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Mikroplastik
Schüler bekämpfen Kunststoff-Müll im Bodensee

Seit Pfingstmontag beraten Experten auf der Ozean-Konferenz der Vereinten Nationen, wie die Weltmeere zukünftig sauberer werden können. Das Ganze ist in abgeschwächter Form aber auch ein Problem in deutschen Flüssen und Seen. Schülergruppen aus Baden-Württemberg untersuchen den Bodensee auf seine Gewässerqualität hin.

Von Thomas Wagner | 06.06.2017
    Das Forschungsschiff "Aldebaran" fährt aus dem Hafen von Konstanz.
    Das Forschungsschiff "Aldebaran" fährt aus dem Hafen von Konstanz. (picture alliance / dpa / Felix Kästle)
    Eine ungewöhnliche Segelyacht, knallgelb lackiert, verlässt den Hafen von Konstanz am Bodensee: Futuristisch anmutende Antennenanlagen ragen am Heck in die Höhe. Mit an Bord: Silas Hörz, Neuntklässler an der Schlossberg-Realschule im baden-württembergischen Albstadt.
    "Wir sind grade in Konstanz im Hafen, auf dem Boot 'Aldebaran'. Das ist so ein Forschungsschiff. Und wir werden jetzt Mikroplastik-Untersuchen. Und wir fischen das jetzt aus dem Wasser raus."
    Klassenkamerad Philipp Schlampp sitzt daneben, nickt zustimmend.
    Erinnerung an andere Zeiten
    Trotz des leichten Nieselregens setzt die "Aldebaran" ihren Kurs Richtung Bodenseemitte fort. Dass an diesem Tag Schüler an Bord des Forschungsschiffes mitfahren dürfen, hängt mit einem Projekt der Baden-Württemberg-Stiftung zusammen. Die hat die Überführung der Yacht von ihrem regulären Nordsee-Standort an den Bodensee finanziert, um Schülergruppen Forschungsfahrten zu ermöglichen.
    "Das ist wohl auch so eine Kante im See?" - "Ja, wir haben in den vergangenen Jahren an den Steilwänden ein Forschungsprojekt gemacht ..."
    Begleitlehrerin Lydia Unterweger im Gespräch mit dem Biologen und Skipper Frank Schweikert, dem Gründer des "Aldebaran"-Projektes. Die Pädagogin blickt aus einem Bullauge auf die glasklare Wasseroberfläche des Bodensees.
    "Also ich unterrichte Chemie und muss dazu sagen, dass ich am Bodensee aufgewachsen bin und dort ganz andere Zeiten erlebt habe am Bodensee, dass man nämlich auf den Grund gesehen hat, dass er total überdüngt war, dass es unheimlich viele Algen hab. Von daher bin ich sehr froh, dass es in der Zwischenzeit anders aussieht. Aber dieses Wissen möchte ich an die Jugend weitergeben."
    Schwebstoffe aus dem Wasser filtern
    "Wir haben jetzt den Manta-Trawl zusammengebaut, und wir werden ihn jetzt am Boot runterlassen, langsam ..."
    Gebannt blicken die Schüler auf das kleine metallische Kästchen, das am Heck des Forschungsschiffes ins Wasser gelassen wird und das Schwebstoffe aus dem Wasser ausfiltern soll. Beherzt greifen sie selbst mit zu.
    "Der Manta? Wir haben einen Sieb da drin. Der fängt das Mikroplastik ein. Und wir ziehen das dann wieder her. Und dann wird es ausgewertet im Mikroskop."
    Skipper Frank Schweickert erinnert sich derweil an die Zeit vor 25 Jahren, als er das "Aldebaran"-Projekt auf den Weg gebracht hatte. Am Anfang war: ein Wrack.
    "Die 'Aldebaran' hieß damals anders. Da war ein Sturmschaden. Sie wurde von einem französischen Arzt um die Welt gesegelt. Und er kam dann in den Wirbelsturm 'Hugo' in die Karabik. Da waren Löcher drin und alles Mögliche ..." Über viel Umwege konnten Frank Schweikert und seine Mitstreiter für wenig Geld dieses Wrack kaufen. "... und wir haben es dann nach Süddeutschland in den Schwarzwald gebracht und da nach Tüftlerart umgebaut zum Forschungs- und Medienschiff."
    Die wissenschaftliche Mitarbeiterin Elisa Czech (l.) weist die beiden Schüler Philipp und Silas (r.) auf dem Forschungsschiff "Aldebaran" im Hafen von Konstanz in die Arbeit mit einem Mikroskop an Bord ein.
    Die wissenschaftliche Mitarbeiterin Elisa Czech (l.) weist die beiden Schüler Philipp und Silas (r.) auf dem Forschungsschiff "Aldebaran" im Hafen von Konstanz in die Arbeit mit einem Mikroskop an Bord ein. (picture alliance / dpa / Felix Kästle)
    "Wechselt Euch mal ab." "Warum kommt bei Dir so viel raus und bei mir nichts?"
    Nun erinnert die Arbeit der beiden Realschüler aus Albstadt an Goldgräber in alten Western-Filmen: Mit einer Art Sieb waschen sie den Schlamm aus, der sich im Manta-Trawl angesammelt hat. "Man sieht hier Gräser, Maden, ein paar Fliegen."
    Augenblicke später betrachten die Schüler die Proben unterm Mikroskop - und sind dann doch überrascht. Sie sehen: "kleine blaue Dinger, kleines blaues Plastik. Ja, wir haben jetzt Plastik gefunden im Wasser. Ja, man denkt da schon nach. Kauft keine Plastiktüte."
    Der Fund der Plastikteilchen im Bodensee gibt den Schülern zu denken. Begleitlehrerin Lydia Unterweger will daran anknüpfen.
    Anknüpfungspunkte im Chemie-Unterricht
    "Ich werde verstärkt im Unterricht auf Mikroplastik eingehen, auch auf die Verwendung von jeglichem Plastik, auch an vielen Stellen, wo es im Moment völlig unnötig finde. Im Kosmetikbereich haben wir da ein ganz großes Feld. Aber auch, was den Verkauf betrifft, die vielen Mülltüten, die Plastiktüten, die verwendet werden."
    "Wir fahren jetzt zusammen rein, bis zur Hafeneinfahrt"
    Auffrischende Winde, Gewitterwolken: Etwas früher als geplant fährt die "Aldebaran" zurück in den Hafen. Sicherheit geht vor bei den Ausfahrten mit den Jugendlichen. 20 weitere Schülerteams werden bis Ende Juni auf der "Aldebaran" ähnliche Erfahrungen machen. Und vielleicht wird aus dem einen oder anderen in ein paar Jahren ein genialer Gewässerforscher - mit einem Sinn fürs ökologische Gleichgewicht der Seen und Meere.