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Mikrowellen unter Kontrolle

Physik. - Metamaterialien leiten elektromagnetische Wellen ganz anders als etwa eine Linse oder ein Spiegel. Damit scheinen spektakuläre Anwendungen möglich: Superlinsen etwa, mit denen man um die Ecke blicken kann, oder sogar Tarnkappen, die Gegenstände unsichtbar machen. Jetzt präsentiert ein australisches Forscherteam einen weiteren Fortschritt – ein Metamaterial, das auf Knopfdruck seine Eigenschaften verändert.

Von Frank Grotelüschen |
    "Metamaterialien – der Begriff kommt aus dem Griechischen: Meta bedeutet jenseits. Wir stellen künstliche Materialien jenseits der üblichen Werkstoffe her. Konkret suchen wir nach Materialien mit ungewöhnlichen optischen Eigenschaften, mit denen wir elektromagnetische Wellen, z.B. Licht, gezielt manipulieren können."

    Ilya Shadrivov ist Physiker an der Australian National University in Canberra. Seine Leidenschaft gilt einer Materialklasse, die vor gut zehn Jahren überhaupt erst erfunden wurde – die Metamaterialien. Darunter kann man sich zum Beispiel Hunderte von Kupferringen vorstellen, millimetergroß und aufgereiht zu einem Schachbrettmuster. Auf Mikrowellen hat diese Struktur eine bemerkenswerte Wirkung: Sie lenkt sie in Richtungen ab, die physikalisch eigentlich unmöglich sind. Die Experten sprechen von einem negativen Brechungsindex. Der Clou dabei ist: Mit solchen Metamaterialien kann man elektromagnetische Wellen im Prinzip sehr präzise lenken und kontrollieren. Das verspricht spektakuläre Anwendungen.

    "Eine perfekte Linse könnte man daraus konstruieren. Oder Tarnkappen, die Gegenstände unsichtbar machen. Noch steckt das alles in den Kinderschuhen. Aber die meisten Grundlagen haben wir bereits verstanden. Und nun versuchen Wissenschaftler in aller Welt, etwas Nützliches aus den Metamaterialien zu machen."

    Daran beteiligt sich auch Ilya Shadrivov. Konkret will sein Team ein bisheriges Manko der Metamaterialien beseitigen: Hat man einmal ein bestimmtes Metamaterial gebaut, lassen sich seine Eigenschaften nicht mehr verändern. Das muss nicht so sein, dachten sich die Australier, und ließen sich einen raffinierten Aufbau einfallen: Ihr Metamaterial besteht aus Kunststoffscheiben, jede mit einem Kupferring sowie ein wenig Elektronik. Diese Scheiben sind dicht hintereinander aufgestellt, wie eine Reihe aus Dominosteinen. Direkt neben der Reihe ist eine Leiste aus Leuchtdioden angebracht. Deren Licht kann das Verhalten der Scheiben beeinflussen. Denn die Forscher haben die Scheiben mit Hilfe einiger Tricks lichtempfindlich gemacht. Das Entscheidende: Die Reihe wird nicht gleichmäßig von den LEDs beleuchtet, sondern an manchen Stellen stärker, an anderen schwächer.

    "Zum Beispiel beleuchteten wir die Reihe stärker an den Enden als in ihrer Mitte. Dadurch veränderten sich die Eigenschaften des Metamaterials: Es konnte einen Mikrowellenstrahl, der an ihm reflektiert wurde, plötzlich wie ein Brennglas bündeln. Dann änderten wir die Beleuchtung und konnten das Metamaterial so einstellen, dass es den Mikrowellenstrahl in eine ganz andere Richtung reflektierte."

    Für gewöhnlich gilt in der Optik ja der Merksatz: Einfallswinkel gleich Ausfallswinkel. Trifft also ein Lichtstrahl unter einem 45-Grad-Winkel auf einen Spiegel, wird er unter demselben Winkel zurückgeworfen. Anders bei dem neuen Metaspiegel: Er kann die Mikrowellen in eine völlig andere Richtung zurückwerfen als den Einfallswinkel. Mit ihrer LED-Leiste können die Forscher nun sogar präzise steuern, in welche Richtung der gespiegelte Strahl reflektiert wird. Noch steckt die Technik zwar im Anfangsstadium. Aber Shadrivov hat schon eine Idee, wozu sie eines Tages gut sein könnte.

    "Ich könnte sie mir für Antennen fürs Satellitenfernsehen vorstellen. Heute haben wir ja diese typischen Satellitenschüsseln. Unsere Antenne dagegen wäre vollkommen flach, würde also Platz sparen. Und man könnte sie nicht nur auf einen Satelliten ausrichten, sondern die Signale von verschiedenen Satelliten auffangen."

    Für eine Tarnkappe Marke Harry Potter aber scheint die neue Technik nicht zu taugen. Denn wie man so ein steuerbares Metamaterial für sichtbares Licht statt für Mikrowellen realisieren könnte – da haben die Forscher bislang noch keine Idee.