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Millionenquiz im afghanischen Fernsehen

Wenn die Kollegen des afghanischen Staatssenders zu ihrem Arbeitsplatz gehen, dann müssen sie an Pförtnern mit Kalaschnikows vorbei. Dass die Journalisten des Senders Radio Television Afghanistan, kurz RTA, so viel Wert auf ihre Sicherheit legen, hat einen guten Grund. Am Hindukusch ist die Anschlagsgefahr permament hoch.

Von Axel Rothkehl |
    Die Schüssel der Parabolantenne hinter dem Studiogebäude hatte mal einen Durchmesser von zehn Metern. Jetzt ist sie fast zerstört. Das Gelände des afghanischen Fernsehens lag in den 90er Jahren mitten im Schussfeld der Bürgerkriegsparteien.

    Dann, während der Taliban-Zeit, wurde hier kaum gesendet. Nur die Mullahs durften ihre Parolen verbreiten. Und auf den Fluren riecht es immer noch ein bisschen wie auf dem lokalen Ziegenmarkt. Jetzt will der neue Intendant, Najibullah Roshan, den Sender modernisieren. Zuerst ist das Programm dran.

    "Ich habe fünf Studios entdeckt, die neun Meter hoch sind und die wurden als Holzlager genutzt. Wir haben das Holz und diese ganzen Sachen rausgebracht und das renovieren wir diese fünf Studios - und eins davon ist für 'Wer wird Millionär?'."

    Hauptpreis ist eine Million Afghani. Das macht etwa 17.000 Euro, für die Menschen am Hindukusch immer noch ein unfassbarer Betrag. Bei der letzten Quizshow im Fernsehen gab es für den Sieger immerhin schon ein Spülmittel.
    Die eigentliche Sensation ist aber die Moderation. Ausgerechnet eine Frau hat Intendant Roshan dafür ausgesucht. Dafür hätten ihn die Taliban fertig gemacht.

    "Ich bin eine Person, die für die Gleichberechtigung von Frauen und Männern kämpft. Ohne Frauen? Nein!"

    Von Roshans Personalpolitik profitiert auch Mari Mofmahin. Sie arbeitet als Ansagerin. Frauen vor der Kamera müssen sein, sagt sie: "RTA ist ein Vorbild für die ganze Gesellschaft. In meinem privaten Umfeld ist das ganz positiv aufgenommen worden. Da gab es nur wenige Ausnahmen."

    Und RTA muss sich reformieren. Denn in Afghanistan gibt es inzwischen auch kommerzielle Sender.

    "In Konkurrenz mit diesen privaten Anbietern sind wir gar nicht konkurrenzfähig. Qualitätsmäßig unsere Sendungen sowohl im Radio als auch im Fernsehen sind sehr schlecht."

    Najibullah Roshan hat ein Vorbild: Er möchte das afghanische Staatsfernsehen in ein öffentlich-rechtliches System umwandeln. Das Modell kennt er aus Deutschland, wo er Kommunikationswissenschaft studiert hat. In der Bundesrepublik lernte Roshan auch effizientes Arbeiten kennen.

    "Wir müssen leider Personal radikal im ganzen Land abbauen. In ganz Afghanistan haben wir etwa 3000 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Wir brauchen nicht so viele Leute. Auf jeden Fall 60 Prozent von den alten Mitarbeitern müssen das Haus leider verlassen."

    Dennoch sucht der Intendant qualifizierte Redakteure: für die neuen Fernsehnachrichten. Einige nehmen schon in Kabul an Schulungen mit Trainern der Deutschen Welle teil. Dabei geht es auch um so banale Dinge wie pünktliches Erscheinen auf Pressekonferenzen.

    Auftraggeber der Ausbildung ist das Auswärtige Amt. Bis Juni noch produziert die Deutsche Welle aus Berlin die tägliche Nachrichtensendung in den Landessprachen Dari und Paschtu.

    Auch für diese Nachrichten muss RTA nichts zahlen. Doch das meiste Geld floss in den 80er Jahren. Damals hatten die sowjetischen Besatzer mit Hilfe der DDR auf dem Fernsehgelände einen kommunistischen Propagandasender für ganz Asien geplant. Doch die Sowjets zogen ab, und auch im Arbeiter- und Bauernstaat war Sendeschluss.

    Noch heute gibt es Einflussnahme der Mächtigen. Die in Kabul produzierten Manuskripte gehen durch die so genannte Evaluationsabteilung, die dem Informationsministerium unterstellt ist. Dort wird fleißig redigiert.

    "Wenn wir die Regierung nicht kritisieren können, dann werde ich nicht in diesem Amt bleiben. Das ist meine Bedingung an den Staatspräsidenten."

    Kritische Ansätze können in Afghanistan gefährlich sein. Gerade wenn es um die alten Kriegsherren geht. Eigentlich stehen dem Intendanten ein gesichertes Fahrzeug und Leibwächter zu. Doch damit will er sich nicht in Kabul sehen lassen. Das wäre Najibullah Roshan viel zu peinlich.