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Milliarden für die Bildung?

Der Bildungsökonom Ludger Wößmann hat die Pläne von Bundesministerin Schavan, Milliardeninvestitionen zur Modernisierung von Bildungseinrichtungen einzusetzen, grundsätzlich begrüßt. "Gute Bildung" sei langfristig der wichtigste Bestandteil einer Wachstumsstrategie. Wößmann riet jedoch davon ab, das Geld nur in den Personalbereich zu stecken. Mehr Lehrer und kleinere Klassen führten nicht unbedingt zu besserem Lernen, gab der Wirtschaftsforscher zu bedenken.

Ludger Wößmann im Gespräch mit Kate Maleike |
    Kate Maleike: Geschenke und Pakete haben jetzt in der Adventszeit wieder Hochsaison. Vielerorts wird wieder verpackt, geklebt, gebastelt und beschriftet. Auch in der Politik werden derzeit kräftig Konjunkturpakete geschnürt, nur die Adressen sind noch nicht so ganz klar, denn Anmeldungen gibt es viele, die Begehrlichkeiten sind groß. Auch in die Bildung soll investiert werden. Bundesministerin Schavan hat am Wochenende vorgeschlagen, Bund, Länder und Kommunen sollten 4,6 Milliarden Euro zur Sanierung und Modernisierung von Schulen und Hochschulen einsetzen. Professor Ludger Wößmann ist Bildungsökonom an der LMU in München und Bereichsleiter am dortigen ifo-Institut für Wirtschaftsforschung. Guten Tag, Herr Wößmann!

    Ludger Wößmann: Guten Tag!

    Maleike: Wie beurteilen Sie denn diese Vorschläge?

    Wößmann: Ich denke, wenn es in der Tat so ist, dass sich die Politik aus konjunkturellen Gründen dafür entscheidet, wirklich ein Paket aufzulegen, wo öffentliche Ausgaben getätigt werden sollen, dann ist es sicherlich generell eine gute Idee, sich dort auch zur Bildung hinzuwenden und zu überlegen, ob da Geld sinnvoll eingesetzt werden könnte.

    Maleike: Aber ich dachte, wir hätten dieses Geld nicht?

    Wößmann: Ja, das ist genau der Punkt, den wir generell hören in Zeiten, wo versucht wird, die öffentlichen Kassen zusammenzuhalten, da muss gespart werden. Und dann wird immer gesagt, klar, würden wir gerne etwas für die Bildung tun, vor allem, weil es ja für die Zukunft unseres Landes sehr wichtig ist, nur leider haben wir nicht genug Geld in den staatlichen Kassen. Wenn es jetzt aber heißt aus ganz anderen Gründen, weil bei uns eine große Rezession droht, ist es wichtig, die gesamtwirtschaftliche Nachfrage zu stabilisieren, und darum muss der Staat jetzt auch mal tatsächlich in Ausgabenprogramme gehen, und das hat ja zunächst mal überhaupt nichts mit der Bildung zu tun, dann ist natürlich zu überlegen, wie man es ausgeben sollte. Rein konjunkturpolitisch kann es Situationen geben, und das mag vielleicht jetzt hier sein, dass es einfach wichtig ist, dass der Staat hier gesamtwirtschaftliche Nachfrage schafft. Dann kann man einfach losgehen und den Menschen sagen, so, buddelt ein tiefes Loch und schüttet das gleiche Loch wieder zu, dafür kriegt ihr Geld, und insgesamt wird dadurch die Wirtschaft angeregt. Das ist sozusagen eine klassische konjunkturpolitische Maßnahme. Da wäre es natürlich viel sinnvoller zu sagen, wir wollen genauso diese Nachfrage schaffen, aber das gleichzeitig so einsetzen, dass wir langfristig mehr davon haben, als nur sinnlos das Geld ausgegeben zu haben. Und da ist es natürlich so, Ausgaben für die Bildung bedeuten, dass langfristig die Menschen bessere Grundlagen haben, mehr Wissen und damit dann insgesamt die Volkswirtschaft produktiver wird. Bildung, gute Bildung ist langfristig wohl der wichtigste Bestandteil einer Wachstumsstrategie, und darum macht es Sinn, wenn man öffentliche Gelder ausgeben will, dort hinzuschauen.

    Maleike: Jetzt hat aber Ihr Institut eine Studie vorgelegt, wonach bis 2020 rund 73 Milliarden Euro notwendig wären, um die Bildungseinrichtungen wieder flott zu kriegen, um das mal so zu formulieren. 4,6 Milliarden scheinen doch dann relativ wenig zu sein?

    Wößmann: Ja, die Größenordnung hier ist natürlich viel politisches Geplänkel in diesem Bereich. Es ist die Frage, ob hier um zusätzliche Ausgaben gesprochen wird oder über das generelle Ausgabenniveau. Dann ist natürlich hier ein großes Problem darin, ob es um kommunale Landes- oder Bundesausgaben geht. Das wird sicherlich etwas sein, woran dieses Paket oder die Idee auch sehr leicht scheitern kann. Wir haben es beim Bildungsgipfel gesehen, dass dort die Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern so sehr zu Gezänke führen, dass wir letztendlich zu einem solchen Paket nicht kommen. Die Gefahr besteht hier natürlich auch.

    Maleike: Was müsste denn passieren, damit das Geld tatsächlich auch wirken kann?

    Wößmann: Ja, das ist ein großer Knackpunkt, und da warnen wir Bildungsökonomen natürlich sehr gerne, weil es tendenziell häufig zu sehen ist, dass mehr Ausgaben nicht automatisch bedeuten, dass die Schülerinnen und Schüler, die Studenten wirklich mehr lernen. Aber letztendlich kommt es genau darauf an, was gelernt wird. Insofern wäre es bei jeglicher solcher Maßnahmen wichtig zu überlegen, was ist denn wirklich wichtig und was führt dazu, dass mehr dabei an Wissen herauskommt. Vielleicht sind da Programme von Interesse, die ja jetzt ein bisschen länger diskutiert wurden und bisher den Sparzwängen zum Opfer gefallen sind, wo es darum geht, Ganztagsschulen errichten zu können und da es häufig ganz einfach an Cafeterias und so was fehlt, an Aufenthaltsräumen. Das wären natürlich Maßnahmen, wo es begrüßenswert wäre, wenn wir jetzt möglichst schnell da rankommen könnten.

    Maleike: Die Handwerkskammern haben sich ja schon gefreut, als die ersten Nachrichten durchkamen, dass es möglicherweise ein solches Konjunkturprogramm geben wird für die Sanierung der Gebäude. Aber natürlich stellt man sich auch die Frage, warum stellen wir nicht erst mal mehr Lehrer ein oder mehr Professoren?

    Wößmann: Das ist in der Tat einer der Punkte, wo eigentlich die Zweifel daran aufkamen, wie viel zusätzliches Geld eigentlich bringt. Zum Beispiel haben wir vielfach gesehen, dass einfach Klassengrößen zu verkleinern, mehr Lehrer einzustellen, ohne ansonsten wirklich Rahmenbedingungen zu verbessern, nicht unbedingt zu besserem Lernen führt. Vielfach sehen wir, dass insgesamt eigentlich auch sehr viel Geld gerade in Deutschland in den reinen Personalbereich läuft und es vielleicht gerade an dem materiellen Bereich, auch an den Gebäuden und so eher mangelt. Wenn jetzt dieses Konjunkturpaket dazu führt, sogar tatsächlich eher in Bereiche, wo es vielleicht sogar mehr mangelt, hineinzugehen, könnte das eher sogar begrüßenswert sein im Vergleich dazu, mehr Lehrer einzustellen, die aber jetzt generell nicht so eingesetzt werden, dass da mehr bei rumkommen würde.

    Maleike: Noch mal ganz zurück zum Bildungsgipfel, den Sie angesprochen hatten: Damals war ja eigentlich ganz wenig Konkretes rausgekommen, wohl aber die Ankündigung, dass eine Arbeitsgruppe eingesetzt wird, die bis Ende 2009 Vorschläge machen soll, wie Ausgaben für Bildung auf sieben Prozent des Bruttoinlandproduktes dann hochgeschraubt werden könnten. Wissen Sie davon, ob diese Arbeitsgruppe bereits aktiv ist und möglicherweise sogar hinter diesen 4,6 Milliarden steckt?

    Wößmann: Das ist mir nicht bekannt. Ich weiß auch nicht mehr. Mir kam es da sehr stark so vor, dass das wirklich etwas war, wo man Dinge auf die lange Bank geschoben hat, weil man sich genau zwischen Bund und Ländern nicht einigen konnte, wer denn hier die Ausgabenverantwortung kriegen sollte. Das Gleiche werden wir sicherlich jetzt in diesen Diskussionen wieder sehen, und die Politiker wären in diesem Bereich gut beraten, wenn sie diese Ränkespielchen zwischen den verschiedenen staatlichen Ebenen hintanstellen würden, denn ansonsten wird sicherlich auch in diesem Bereich wieder nicht viel für die Bildung herauskommen.

    Maleike: Danke schön! Professor Ludger Wößmann war das. Er ist Bildungsökonom an der LMU in München und Bereichsleiter am dortigen ifo-Institut für Wirtschaftsforschung.