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Millionen für den Kampf gegen Hunger

Das Bundesentwicklungsministerium, die Bill und Melinda Gates-Stiftung und mehrere Wirtschaftsunternehmen haben ein gemeinsames Vorhaben zur Hungerbekämpfung angekündigt. Gemeinsam wollen sie 80 Millionen Euro für Projekte zur Ernährungssicherung bereitstellen.

Von Daniela Siebert | 04.02.2013
    "Wir wollen dazu beitragen, dass in der ländlichen Entwicklung mehr investiert wird, um Armut und Hunger zu bekämpfen, und wir wollen vor allem dazu beitragen, dass in unseren Partnerländern komplette Wertschöpfungsketten in den Blick genommen werden: Produzieren, weiter veredeln und dann verkaufen – das führt zu einem Mehrwert und zu besseren Chancen für die Menschen in unseren Partnerländern."

    Bundesentwicklungsminister Dirk Nebel. Dabei denkt er an so unterschiedliche Dinge wie Ausbildung in Tröpfchen Bewässerung oder Anreicherung von Speiseölen mit Vitamin A. Dieses Hilfspaket soll Menschen in Afrika und Asien zugutekommen, in unterschiedlichen Projekten. Die teilnehmenden Wirtschaftsunternehmen tun dies aus eigenem Antrieb, so der Minister, sie wurden nicht nach bestimmten entwicklungspolitischen Kriterien ausgesucht. Mit im Boot sind Firmen wie BASF, Bayer CropScience, Syngenta und Royal DSM, ein führender Produzent von Vitaminen und Enzymen. Darunter viele Vorreiter in der Entwicklung gentechnisch veränderter Pflanzen und Nahrungsmittel. Die Förderung der Produktion von Kartoffeln und Reis mit gesteigertem Nährwert ist erklärtes Ziel des Hilfevorhabens. Angereichert heiße aber nicht gentechnisch verändert, betont Dirk Niebel.

    "Nein, das heißt es ausdrücklich nicht, ich würde das nicht generell ausschließen, aber es ist nicht vorgesehen bei diesen Projekten."

    Mindestens eine Million Euro Hilfe will BASF für Workshops und Trainings für Einheimische und den Einsatz von maßgeschneiderten Produkten wie Analyseköfferchen beisteuern, sagt Andreas Bluethner, Leiter der Ernährungssicherung bei BASF:

    "Das geht von Bewässerungsanlagen über Landmaschinen bis hin zu Vitaminen, die den Nährwert von Grundnahrungsmitteln erheblich verbessern können."

    Gentechnisch veränderte Reissorten, an denen BASF unter anderem in Kooperation mit Bayer CropScience arbeitet, sollen laut Bluethner bei den Hilfsprojekten nicht zum Einsatz kommen. Keinen Hehl macht er daraus, dass auch eine Portion Eigennutz mitspielt.

    "Wenn wir uns mit der Bekämpfung der Mangelernährung in dem Land auch positiv mit den Gruppen, mit denen wir zusammenarbeiten, positionieren können, dann ist das sicherlich ein Aspekt, aber nicht der maßgebliche."

    Solche Motive garantierten die Nachhaltigkeit dieser Public-Private-Partnership-Projekte, versichert Bundesentwicklungsminister Niebel:

    "Natürlich muss ein Unternehmen auch ein wirtschaftliches Interesse langfristig an einem derartigen Projekt haben, denn es soll sein eigenes Geld investieren und zwar nachhaltig. Das bedeutet, wenn in einer PPP-Phase nach drei Jahren spätestens das Projekt abgeschlossen ist, dann muss das wirtschaftliche Interesse so groß sein, dass das Projekt weiterläuft, weil sonst wir zwar drei Jahre ein tolles Projekt gemacht haben, aber keine nachhaltige Entwicklung angeschoben haben."

    Viele Hilfsorganisationen und Nahrungsmittelexperten sehen das Hilfspaket kritisch. Oxfam-Agrar-Expertin Marita Wiggerthale:

    "Wir sehen das Problem darin, dass das Entwicklungsministerium eben sehr stark eine Kooperation mit dem Agrobusiness eingeht und damit eben auch sehr stark das Modell und die Art der Landwirtschaft, die vom Agrobusiness propagiert wird, auch unterstützt wird. Das bedeutet am Ende negative Auswirkungen für die Umwelt und, dass die Bedürfnisse der Mehrheit der Kleinbäuerinnen und -bauern nicht beachtet werden."

    Differenzierter urteilt Mathias Mogge von der Welthungerhilfe: Es sei grundsätzlich gut, wenn sich die Privatwirtschaft in der Entwicklungshilfe engagiere, weil damit auch zusätzliches Geld für Hilfsprojekte fließe. Den Einsatz von angereicherten Nahrungsmitteln goutiert er weniger:

    "Meines Erachtens kann das durchaus sinnvoll sein, aber eher als Übergang. Wie gesagt sind diese Nahrungsmittel häufig auch genetisch modifiziert und wir achten das eigentlich nicht für das Zukunftsmodell der ländlichen Entwicklung oder der Armutsbekämpfung, weil das Bevölkerung, Kleinbauern letzten Endes, in eine Abhängigkeit bringt von diesem speziell gezüchteten Saatgut und das kann eigentlich nicht die Lösung sein."

    Die einheimischen Behörden und Bauern seien auch oft mit der kritischen Beurteilung überfordert, was da eigentlich zum Einsatz komme.

    Christof Potthof vom Gen-ethischen Netzwerk hat beim Blick auf die beteiligten Firmen ebenfalls Bedenken: Zum einen könnte es um die Freisetzung gentechnisch veränderter Sorten gehen und damit um das Schaffen von Fakten, was die Verbreitung solcher Pflanzen angeht. Zum andern fehle bei angereicherten Lebensmitteln oft der wissenschaftliche Beweis, dass sie gefahrlos das leisten, was die Hersteller versprechen. Und selbst wenn solche Wirtschaftsunternehmen nur beraten, sei das schon problematisch, findet Potthof, denn in vielen Ländern gebe es keine interessenfreie Beratung der Landwirte von staatlicher Seite mehr.

    "Damit werden Freiräume geschaffen, wo gerade auch wieder die großen Konzerne, die letztendlich auch ein Beratungssystem stemmen können, finanziell aber auch personell, die gehen natürlich gerne rein und verkaufen dann aber auch Konzepte mit, das heißt, BASF wird natürlich den Teufel tun und den ökologischen Landbau promoten, wo sie nicht ein einziges Produkt am Start haben."

    Syngenta beispielsweise ist seit Jahren damit beschäftigt, sein Produkt "Golden Rice" in den Anbau und auf den Markt zu bringen. Dieser "goldene Reis" ist durch gentechnische Verfahren mit Betacarotin angereichert und soll gegen Augenkrankheiten helfen, die beispielsweise in Asien verbreitet sind. Syngenta hat auf die Deutschlandradio-Anfrage, was sie zum Hilfspaket beitragen wollen bislang nicht geantwortet.