragt, ob man nach bisheriger Rechtsprechung in der eigenen Wohnung eigentlich so viel rauchen darf, wie man will.

    Dietmar Wahl: Bisher war die Rechtslage so, dass man in der eigenen Wohnung nach Belieben rauchen darf. Die ist sozusagen ein Refugium, ein unantastbares Refugium. Das heißt, der Bundesgerichtshof hat gesagt, rauchen gehört zum vertragsgemäßen Gebrauch, und ich kann in meiner Wohnung auch beliebig rauchen.

    Ehring: Darf der Vermieter das Rauchen denn begrenzen, etwa weil die Wohnung wegen des Gestanks an Wert verliert und hinterher schwerer zu vermieten ist?

    Wahl: Das Rauchen selber darf er nach dem derzeitigen Stand der Rechtsprechung nicht begrenzen. Er kann eventuell Schadenersatz verlangen, wenn durch übermäßiges Rauchen Schäden entstehen, zum Beispiel Vergilbungen oder dergleichen. Aber zum Beispiel bei den Schönheitsreparaturen hat der Bundesgerichtshof gesagt, das muss dann beseitigt werden im Rahmen der Schönheitsreparaturen, und wenn der Vermieter zuständig ist, muss er die Malerarbeiten leisten und die Schäden durch Rauchen beseitigen an Tapeten und Wänden, und wenn der Mieter dafür zuständig ist, muss er das leisten.

    Ehring: Wie steht es denn um den Schutz des nicht rauchenden Nachbarn, wenn der Tabakqualm möglicherweise durchs Treppenhaus oder über den Balkon in die Nachbarwohnung zieht? Wo liegen da die Grenzen?

    Wahl: Das Treppenhaus ist ganz klar, da kann der Vermieter sagen, es darf nicht geraucht werden. Das ist geschützt. Alle Gemeinschaftsräume, da kann das verboten werden. Mit der Wohnung sieht das anders aus und es kann nach dem derzeitigen Stand auch dem Raucher nicht verboten werden, dass er die Fenster auf Kipp stellt, oder dass er auf den Balkon geht und dort raucht.
    Eine andere Frage ist aber, ob der Nachbar, der dadurch gestört wird, eventuell die Miete mindern kann. Da war früher der Stand, dass man das hinnehmen muss, dass das nur eine geringfügige Belästigung ist, und da ist die Rechtsprechung so ein bisschen im Wandel begriffen. Es gibt mittlerweile zwei Urteile, zwei landgerichtliche Urteile, eines aus Hamburg und eines aus Berlin. Die haben dem Mieter ein Mietminderungsrecht zuerkannt. Hamburg hat fünf Prozent zuerkannt und das Landgericht Berlin hat gesagt, zehn Prozent darf der Mieter sogar mindern, weil der Nachbar darunter immer auf dem Balkon regelmäßig und andauernd geraucht hat.

    Ehring: Dann ist aber doch vielleicht der Vermieter der Gekniffene. Er darf das Rauchen nicht beschränken, muss aber die Mietkürzung hinnehmen?

    Wahl: In der Tat, das ist dann ein Problem.

    Ehring: Das Rauchen wird ja heute viel kritischer beurteilt als früher, auch von Gerichten. Macht sich da ein Wertewandel bemerkbar?

    Wahl: Da macht sich wohl ein Wandel bemerkbar, wobei man sagen muss, dass die Rechtsprechung zeitlich immer hinterherhängt um einige Jahre. Aber wir können jetzt damit rechnen, dass es auch künftig Urteile geben wird, und wir sind mal gespannt, was in Düsseldorf herauskommt, ob dem Mieter tatsächlich gekündigt werden darf. Ich rechne eher nicht damit.

    Ehring: Wie sollte man sich denn bei drohenden Konflikten verhalten, ob als Nachbar oder als Raucher, der durch sein Rauchen in Schwierigkeiten gerät?

    Wahl: Das führt jetzt ein bisschen weg vom Rechtlichen, aber im Prinzip sollte man immer versuchen, einen Kompromiss zu finden, dass vielleicht das Rauchen auf dem Balkon auf bestimmte Zeiten beschränkt wird. Aber viele Raucher sind da auch nicht kompromissbereit und verstehen nicht, dass das den Nachbarn sogar stört, wenn er lüften will oder wenn er auch den Balkon nutzen möchte.

    Ehring: Es gibt ja auch andere Verhaltensweisen, die unter Umständen Nachbarn belästigen können: Tierhaltung, Grillen, laute Musik. Wo endet denn der Schutz der Privatsphäre dessen, für den auch als Mieter die Wohnung der Lebensmittelpunkt ist?

    Wahl: Ja immer, wenn der Nachbar zu sehr gestört wird. Gerade beim Grillen, ein gutes Beispiel: Da führen die Gerichte auch immer Kompromisse herbei, dass sie sagen, es darf gegrillt werden, aber nur zeitlich beschränkt, nicht zu oft. Grillen auf dem Balkon zum Beispiel mit Holzkohlegrill wird als problematisch angesehen, mit dem Elektrogrill aber schon eher erlaubt, weil dort die Rauchentwicklung wesentlich geringer ist.

    Ehring: Dietmar Wahl vom Deutschen Mieterbund war das zum Thema Rauchen in der Wohnung – das Interview haben wir kurz vor der Sendung aufgezeichnet.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.