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Millionär und Abgeordneter in Transnistrien

Die Transnistrische Moldauische Republik mit ihrer Hauptstadt Tiraspol ist ein schmaler Landstrich, international anerkannt ist die Republik nicht. Sie verfügt über einen Präsidenten, ein Parlament, doch mit der Demokratie hapert es. Das will Jurij Kuzmenko, ein Abgeordneter und Unternehmer, ändern. Gesine Dornblüth hat ihn an seine Geburtstag getroffen.

20.08.2008
    Jurij Kuzmenko hat Geburtstag. 38 Jahre wird er an diesem Tag alt, und seine engsten Mitarbeiter überreichen Blumen und Geschenke.

    Die Angestellten haben sogar ein Gedicht für ihn geschrieben: mit guten Wünschen für den Chef - und für das Geschäft. 650 Menschen beschäftigt er. Jobs sind rar in Transnistrien, wer eine Arbeitsstelle hat, ist dankbar.

    Jurij Kuzmenko ist einer der zehn reichsten Männer der international nicht anerkannten Republik Transnistrien. Der hochgewachsene Mann mit dem stets etwas trotzigen Gesichtsausdruck besitzt ein kleines Firmenimperium. Sein Betrieb beackert 7500 Hektar Land, ihm gehören 850 Kühe, und er ist Generalvertreter eines niedersächsischen Landmaschinenherstellers für die Republik Moldau. Ferner handelt Kuzmenko mit Autos, und ihm gehören eine Meierei, in der Eis und Käse gemacht werden, sowie einige Tankstellen.

    Artig bedankt er sich für die Glückwünsche - um dann sofort ins Geschäftliche zu wechseln.

    "Sie sind sehr aufmerksam. Ich bin glücklich, dass Sie alle die Firma Lyukka verbindet, deren Direktor ich bin. 15 Jahre ohne Urlaub, ohne Wochenende, ohne Mittagspause, und 20 Stunden Arbeit am Tag - so wirst du ein erfolgreicher Geschäftsmann in jedem Staat der Welt, selbst in einem nicht anerkannten. "

    Transnistrien hat sich Anfang der 90er Jahre von der Republik Moldau abgespalten. Die rumänische Bevölkerungsmehrheit forderte damals einen Anschluss der Republik Moldau an das Nachbarland Rumänien; die russische Bevölkerung, die vor allem im transnistrischen Landesteil lebt, fürchtete um ihre Rechte und gründete einen eigenen Staat.

    Kuzmenko, damals zwanzig, kämpfte zwei Monate als Freiwilliger auf transnistrischer Seite. Die Anschlussbestrebungen der Moldauer an Rumänien sind mittlerweile vom Tisch, doch die Transnistrier halten an der Idee eines eigenen Staates fest. Auch Kuzmenko. Er eilt in seine Meierei.

    Das einst staatliche Kombinat stammt aus den frühen 80er Jahren. Rohre rosten. Der Boden ist uneben. Lange ist nichts investiert worden - bis Kuzmenko das Werk übernahm und zumindest in einem Raum Eismaschinen, eine Kühlung, Verpackungsautomaten und anderes Gerät aufstellte. Hier blitzt alles. Doch die Maschinen stehen still. Heute ist keine Milch geliefert worden. Defizite wie in der Sowjetunion. Kuzmenko runzelt die Stirn. Und er hat Dreck entdeckt, Rost, an einer der neuen Maschinen. Streng blickt er die Betriebsleiterin an.

    "Sie müssen hier vor allem erst mal Ordnung schaffen. Der Betrieb muss 24 Stunden arbeiten. Wir haben hier eine Million Dollar investiert, um Gewinn zu machen. Der Betrieb muss laufen. Wir müssen produzieren. Die Verzögerungen fressen uns auf. Wir müssen noch sehr viel tun, um die Produktion zu perfektionieren. Wir sind erst auf der Hälfte des Weges. "

    Der Weg, das ist für Kuzmenko klar, führt in die Europäische Union. Er glaubt an die Mechanismen der Marktwirtschaft, und seine Vorbilder sind die USA und die EU. Das unterscheidet ihn von vielen anderen Transnistriern. Die Republik ist isoliert. Vieles hier erinnert an die Sowjetunion. Die Geheimdienste sind überall präsent. Eine echte Opposition gibt es nicht. Und die Reichtümer sind in den Händen weniger. Kuzmenko aber möchte seine Produkte, Getreide, Eis, Käse, irgendwann einmal in die EU verkaufen.

    "Träume werden manchmal wahr! Okay, bisher nicht. Aber es ist eine Frage der Zeit. Die Hauptsache ist, etwas zu wollen und zu machen. Wenn wir alles so lassen, wie es in der Sowjetunion war, haben wir am Ende gar nichts. "

    Und um seine Vorstellungen von der Zukunft Transnistriens durchzusetzen, sitzt Kuzmenko auch im Parlament der nicht anerkannten Republik. Er will die Gesellschaft öffnen.

    "Ich träume davon, dass unser Land frei sein wird, wirtschaftlich und politisch unabhängig, glücklich und wohlhabend. Ich träume davon, dass es irgendwann anerkannt wird."