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Mikro-Töpfereien und dreidimensionale Silizium-Kunststücke

Medizin. – In München begann heute die 5. Internationale Fachmesse für Werkstoffanwendungen, Oberflächen und Product Engineering ''Materialica". Im Mittelpunkt der Schau stehen dabei auch neue Verfahren zur Fertigung von Keramikwerkstoffen sowie die ersten dreidimensionalen Mikro-Objekte aus Silizium.

    Von Wolfgang Nitschke

    Jeder, der schon einmal getöpfert hat, kenn das Problem: Man baut oder dreht einen Krug – doch nach dem Brennen – in der Fachsprache sintern – ist der Krug wesentlich kleiner. Der Grund dafür ist, dass in herkömmlicher Keramik immer Luft enthalten ist, die beim Sintern verbrennt und für den Schwund verantwortlich ist. Doch während man das bei Töpferware noch verschmerzen kann, ist der Effekt insbesondere bei keramischen Miniaturbauteilen unangenehm. Am Forschungszentrum Karlsruhe hat man deshalb nun die erste schwindungsfreie Keramik entwickelt, die beim Brennen nicht schrumpft. Dazu Erwin Klose:

    Wir verwenden eine keramische Komponente und eine aktive Komponente – das ist eine intermetallische Verbindung. Die oxidiert, gewinnt an Volumen und diese Volumenzunahme gleicht exakt den Sinterschwund des gesamten Systems aus. Man kann vergleichen mit einem Hefekuchen, der ja erst aufgeht und dann wieder zusammensinkt, wenn man die Komponenten beim Hefekuchen so wählen würde, dass er hinterher wieder die Ursprungsform hat.

    Vorteil Nummer zwei an der neuen Keramik ist, dass das Ausgangsmaterial – der sog. Grünkörper sehr einfach zu bearbeiten ist und man bereits vor dem Brennen die endgültige Form herstellen kann. Das neue Material eignet sich deshalb besonders für Zahnkronen.

    Speziell Zähne müssen ja – wenn man konventionelle Keramik verwendet – entweder hart bearbeitet werden aus einem Keramikblock – oder ich nehme ein poröses Keramikgerüst z.B. aus Aluminiumoxid und infiltriere es dann, um die nötige Festigkeit zu bewerkstelligen. Oder ich mache eben ein Reaktionssinterverfahren, wie wir es tun. Das ist deshalb interessant, weil ich die Möglichkeit habe zunächst meinen Zahn im Modell zu probieren und ich kann ihn auch dort endbearbeiten. Ich kann ihn in die richtige Form fräsen und muss nicht befürchten, dass ich dann beim Sintern einen Schwund erleide. Es ist ein günstiges Verfahren.

    Und: die neuen Kronen sollen sogar billiger sein, als heute verwendete Keramikkronen. Eine Neuheit findet man auf der Materialica auch am Stand der TU Chemnitz. Wissenschaftlern der Fachgruppe Mikrotechnik ist es gelungen neuartige dreidimensionale Formen aus Silizium herzustellen – obwohl das Material bei Zimmertemperatur so spröde ist, dass es bricht. Dr. Eva Gärtner:

    Silizium wird hauptsächlich verformt in dem man es ätzt und die Strukturen liegen dann aber innerhalb einer Wafer-Ebene – Wafer ist diese Scheibe. Und wir haben es jetzt geschafft, dass plastisch zu verformen – das heißt, es bleibt in einer anderen Form. Und durch diese Verformung können die Strukturen auch aus der Wafer-Ebene herausragen. Das geht aber nur bei hohen Temperaturen oberhalb 700 Grad

    Man kann das Silizium im Ofen erhitzen und dann auch dort gleich bearbeiten. Auch das Verformen des Siliziums mit Hilfe eines Laserstrahls ist möglich, weil der dann nur einen kleinen Bereich – der gebogen werden soll – der nötigen Temperatur aussetzt. Auf diese Art haben die Forscher aus Silizium Mikro-Montagesysteme hergestellt, wie zum Beispiel einen Mini-Greifer oder Federgelenke.

    Das ist eigentlich nur um zu demonstrieren, dass man Silizium – obwohl es spröde ist, als Werkstoff für die Feinmechanik verwenden kann. Man kann Silizium anwenden in Gebieten, wo man eigentlich denkt, es geht nicht, weil es zu spröde ist. Denkbare industrielle Anwendungen gibt es von der Mikromechanik bis hin zur Feinwerktechnik. Was noch fehlt ist ein Partner aus der Industrie, der sich von den mechanischen Eigenschaften des Siliziums überzeugen lässt.