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Migranten auf dem Arbeitsmarkt
Kulturelle Abschottung hat ihren Preis

Manche muslimische Migranten in Deutschland haben Probleme, einen Arbeitsplatz zu finden. Laut einer Studie des Wissenschaftszentrums Berlin spielen dabei besonderes kulturelle Faktoren eine Rolle. Wer die Sprache des Einwanderlandes beherrscht und interethnische Kontakte pflegt, habe auf dem Arbeitsmarkt bessere Chancen.

Von Christiane Habermalz | 24.03.2016
    Omar Ceesay und Schreiner Karl-Heinz Kübler arbeiten an einem Türrahmen.
    Gute Sprachkenntnisse erleichtern den Einstieg in den Arbeitsmarkt. (dpa / Felix Kästle)
    Überall in den Einwanderungsgesellschaften Europas sind Muslime unter den Migranten am schlechtesten in den Arbeitsmarkt integriert. Eine Tatsache, die in der Regel mit Diskriminierung in Verbindung gebracht wird. Die gibt es zwar zweifellos, doch eine neue Studie des Wissenschaftszentrums Berlin, kurz WZB, hat nun ergeben, dass Vorurteile bei Arbeitgebern eine viel geringere Bedeutung haben, als angenommen. Eine deutlich größere Rolle spielen kulturelle Faktoren und Einstellungen bei den Muslimen selbst.
    "Insgesamt gilt, je niedriger die soziokulturelle Assimilation von muslimischen Migranten, desto niedriger auch die Arbeitsmarktpartizipation."
    Der Sozialwissenschaftler Ruud Koopmans und sein Team am WZB haben dazu 7000 muslimische Personen aus sechs europäischen Ländern – zu ihren Sprachkenntnissen, Werteeinstellungen und ihren Kontakten zur nicht-muslimischen Mehrheitsgesellschaft befragt. Diese Daten wurden dann mit ihrer Situation auf dem Arbeitsmarkt verglichen. Befragt wurden muslimische Migrantengruppen dreier Einwanderergenerationen zwischen 18 und 64 Jahren, aus der Türkei, Marokko, Pakistan sowie Bosnien bzw. dem Kosovo. Die Analysen wurden getrennt für Männer und Frauen durchgeführt.
    Traditionelle Wertevorstellungen erschweren Jobeinstieg
    "Man kann als Fazit festhalten, dass solche muslimische Migranten, die gute deutsche Sprachkenntnisse haben, die über viele interethnische Kontakte zu Personen der Mehrheitsgesellschaft verfügen und die liberale Vorstellungen haben über die Rolle der Frau, dass die genauso wenig arbeitslos sind als es Mitglieder der Mehrheitsgesellschaft sind."
    Traditionelle Wertevorstellungen, etwa über die Rolle der Frauen in der Gesellschaft, sowie die Religion seien dagegen ein Hemmnis für den Arbeitsmarkt. Dies gelte ganz direkt für muslimische Frauen, die sich gar nicht erst um eine Arbeit bemühten. Gegenüber anderen Migrantinnen sind muslimische Frauen sehr viel weniger auf dem Arbeitsmarkt vertreten. Doch indirekt gelte das auch für Männer, weil kulturelle Einstellungen ihren Niederschlag finden in geringeren Sprachkenntnissen und weniger sozialen Kontakten zu Nicht-Muslimen. Diese seien aber oft entscheidend für die Arbeitssuche – nicht nur weil sprachliche Defizite bestehen bleiben, sondern auch weil die Alteingesessenen über bessere Kontakte und Beziehungen zum Arbeitsmarkt verfügen.
    Koopmans: "Dass die muslimischen Männer, wie die Frauen, auch weniger Kontakte haben mit Mitgliedern der Mehrheitsbevölkerung hat durchaus etwas mit Kultur oder mit Religion zu tun. Weil Religion für interethnische soziale Kontakte ein hemmender Faktor ist. Wenn man z.B. streng gläubig ist, dann verfolgt man oft Regeln, die den Kontakt zu Andersgläubigen beschränken. Oder die den Kontakt mit Andersgeschlechtlichen beschränken."
    Aktive Sprachnutzung ist wichtig
    Am deutlichsten wird dies beim Heiratsverhalten. Umfragen zufolge sind muslimische Eltern in ihrer großen Mehrheit, nämlich zu 80%, nicht bereit, ihren Sohn oder ihre Tochter an einen Nicht-Muslim zu verheiraten. Deutlich mehr als umgekehrt: In den Mehrheitsgesellschaften sind es nur 20-30 Prozent, die eine Ehe mit Muslimen ablehnen. In der Studie wurde als Faktor für den Grad kultureller Integration auch die Mediennutzung abgefragt. Ob von den Befragten in erster Linie etwa türkischsprachige oder deutsche Medien konsumiert wird, hat Einfluss darauf, wie informiert sie über das Land sind, in dem sie leben – und auch über den Arbeitsmarkt. Aktive Sprachnutzung, so die Wissenschaftler, sei wichtiger als die passive Kenntnis der Sprache des Einwandererlandes. Für Koopmans lassen sich aus der Studie zwei wichtige Botschaften ableiten: An die Einwanderungsgesellschaften, dass es richtig ist, großen Wert auf den Spracherwerb zu legen - und an die Muslime, dass die kulturelle Abschottung ihren Preis hat.
    Koopmans: "Und dass man, z.B. wenn es darum geht, an den Erfolg seiner Kinder zu denken, dass es wichtig ist, darauf zu achten, dass die Kinder auch mal mit deutschen Kindern in Kontakt kommen, dass sie frühzeitig in einen Kindergarten gehen, dass sie auch mal bei deutschen Kindern zu Besuch sind, dass sie auch mal deutsches Fernsehen sehen und nicht nur türkisches. Also die soziokulturelle Integration stärker zu betonen, ist denke ich durchaus nützlich."