Samstag, 27. April 2024

Archiv

Militärreform
Japan erlaubt umstrittene Auslandseinsätze

Japan will erstmals seit Ende des Zweiten Weltkriegs wieder Soldaten zu Kampfeinsätzen ins Ausland schicken. Das Unterhaus in Tokio hat trotz massiver öffentlicher Proteste und eines Boykotts der Opposition für die umstrittene Militärreform gestimmt - und das, obwohl die Verfassung das verbietet.

Von Jürgen Hanefeld | 16.07.2015
    Japanische Demonstranten protestieren dagegen, Soldaten in Kampfeinsätze zu schicken.
    Japanische Demonstranten protestieren dagegen, Soldaten in Kampfeinsätze zu schicken. (dpa/picture-alliance/Kimimasa Mayama)
    Seit Monaten protestieren Japaner landauf landab gegen die sogenannten Sicherheitsgesetze, aber vergeblich. Der rechtsnationalistische Premierminister ließ sich nicht beirren. Mit der Mehrheit seiner "Liberaldemokratischen Partei" LDP und einem kleinen Koalitionspartner setzte sich Shinzo Abe im Unterhaus in Tokio am Vormittag durch: "Es geht um die Sicherheit der Region und darum, Japan und sein Volk zu schützen", sagte Abe. "Weil die neuen Gesetze eine schnelle Gegenwehr erlauben, brauchen wir sie."
    Peking wird nicht genannt, ist aber gemeint, wenn von Schutz und Gegenwehr die Rede ist. Chinas Expansion vor allem im Pazifischen Ozean ist nicht zu übersehen und wird von Japan wie von den USA als bedrohlich empfunden. Japan rüstet bereits nach, doch seine Streitkräfte sind per Grundgesetz darauf beschränkt, allein den eigenen Boden verteidigen. Das steht klipp und klar in Artikel neun der sogenannten Friedensverfassung. Sie wurde den Japanern übrigens nach dem Zweiten Weltkrieg von den USA diktiert.
    Als Partner im Bündnis mit den USA
    Doch heute hat sich das Welttheater gewandelt. Die Amerikaner möchten Japan nicht mehr als schutzbedürftigen Mündel, sondern als wehrhaften Partner umarmen. Damit kommen sie den Interessen der japanischen Regierung entgegen, die die Vergangenheit verdrängen und einen neuen Nationalstolz fördern will. Anstatt auf Selbstverteidigung festgelegt zu sein, soll Japans gut gerüstete Armee kollektive Bündnisse eingehen können - Seite an Seite vor allem mit den USA.
    Doch in zahllosen Umfragen wird klar: Die große Mehrheit der Japaner will das nicht. Deswegen meidet der Premier den vorgesehenen Weg zur Änderung der Verfassung. Er geht mit den heute beschlossenen Gesetzen einfach darüber hinweg. Viele Japaner sind empört:
    "Japan hat geschworen, nie wieder Krieg zu führen. Diese Gesetze zerstampfen unsere Verfassung."
    "Es sind so viele Leute gegen die Gesetze. Sie einfach durchzuboxen, ist wirklich undemokratisch. Es ist unverzeihlich."
    Rückhalt für Abe sinkt
    In den vergangenen Monaten hat die Zahl der Gegner des Ministerpräsidenten deutlich zugenommen, die seiner Unterstützer ist zusammengeschmolzen. Das gilt auch und besonders für Intellektuelle: Künstler, Wissenschaftler und vor allem Juristen, die dem Regierungschef offen Verfassungsbruch vorwerfen.
    Den schlichten Einwand, das Volk verstehe diese Gesetze ja gar nicht, fegte Abe mit dem Argument vom Tisch: "Ich weiß, das Volk versteht die Gesetze nicht. Das ist ein Grund, das Verständnis zu fördern. Trotzdem haben wir die Pflicht, Leben und Glück des Volkes zu schützen." Ob es will oder nicht.