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Mikrowellenkanone fürs Militär

Militärtechnik. - Soldaten müssen häufig in Sekunden Entscheidungen treffen, die Leben kosten können. Eine falsche Entscheidung kann Folgen haben, die nicht mehr rückgängig zu machen sind. Das US-Militär erprobt jetzt eine neuartige Waffe, die tödliche Missverständnisse verhindern soll: Eine Mikrowellenkanone, die potenzielle Angreifer in die Flucht jagt, ohne sie ernsthaft zu verletzen.

Von Ralf Krauter | 30.05.2007
    Nicht-tödliche Waffen sollen den Gegner kurzzeitig kampfunfähig machen, ohne ihn ernsthaft zu verletzen. Vor allem die USA treiben die Entwicklung solcher Waffen intensiv voran. Weil in Zeiten asymmetrischer Kriege die Grenze zwischen Freund und Feind immer öfter verschwimmt, wollen die Befehlshaber im Ernstfall nicht immer sofort scharf schießen lassen müssen. Große Hoffnung setzen die US-Militärs dabei auf eine neuartige Mikrowellenkanone: Eine zwei mal zwei Meter große Antenne, montiert auf einem gepanzerten Jeep, die einen gerichteten Energiestrahl aussendet. Active Denial System - kurz ADS - heißt das in der Erprobung befindliche System, erklärt der Physiker und Friedensforscher Jürgen Altmann von der Universität Dortmund.

    " Die Wellenlänge ist mit 3 Millimetern sehr viel kürzer als die normale, die man aus dem Mikrowellenherd kennt - da ist es vielleicht 3 Zentimeter. Und diese Strahlung, 3 Millimeter oder 95 Gigahertz, wird von Wasser absorbiert. Und zwar viel intensiver als die normale Mikrowellenstrahlung, so dass die schon auf den Zehntel Millimetern von Haut absorbiert wird und die dann aufheizt. "

    Der Energiestrahl durchdringt die Kleidung und reizt die Schmerzrezeptoren in der Haut. Weil die Schmerzen innerhalb von Sekunden unerträglich werden, bleibt dem Gegner nur die Flucht aus dem wenige Meter breiten Heizstrahl.

    " Und die Idee ist dann die Leute damit zu zwingen, aus einem Gebiet wieder raus zu gehen oder in ein bestimmtes Gebiet nicht wieder hinein zu gehen, eine Demonstration aufzulösen oder was auch immer. Das ist die Grundidee über viele hundert Meter Leute mit einem Schmerz zu Verhaltensänderungen zu zwingen. "

    Für Militäreinsätze in Krisengebieten ist vor allem die Reichweite ein Vorteil. Während andere nicht-letale Waffen wie Gummigeschosse und Tränengas in der Regel höchstens 100 Meter weit wirken, erzielen die Millimeterwellen auch dann den gewünschten Effekt, wenn der Gegner noch bis zu einem Kilometer entfernt ist. Mutmaßliche Selbstmordattentäter zum Beispiel ließen sich so bereits aus sicherer Distanz vertreiben. Klaus-Dieter Thiel, Projektleiter für nicht-letale Wirkmittel am Fraunhofer-Institut für chemische Technologie in Pfinztal, hat die Wirkung des Mikrowellen-Bannstrahls am eigenen Zeigefinger erlebt.

    " Es ist halt ein nicht-letales Wirkmittel, das eine immanente Eigenschaft der Abschreckung hat. Viele nicht-letale Wirkmittel haben nicht die Eigenschaft der Abschreckung, weil der Gegner weiß: Okay, das Tränengas werde ich überstehen, das Pfefferspray werde ich überstehen. Natürlich übersteht man auch die Millimeterwellenwaffe. Ich habe sie ja auch überstanden, aber es tut wirklich mehr als weh. Man wird in dem Fall versuchen, diesem elektromagnetischen Strahl sich zu entziehen. "

    Den geplanten Einsatz der Mikrowellenkanone in der grünen Sicherheitszone in Bagdad hat das US-Militär allerdings bis auf weiteres verschoben. Gesundheitliche Bedenken ließen zunächst weitere Tests angeraten erscheinen. Denn wie bei Tränengas und Gummigeschossen gilt auch hier: Bei falscher Dosierung können die Opfer nämlich schwere Verbrennungen erleiden oder erblinden. Für Heinz-Günther Witten, Experte für nicht-letale Waffen im Bundesverteidigungsministerium, sind das triftige Argumente gegen den Einsatz der mutmaßlichen Wunderwaffe.

    " Denn wenn der Strahl ins Auge geht, dann ist das Auge verloren. Und das wäre ja schon eine nachhaltige Schädigung, die wir ja eigentlich verhindern wollen oder die eigentlich von der Genfer Konvention nicht zulässig ist. "

    Laut humanitärem Völkerrecht ist es nämlich verboten, Waffen, die die Getroffenen nachhaltig schädigen könnten, gegen Zivilisten einzusetzen. Um die Ungefährlichkeit des Mikrowellen-Bannstrahls zweifelsfrei zu demonstrieren, testen die USA deshalb an Freiwilligen und Soldaten im eigenen Land weiter. Auch eine schwächere Variante der Strahlenkanone wird bereits erprobt. Geplanter Abnehmer: Zivile Polizei- und Sicherheitskräfte, die damit militante Demonstranten verjagen könnten. Die Fachleute der Bundeswehr verfolgen die Entwicklung genau, um sich ein eigenes Bild von den Chancen und Risiken der neuen Waffentechnologie zu machen. Heinz-Günther Witten.

    " Wir wollen keine dummen Käufer letztendlich sein, die Bundeswehr. Sondern, wenn wir so etwas einsetzen würden, dann wollen wir ganz genau wissen, was das ist. Dann wollen wir genau wissen, was da passiert und wollen nicht den Hochglanzprospekten glauben. "