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Mikrofilm als Datenspeicher

Möglichkeiten zur langfristigen Aufbewahrung von Daten werden immer wichtiger. Die üblichen digitalen Speichermedien haben ihre Schwächen: Die Hardware veraltet, die Standards ebenso und die materiellen Träger geben früher als angenommen ihren Geist auf. In einem Kolloquium an der Universität Stuttgart wurde jetzt das Projekt ARCHE zur Langzeitarchivierung von Bilddaten vorgestellt, das mit neuer Technik von einem altbekannten Medium Gebrauch macht: dem Mikrofilm.

Von Mathias Schulenburg | 28.06.2006
    " Der Krieg zwischen Ost und West, der jetzt 326 Jahre lang dauert, hat endlich ein Ende gefunden. Nur wenige Menschen sind noch am Leben und es gibt nichts mehr, wogegen sie kämpfen könnten."

    Ein sprechender Ring im Film. Der liebevoll ausgestattete Hollywood-Schinken "Die Zeitmaschine" sah solche Ringe als Bewahrer der Vergangenheit vor, die nur über eine leuchtende Fläche gezwirbelt werden mussten, dann erzählten sie was. Bei Fortschreibung der gegenwärtigen Trends würden Datenspeicher von heute, die in 100 Jahren bemüht werden, mutmaßlich stumm bleiben, vielleicht weil die Hardware nicht mehr da ist, oder die Dateiformate nicht mehr verstanden werden - für so komplexe Gemeinwesen wie das unsere eine echte Gefahr.

    Dieser Gefahr zu begegnen hat das Projekt ARCHE, vom Bundeswirtschaftsministerium gefördert, ein neues, altes Speichermedium entdeckt, den Mikrofilm, nun aber mit vollen, langzeitstabilen Farben. Wer ein Dokument darauf sichern will, sagt Wolfgang Riedel, am Fraunhofer Institut für Physikalische Messtechnik für die Entwicklung des Belichtungssystems verantwortlich, hat so zu verfahren.

    " Wenn Sie also ein Dokument haben, sei das ein Pergamentpapier, dann muss das eingescannt werden, also es wird erst einmal digitalisiert, ein hochaufgelöstes Digitalfoto davon gemacht, und dann werden diese Daten gepackt. Was heißt gepackt? Es kommt die Zusatzinformation, die besagt: Was ist das für ein Dokument, wer hat das geschrieben, in welchem Zusammenhang ist das zu verstehen, also Zusatzinformationen, die man als Metadaten bezeichnet, die Information, wer Herr dieses Dokumentes ist, sprich: wo liegt das Dokumentoriginal, und dann, wo's ausbelichtet wurde zum Beispiel, und dann wird es zusammen mit diesen Zusatzinformationen auf den Film ausbelichtet und kann dann eingelagert werden."

    Etwa in den Barbara-Stollen in Oberried bei Freiburg im Breisgau, einem alten, ausgebauten Silberbergwerksstollen, der vertraglich als das schützenswerteste Objekt Deutschlands ausgewiesen ist, denn er enthält auf Mikrofilm Millionen deutscher Dokumente, darunter die Baupläne des Kölner Doms. Der Farbmikrofilm hat einen Makel: Er ist sehr unempfindlich, benötigt also große Lichtmengen:

    " Also hat nur 0,5 ASA, ein Farbfilm, der aber auf der anderen Seite auch sehr haltbar ist. Mit einer Haltbarkeit von 500 Jahren. Und der Nachteil dieser sehr geringen Filmempfindlichkeit ist heutzutage kein Problem mehr, denn wir können mit einem Laserbelichter genügend Licht da drauf geben, um den Film doch mit der entsprechenden Auflösung und Qualität zu belichten."

    Und um den Laserbelichter mit Daten beliefern zu können, ist die Digitalisierung der zu speichernden Bilder notwendig.

    Der Laserbelichter ist die kunstvolle Weiterentwicklung des ebenfalls am Freiburger Fraunhoferinstitut für Physikalische Messtechnik entwickelten Arrilasers, eines mittlerweile weltweit verwendeten Belichtungssystems für Spielfilme höchster Brillanz, wie "Ice Age".

    Der Farbmikrofilm wird nach der Laserbelichtung nasschemisch entwickelt, fixiert und getrocknet; angesichts heutiger Digitalzaubereien wirkt das archaisch, dafür ist der Farbmikrofilm haltbar, die ständige Datenumspeicherung entfällt und zur Entzifferung des gespeicherten Inhalts braucht man im Prinzip nur ein Mikroskop. Das macht den - im Detail sehr raffiniert hergestellten - Farbmikrofilm im Format 30 mal 45 Millimeter als normenunabhängige, gleichsam "handlesbare" Zeitkapsel für künftige Generationen, deren technische Ausstattung sich nicht vorhersehen lässt, hoch attraktiv.

    Und die analoge Speicherdichte kann sich sehen lassen, auf ein Einzelbild passen zwei bis drei Millionen Buchstaben, soviel, wie das Buch "Der Herr der Ringe" hat, und das ist ein mächtiger Schinken.