Archiv


Milliardengrab Mars?

Raumfahrt. - In der kommenden Woche tagt der Esa-Ministerrat in Den Haag. Auf der zweitägigen Tagung geht es vor allem um das Geld für die nächsten drei Jahre und strategische Weichenstellungen für die weitere Zukunft. Derzeit besonders gefährdet erscheint Europas Marsmission ExoMars.

Von Dirk Lorenzen |
    Aurora heißt Europas Programm zur Erkundung des Planetensystems, nach der Göttin der Morgenröte. Die erste Mission dieses Programms soll ExoMars sein. Eine Sonde landet auf dem Mars und ein fahrbares Labor erkundet den roten Planeten und sucht nach Lebensspuren. Doch die Morgenröte für ExoMars lässt auf sich warten, erklärt Johann-Dietrich Wörner, Vorstandschef des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt DLR:

    "ExoMars ist ein sehr anspruchsvolles Programm. Die Ausgangsfinanzierung liegt bei 650 Millionen Euro. Nachdem man die ganzen wissenschaftlichen Nutzlasten, die von den Wissenschaftlern mit Nachdruck und nachvollziehbar gefordert wurden, untersucht und die Transportmöglichkeiten neu kalkuliert hat, ist man auf eine Summe gekommen, die mindestens 1,2 Milliarden Euro beträgt. Das ist eine Summe, die doch ein erhebliches Nachdenken erfordert. Da kann man nicht einfach zur Tagesordnung übergehen: OK, machen wir es hat doppelt so teuer wie ursprünglich geplant."

    Die ExoMars-Mission gehört nicht zum Kernwissenschaftsprogramm der Esa. Nur am Wissenschaftsprogramm müssen sich alle Mitgliedsstaaten entsprechend ihrer Wirtschaftskraft beteiligen. Bei allen anderen Projekten entscheiden die Staaten von Fall zu Fall, ob und in welchem Umfang sie mitmachen. Rechnet man mögliche Beteiligungen von internationalen Partnern wie Kanada oder Japan hinzu, fehlen ExoMars immer noch gut 400 Millionen Euro. Für Esa-Generaldirektor Jean-Jacques Dordain ist das keine Überraschung:

    "Das Geld, das wir zusätzlich brauchen, sind nicht einfach aus dem Ruder gelaufene Kosten. 2005 war ExoMars im wesentlichen eine Mission, um technische Fähigkeiten zu entwickeln und zu testen – und nebenher gab es etwas Wissenschaft. Dann aber war das Interesse am Mars und an der Exobiologie so groß, dass sehr viele Wissenschaftler Instrumente auf dem Fahrzeug unterbringen wollten. Daher haben wir die Sonde komplett umkonzipiert. So ist 2008 ExoMars schwerer, komplexer und vielseitiger – und damit auch teurer. Wir brauchen in Den Haag eine Entscheidung, um ExoMars zu vollenden. Es ist doch noch immer eine fantastische Mission!"

    Es klingt fast schon etwas beschwörend. Für die Esa wäre es eine böse Pleite, sollte ausgerechnet das ambitionierte ExoMars-Projekt scheitern. Als Notlösung wollen die Esa-Manager den Mitgliedsstaaten bis Ende 2009 das Türchen offen halten, doch noch bei ExoMars verstärkt mitzumachen. Deutschland, das gut 80 Millionen Euro zur Mission besteuert, wird jedenfalls nicht viel mehr geben, betont DLR-Chef Johann-Dietrich Wörner:

    "Die Diskussion ist im Moment sehr dramatisch. Die Italiener, die offensichtlich stark ihr Esa-Budget begrenzen wollen zugunsten des nationalen Budgets, haben klar gesagt, bei ExoMars würden sie keine zusätzliche Finanzierung bereitstellen. Das ist insofern kritisch als die Italiener den größten Beitrag haben an ExoMars. Wenn die Italiener bei ihrer Position bleiben, ist sicher ein Konzept mit 1,2 Milliarden Euro nicht realistisch. Insofern muss man jetzt sehen, ob man das Gesamtsystem neu konfiguriert, um dann vielleicht doch noch zu fliegen – eventuell in Zusammenarbeit mit den Amerikanern. Da gibt es erste Diskussionen."

    Bei ExoMars ist kommende Woche viel diplomatisches Geschick gefragt. Pikanterie am Rande: Die Esa-Ministerratstagung in Den Haag findet ausgerechnet unter Vorsitz Italiens statt. Ob das eine Bürde oder Chance ist, wird man sehen. Zwar verfolgt Italien seit dem Regierungswechsel in der Raumfahrt einen fast antieuropäischen Kurs, wie manche Beobachter meinen. Aber Italien kann kein Interesse an einem völligen Scheitern der ExoMars-Mission haben – denn damit würde sich das Land bescheinigen, nicht in der Lage zu sein, eine große Esa-Mission zu leiten. So sieht es nach einer durchaus Esa-typischen Lösung aus: Der Start wird ein weiteres Mal verschoben, von 2013 auf 2016. Und dann hofft man einfach, dass das fehlende Geld doch noch irgendwo auftaucht.