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Milder und reifer

Auch ein Kerl wie Horst Peisker wird im Alter ruhiger. Galt er früher als harter Hund der Poesie, gibt er sich in seinem Spätwerk versöhnlicher: Er hat es nicht mehr nötig zu protzen, auch weil er seiner Mittel sicherer geworden ist.

Von Martin Lüdke | 30.06.2010
    Ein Mann wie ein Baum. Groß, mehr noch kräftig als dick. Eine tiefe, auch laute Stimme. Das genaue Gegenbild dessen, was sich der empfindsame Zeitgenosse unter einem Dichter vorstellt. Dementsprechend hat er angefangen. "Maniac" hieß eines seiner ersten Bücher, seinerzeit im März-Verlag von Jörg Schröder erschienen. Dieser Verleger attestierte ihm auch eine Nähe zu Bukowski, ohne jede Anleihe; und eine Härte, die R.D. Brinkmann übertreffe.

    Die neuen "ausgewählten Gedichte", viele durchaus zurecht "Balladen" genannt, spiegeln ein Lebenswerk, knappe fünfzig Jahre. Dazu: eine Entwicklung. Auf den hektischen Aktionismus seines Alter Ego, des jungen "Dillinger", folgte immer deutlicher erkennbar eine geduldige, manchmal sogar beschauliche Betrachtung. Horst Peisker ist ein Kind der Nachkriegszeit. Er wuchs auf in dem weitgehend zerstörten Frankfurt. Er kannte die Ecken, wo der Schwarzmarkt blühte, kannte Leute, die immer ein Messer in der Tasche trugen, und war damals selbst nicht zimperlich. Und man kannte ihn – in den Kneipen, der entsprechenden Szene, erkannte ihn – an seiner Statur und der schwarzen Lederjacke. Er war einer, der gern von Kumpels sprach, auch wenn er Gestalten wie Helmut Qualtinger meinte.

    Peisker ist aber nicht nur älter geworden, sondern auch milder und reifer. Die Kneipenszenen, oft tieftraurige Geschichten, die mit schwerer Zunge an der Theke erzählt werden, der schnelle Konter, wenn einer falsch kommt, solche Motive werden in den ersichtlich späteren Gedichten konterkariert von Natur- und Stimmungsbildern, Dein Herz – bis eben / Schlief's unter ner Brücke / Hebt ab bis rauf zu den Lerchen.

    Nur selten trumpft er noch auf, und selbst dort, wo noch der starke Mann durch die Verse dröhnt, lässt sich der elegische Tonfall kaum mehr überhören.

    Siehst gut aus Junge – tadellos
    So kann's bleiben – stimmt's
    Aber du weißt ja wie's ist
    Noch'n paar Jährchen
    Und du hängst mitten im Gilb
    Geht fix – ein paar Sachen
    Lassen sich nicht mehr reparieren
    Ein Klacks – irgendne Kleinigkeit
    Und rums ab geht's in die Grube
    So läuft das


    Er hat es nicht mehr nötig zu protzen, auch weil er seiner Mittel sicherer geworden ist.

    Im Auf und Ab dieser Balladen und Gedichte wird nun aber auch der Wandel einer Mentalität sichtbar. Eine, wie Peisker es nennt, bereits "vergessene Ära". Das Bild des Mannes, das er in einigen dieser Balladen noch einmal zeichnet, lässt sich als Reaktionsbildung erkennen. Kinder, die auf ihrem Schulweg über die Opfer der Bombenangriffe hinwegsteigen mussten, haben ihr Leben lang unter der Härte, die ihnen das Leben aufzwang, gelitten.
    Dein Leben – na wie war's / Musst nicht lange reden / Sag einfach es war'n Schuß in den Ofen.

    Das wäre, wenn es so wäre, eine bittere Bilanz. Aber das Bild täuscht, denn Horst Peisker hat für die Beschreibung eines solchen Lebens eine Form gefunden: in diesen Gedichten und Balladen, die weit mehr erzählen, als da geschrieben steht.
    Horst Peisker: Dillingers Blues.
    Die Balladen. Ausgewählte Gedichte
    Verlag G. H. Hofmann, Gemünden am Main,
    2010, 175 S., 14.80 Euro