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Millionengeschenk von Unbekannt

Vor zehn Jahren machte die CDU in der sogenannten Parteispendenaffäre eine ihrer schwersten Krisen durch. Vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss des Bundestags musste Helmut Kohl am 29. Juni 2000 erstmals zu den illegalen Spenden und schwarzen Kassen seiner Partei Stellung nehmen.

Von Otto Langels | 29.06.2010
    "Also, dass der Bundeskanzler Helmut Kohl mit einem Betrag von knapp zwei Millionen in sechs Jahren bestochen worden sei, das ist doch ziemlich abwegig",

    erklärte Altbundeskanzler Helmut Kohl nach seinem ersten Auftritt vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss des Bundestags am 29. Juni 2000. Der Ausschuss hatte die Aufgabe, den Parteispendenskandal der CDU aufzuklären.

    Begonnen hatte die Affäre ein halbes Jahr zuvor mit einem Haftbefehl des Amtsgerichts Augsburg gegen den damaligen Schatzmeister der Partei, Walther Leisler Kiep, wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung. Kiep hatte auf einem Parkplatz in der Schweiz von dem Waffenlobbyisten Karlheinz Schreiber eine Million Mark in bar in einem Koffer erhalten, als Spende für die Christlich Demokratische Union.

    Aufgrund der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Augsburg erfuhr die Öffentlichkeit von schwarzen Kassen, geheimnisvollen Geldspendern und dubiosen Auslandskonten der CDU. Offensichtlich hatte die CDU nichts aus der Flick-Spendenaffäre anderthalb Jahrzehnte zuvor gelernt.

    Anfang Dezember 1999 konstituierte sich dann der Untersuchungsausschuss. Der Obmann der SPD, Frank Hofmann, forderte im Bundestag Aufklärung.

    "Woher kamen die Schwarzgelder, von wem kamen sie, wo gingen die Gelder hin, wofür haben die Spender Gelder gegeben, nur so zum Spaß?"

    Die CDU werde prüfen, ob sie rechtliche Bestimmungen missachtet habe, kündigte daraufhin der Partei- und Fraktionsvorsitzende Wolfgang Schäuble an.

    "Die Christlich Demokratische Union wird alles tun, damit auch für die Vergangenheit geklärt wird, ob wir uns daran gehalten haben. Und wenn sich daraus Konsequenzen ergeben, sind sie für uns bitterer als für andere."

    Der Aufklärungswille der CDU stieß jedoch an Grenzen. Altkanzler Helmut Kohl vermied zunächst jede Stellungnahme. Erst Mitte Dezember bekannte er sich in einem Fernsehinterview zur politischen Verantwortung für die schwarzen Kassen, wies aber den Verdacht der Käuflichkeit weit von sich.

    "Wenn ich höre, man hätte Regierungshandeln in einer Regierung, die ich vertrete und die ich geführt habe, beeinflusst mit Spenden, ist das für mich ganz und gar unerträglich. Ich war nie bestechlich, ich habe nie Geld für mich persönlich genommen. In meine Kasse persönlich und privat ist nichts gegangen."

    Allerdings stellte sich später heraus, dass nach dem Regierungswechsel im Herbst 1998 zahlreiche Akten und Daten im Kanzleramt vernichtet worden waren, bevor die rot-grüne Koalition die Amtsgeschäfte übernahm, darunter Unterlagen zu Rüstungsgeschäften mit Saudi-Arabien und zur Privatisierung der Leuna-Raffinierie. Helmut Kohl räumte ein, in den Jahren 1993 bis 1998 zwischen 1,5 und zwei Millionen DM an illegalen Parteispenden angenommen zu haben, weigerte sich aber, die Namen der Geldgeber zu nennen.

    "Die Spender haben mir ausdrücklich erklärt, dass ich diese Spenden, die ich dringend brauchte angesichts der Finanzlage der CDU in den neuen Ländern, sie geben mir dieses Geld nur, wenn das nicht in die Spendenliste kommt. Das ist der Fehler, den ich gemacht habe, zu dem ich mich bekenne, das ich auch bedaure."

    Daraufhin forderte die Generalsekretärin der CDU, Angela Merkel, in einem Zeitungsartikel ihre Partei auf, sich von Helmut Kohl zu lösen.

    "Ein Wort zu halten und dies über Recht und Gesetz zu stellen, mag vielleicht bei einem rechtmäßigen Vorgang noch verstanden werden, nicht aber bei einem rechtswidrigen Vorgang. Die Partei muss laufen lernen, muss sich zutrauen, in Zukunft ohne ihr altes Schlachtross, wie Helmut Kohl sich oft selbst gerne genannt hat, den Kampf mit dem politischen Gegner aufzunehmen."

    Helmut Kohl aber weigerte sich weiterhin, die Namen der Spender zu nennen, und verzichtete auf den Ehrenvorsitz der CDU.

    "Ich habe allerdings in meinem ganzen Leben nie meine Ehre aufgegeben. Und so wie ich es verstehe, andere mögen es anders verstehen, gehört für mich und zu meiner Ehre, dass ich ein gegebenes Wort halte."

    Bis heute schweigt der Altkanzler zu den geheimnisvollen Geldgebern. Mit dem Spendenskandal fügte Helmut Kohl der CDU großen politischen und finanziellen Schaden zu. Als Strafe musste die Partei umgerechnet mehr als 20 Millionen Euro zahlen. Die Affäre zwang den Vorsitzenden Wolfgang Schäuble zum Rücktritt, weil auch er von dem Waffenlobbyisten Schreiber eine Spende von 100.000 Mark in bar angenommen hatte, und ebnete Angela Merkel den Weg an die Macht. Die "brutalstmögliche Aufklärung", wie sie der hessische Ministerpräsident Roland Koch gefordert hatte, blieb aus.