Am 25. Oktober 2003, um die Mittagszeit, bemerkten die Bewohner von La Maddalena hektische Aktivitäten auf der amerikanischen U-Boot Basis direkt gegenüber der schmalen Meerenge, die den Hauptort von der Insel Santo Stefano trennt. Die USS Hartfort, ein atomgetriebenes Unterseeboot von 110 Metern Länge und 7000 Tonnen Wasserverdrängung hatte bei der Ausfahrt aus dem Archipel dreimal heftig mehrere Felsen unter Wasser gerammt.
Mit Mühe und Not wurde sie zurückgeschleppt und von eilig herbeigerufenen Tauchern begutachtet. Die Militärs hüllten sich in Schweigen, die Hartfort wurde in aller Heimlichkeit notdürftig repariert und dann in ihren Heimathafen Groton in Connecticut geschleppt. Erst vier Wochen später erfuhren die Bewohner von la Maddalena genauere Einzelheiten: der Schaden am U-Boot wurde intern auf neun Millionen Dollar beziffert, immerhin sei der Reaktor nicht beschädigt worden, heißt es in einer offiziellen Verlautbarung, die jedoch niemanden beruhigte. Die Maddalenini hatte die lange Heimlichtuerei zutiefst alarmiert.
"Bei einem Atomunfall müsste die hiesige Bevölkerung innerhalb von zwei Stunden aus des Gefahrenzone gebracht werden. Es ist völlig unmöglich, die Menschen hier wegzuschaffen, sie müssten erst nach Sardinien übersetzen und von dort ins Innere gebracht werden. Wenn der Unfall nun im Sommer passiert - wie sollen die Zehntausenden von Urlauber denn ins Landesinnere von Sardinien gebracht werden? Seit 25 Jahren schweigen die Verantwortlichen darüber, wie sie im Notfall die Bevölkerung retten wollen. Sie werden schon wissen warum."
Auf der Piazza von La Maddalena befinden sich zwei Straßencafés, eines direkt gegenüber dem Rathaus, das andere dreißig Meter weiter. In einem von beiden trifft man Pasqualino Serra ganz sicher entweder am späten Vormittag oder am Nachmittag. Pasqualino ist ein immer noch ansehnlicher Signore, ein älterer Herr im hellblauen kurzärmeligen Hemd und eleganter grauer Hose, beide passend zu den weißgrauen Haaren und den dichten silbergrauen Augenbrauen.
Pasqualino ist schlank und wenn er sitzt und seinen Espresso trinkt, hält er sich kerzengerade. Seine 78 Jahre sieht man Pasqualino überhaupt nicht an und er ist längst eine Institution in La Maddalena. Eine Kämpfernatur. Sogar zum Bürgermeister hat sich der ehemalige Steinbruchbesitzer vor gut zehn Jahren einmal wählen lassen - nur um seinem Ziel näher zu kommen, die amerikanische Militärbasis von seiner Insel zu vertreiben.
"Die Militärbasis muss weg aus unserem Archipel, die Inseln sind ein echtes Paradies für Urlauber. Während meiner Zeit als Bürgermeister habe ich es durchgesetzt, dass unsere Inseln zum Nationalpark erklärt wurden. Atom-U-Boote haben in einem Nationalpark nichts zu suchen."
Pasqualino Serra steht auf, zahlt seinen Espresso und geht zu seinem alten Land Rover. Nach einem Kilometer auf der Uferstraße hält Serra an und stellt den Motor ab. Dann zeigt er auf das gegenüberliegende Ufer der kleinen Insel Santo Stefano, auf das Kriegsschiff, das davor ankert und auf die dunklen Schatten die sich links und rechts davon im Wasser ducken.
"Entlang der Ostküste von Santo Stefano ist das Meer so tief, dass hier praktisch jedes Schiff ankern kann. An diesem 1500 Meter langen Küstenabschnitt könnten sämtliche Kreuzfahrtschiffe im Mittelmeer gleichzeitig anlegen. Stattdessen hat man unser Meer hier an die Kette gelegt: Da sieht man die Absperrung auf dem Wasser, das sind Schwimmer, an denen Stahlnetze hängen, die bis auf den Meeresgrund reichen, damit will man Terroranschläge verhindern.
Auf der Insel selbst haben sie Tunnel und Treibstofflager in den Berg gesprengt. Und dafür einen Kai aus Zement entlang der Küstenlinie gebaut, damit die Kriegsschiffe anlegen können. Das hat die gesamte Atmosphäre verändern. Nichts ist mehr wie es einmal war. 58.000 Quadratmeter haben sie für die amerikanische Basis enteignet. Als Entschädigung wollten sie uns 960.000 Lire, damals etwa 2000 Mark geben, die haben wir abgelehnt."
Und dann bricht es aus Pasqualino hervor. Die kleine Insel Santo Stefano das Herz des Archipels, umgeben vom tiefblauen Meer, heute zur Hälfte eine Militärbasis mit Dutzenden von Atomsprengkörpern und Atom-U-Booten war seine Schatzinsel, der Ort seiner Kindheit. Sein Großvater hatte sie gekauft, er selbst ist auf Santo Stefano geboren.
"Von hier wirkt sie klein, aber um sie ganz zu erkunden brauchte man viel Zeit. Während ich aufwuchs, traute ich mich immer weiter weg von unserem Haus und so entdeckte ich ständig was Neues. Am Ende kannte ich jeden Winkel, jede kleine Pfütze in der Krebse zu fangen gab. Natürlich habe ich schwimmen gelernt.
Ich hatte ständig rote Augen vom Salzwasser, ich war nur noch im Meer. Solche Erinnerungen wird man nicht mehr los. Schnecken habe ich gesammelt. Oder Feigen im Herbst, das war ein richtiges Fest. Dann kam die Orangen- und Zitronenernte. Ich hänge an diesen Erinnerungen, sie sind mein Leben."
Die Zeiten seiner Kindheit sind vorbei, das weiß auch Pasqualino Serra. Vorbei sind aber auch die Zeiten des kalten Krieges, und damit gibt es auch keinen Grund mehr, Atomwaffen und U-Boote auf seiner Insel zu beherbergen. Die Amerikaner hätten keine Schuld, darauf legt Pasqualino wert. Der italienische Staat hat ihm seine Insel weggenommen und jetzt will er sie wieder zurück haben. Die Zeit ist überreif.
"Wir haben ein Sprichwort, das lautet: nach drei Tagen ist der Gast wie ein Fisch - er beginnt zu stinken. Die amerikanische Basis ist nun schon bald 33 Jahre hier."
Mit Mühe und Not wurde sie zurückgeschleppt und von eilig herbeigerufenen Tauchern begutachtet. Die Militärs hüllten sich in Schweigen, die Hartfort wurde in aller Heimlichkeit notdürftig repariert und dann in ihren Heimathafen Groton in Connecticut geschleppt. Erst vier Wochen später erfuhren die Bewohner von la Maddalena genauere Einzelheiten: der Schaden am U-Boot wurde intern auf neun Millionen Dollar beziffert, immerhin sei der Reaktor nicht beschädigt worden, heißt es in einer offiziellen Verlautbarung, die jedoch niemanden beruhigte. Die Maddalenini hatte die lange Heimlichtuerei zutiefst alarmiert.
"Bei einem Atomunfall müsste die hiesige Bevölkerung innerhalb von zwei Stunden aus des Gefahrenzone gebracht werden. Es ist völlig unmöglich, die Menschen hier wegzuschaffen, sie müssten erst nach Sardinien übersetzen und von dort ins Innere gebracht werden. Wenn der Unfall nun im Sommer passiert - wie sollen die Zehntausenden von Urlauber denn ins Landesinnere von Sardinien gebracht werden? Seit 25 Jahren schweigen die Verantwortlichen darüber, wie sie im Notfall die Bevölkerung retten wollen. Sie werden schon wissen warum."
Auf der Piazza von La Maddalena befinden sich zwei Straßencafés, eines direkt gegenüber dem Rathaus, das andere dreißig Meter weiter. In einem von beiden trifft man Pasqualino Serra ganz sicher entweder am späten Vormittag oder am Nachmittag. Pasqualino ist ein immer noch ansehnlicher Signore, ein älterer Herr im hellblauen kurzärmeligen Hemd und eleganter grauer Hose, beide passend zu den weißgrauen Haaren und den dichten silbergrauen Augenbrauen.
Pasqualino ist schlank und wenn er sitzt und seinen Espresso trinkt, hält er sich kerzengerade. Seine 78 Jahre sieht man Pasqualino überhaupt nicht an und er ist längst eine Institution in La Maddalena. Eine Kämpfernatur. Sogar zum Bürgermeister hat sich der ehemalige Steinbruchbesitzer vor gut zehn Jahren einmal wählen lassen - nur um seinem Ziel näher zu kommen, die amerikanische Militärbasis von seiner Insel zu vertreiben.
"Die Militärbasis muss weg aus unserem Archipel, die Inseln sind ein echtes Paradies für Urlauber. Während meiner Zeit als Bürgermeister habe ich es durchgesetzt, dass unsere Inseln zum Nationalpark erklärt wurden. Atom-U-Boote haben in einem Nationalpark nichts zu suchen."
Pasqualino Serra steht auf, zahlt seinen Espresso und geht zu seinem alten Land Rover. Nach einem Kilometer auf der Uferstraße hält Serra an und stellt den Motor ab. Dann zeigt er auf das gegenüberliegende Ufer der kleinen Insel Santo Stefano, auf das Kriegsschiff, das davor ankert und auf die dunklen Schatten die sich links und rechts davon im Wasser ducken.
"Entlang der Ostküste von Santo Stefano ist das Meer so tief, dass hier praktisch jedes Schiff ankern kann. An diesem 1500 Meter langen Küstenabschnitt könnten sämtliche Kreuzfahrtschiffe im Mittelmeer gleichzeitig anlegen. Stattdessen hat man unser Meer hier an die Kette gelegt: Da sieht man die Absperrung auf dem Wasser, das sind Schwimmer, an denen Stahlnetze hängen, die bis auf den Meeresgrund reichen, damit will man Terroranschläge verhindern.
Auf der Insel selbst haben sie Tunnel und Treibstofflager in den Berg gesprengt. Und dafür einen Kai aus Zement entlang der Küstenlinie gebaut, damit die Kriegsschiffe anlegen können. Das hat die gesamte Atmosphäre verändern. Nichts ist mehr wie es einmal war. 58.000 Quadratmeter haben sie für die amerikanische Basis enteignet. Als Entschädigung wollten sie uns 960.000 Lire, damals etwa 2000 Mark geben, die haben wir abgelehnt."
Und dann bricht es aus Pasqualino hervor. Die kleine Insel Santo Stefano das Herz des Archipels, umgeben vom tiefblauen Meer, heute zur Hälfte eine Militärbasis mit Dutzenden von Atomsprengkörpern und Atom-U-Booten war seine Schatzinsel, der Ort seiner Kindheit. Sein Großvater hatte sie gekauft, er selbst ist auf Santo Stefano geboren.
"Von hier wirkt sie klein, aber um sie ganz zu erkunden brauchte man viel Zeit. Während ich aufwuchs, traute ich mich immer weiter weg von unserem Haus und so entdeckte ich ständig was Neues. Am Ende kannte ich jeden Winkel, jede kleine Pfütze in der Krebse zu fangen gab. Natürlich habe ich schwimmen gelernt.
Ich hatte ständig rote Augen vom Salzwasser, ich war nur noch im Meer. Solche Erinnerungen wird man nicht mehr los. Schnecken habe ich gesammelt. Oder Feigen im Herbst, das war ein richtiges Fest. Dann kam die Orangen- und Zitronenernte. Ich hänge an diesen Erinnerungen, sie sind mein Leben."
Die Zeiten seiner Kindheit sind vorbei, das weiß auch Pasqualino Serra. Vorbei sind aber auch die Zeiten des kalten Krieges, und damit gibt es auch keinen Grund mehr, Atomwaffen und U-Boote auf seiner Insel zu beherbergen. Die Amerikaner hätten keine Schuld, darauf legt Pasqualino wert. Der italienische Staat hat ihm seine Insel weggenommen und jetzt will er sie wieder zurück haben. Die Zeit ist überreif.
"Wir haben ein Sprichwort, das lautet: nach drei Tagen ist der Gast wie ein Fisch - er beginnt zu stinken. Die amerikanische Basis ist nun schon bald 33 Jahre hier."